Musikarbeiter unterwegs … Loquai Park, China, Mexiko
Als Mary Broadcast veröffentlicht Maria Aichberger seit vielen Jahren ihre Musik, aktuell die Konzept-EP Panic samt dazugehöriger 4. Single Sing It.
TEXT: RAINER KRISPEL
FOTO: MARIO LANG
Im Sommer der Pandemie planen Musikerin und Musikarbeiter den Austausch zu Marias/Marys Musik zunächst virtuell, bevor dieser dann doch «in echt» stattfinden kann. Am Yppenplatz redet es sich dann direkt doch ein wenig leichter über Leben und Werk der 1981 geborenen Oberösterreicherin, die derzeit zwischen ihren Wahlheimatstädten Wien und Leipzig pendelt und ihren Lebensunterhalt als unterrichtende und ausübende kreative Musikerin bestreitet. Ihr Musikmachen nahm dabei im Alter von 11 ihren Anfang, singend zur Gitarre im leeren Zimmer, das gerade neu gestrichen wurde.
Von Panic …
Dabei machte und macht Mary Broadcast nicht nur im konkreten Wortsinn viele (Bahn-)Kilometer, auch inhaltlich und formell ist in und mit ihrer Musik vieles passiert, ist (sie) dabei ständig (in) künstlerische(r) Bewegung, seit sie ursprünglich als Mary Lamaro und quasi «Chefin» der Mary Broadcast Band musikalisch in Erscheinung zu treten begann. Geprägt von der Blueslastigkeit von Braunau am Inn, wo sie herstammt, bewegte sie sich anfangs zwischen Soul, Gospel, Funk und eben Blues. Auch als kompetente Sidewoman in diversen Formationen sammelte sie entsprechende (Live-)Erfahrungen parallel zu ihrem mittlerweile abgeschlossenen Wiener Studium in «Populargesang» mit Schwerpunkt Gitarre. Mit dem gewachsenen Wissen um ihre Kunst wurde die eigene musikalische Handschrift immer deutlicher, ebenso wie sich ihre Band, die viele Besetzungen durchlief, konsolidierte. Die Sängerin, die live und bei Aufnahmen singt, Gitarre spielt und Synthesizer-Tasten bedient, arbeitet dabei seit einigen Jahren hauptsächlich und stabil mit Thomas Hierzberger (Keyboard), Jimi Dolezal (Gitarre) und Andi Senn (Schlagzeug). Wenn Maria Aichberger heute Musik macht, steht immer Mary Broadcast drauf oder drüber. Mit den Alben Dizzy Venus (2016) und Svinx (2018) vollzog die Musikerin, die ihren Arbeiten gerne Konzepte zugrunde legt, schrittweise einen Wandel hin zu einer Musik, die zunächst elektronische Mittel zuließ – das 2018er-Werk wurde mit Markus Kienzl von den Sofa Surfers umgesetzt – und schließlich bei einem zeitgemäßen urbanen Pop ankam. Maria selbst spricht von «Indie», der Musikarbeiter denkt bei Sing It an Prince, und anderswo coverte Mary Broadcast Lazarus des späten Bowie. Große Fußstapfen gewiss, aber hier als Indizien für die Verspieltheit, Eingängigkeit und Qualität der Songs angeführt. Sie selbst lässt die Nähe zu PJ Harvey oder St. Vincent zu, kurioserweise fiel auch der Name Blondie in der Rezeption der jüngeren Songs.
… zu Sing It.
«Vom ersten Lied bis zum letzten wird eine Geschichte erzählt», umreißt Maria Aichberger ihren aktuellen Veröffentlichungszyklus, der schließlich eine EP bildet. Entstanden in der Pandemie, erscheinen sechs Songs samt jeweiligem Video, beginnend mit, sehr passend, Panic. Sing It greift als viertes Stück vom Lied davor, Bastille, das Thema der großen Liebe auf, an jenem Punkt, wo Abgründe sichtbar werden – und dennoch singen die Liebenden ihr einmaliges Lied. Textlich sind ihre Songs sehr nahe bei Maria, aus eigenen Erfahrungen geschöpft. «Ich brauche schon Zeit und Ruhe dazu», sagt sie über ihr
Schreiben. Dabei ist andererseits Struktur hilfreich, das heißt etwa, zu wissen, dass eine der in der Pandemie raren Proben unmittelbar einen neuen Song hervorbringen muss. Dazu ist Mary Broadcast in allen Aspekten ihrer Musik hands on, mit Unterstützung eines Verlags/
Labels. Finanziert werden die Veröffentlichungen durch diverse Sponsoren, denen die Musikerin herzlich dankt, und durch Support des SKE-Fonds, anders wäre das nicht zu bewerkstelligen. Sind eigentlich alle Songs der EP inhaltlich keine Leichtgewichte – Wunden, gesellschaftliche und individuelle, ziehen sich durch, mit denen Mary Broadcast und die Kunstfigur Aver umgehen –, benennt
Maria mit dem abschließenden Lied der EP explizit eine Fehlgeburt, die sie 2018 erlitten hat. Was ihr durchaus half, mit dem Erlebten mittlerweile besser umgehen zu können; sie thematisiert auch den Umgang mit der Schwangerschaft an sich. «Diese Zustände, dass etwas ganz Arges passiert, was man gar nicht einordnen kann, und es geht trotzdem irgendwie weiter, und dann wächst aus dem etwas anderes heraus.»