Solidarische Abenteuer Nr. 5: Peru
Lernen geht durch den Magen. Andrea Hofer und José Torres Noriega sind in Lima in der Medizin, in der Bildungsförderung und im Brotbacken aktiv. Hans Bogenreiter über das Engagement des Ehepaars.
Foto: Familie Hofer-Torres Noriega
Andrea Hofer und José Torres Noriega lernten sich beim Medizinstudium in Wien kennen. 2005 beschlossen sie, nach Peru auszuwandern – das Land, in dem Noriega aufwuchs. Es war für beide klar, dass sie etwas gegen die Armut in den Randbezirken der peruanischen Hauptstadt tun wollten. Peru hat rund 27 Millionen Einwohner, drei Viertel davon leben in Städten – und die Landflucht nimmt weiter zu. In Lima leben geschätzt sieben Millionen Menschen. Die Stadt ist umringt von Wüstenbergen, die vor allem von Bewohner_innen der Bergregionen Perus besiedelt wurden, die sich in der Stadt Arbeit und bessere Lebensbedingungen erwarten. Wenn kein Geld vorhanden ist, wohnen die Neuankömmlinge anfangs in Holzhütten oder Verschlägen aus Pappkarton, hoch oben an Orten, die nur durch Trampelpfade zugängig sind. Es gibt weder Straßen noch Strom noch Wasserzufuhr, die hygienischen Zustände sind schlecht und wirken sich negativ auf die Gesundheit aus. Schulkinder müssen oft lange Wege über steile Treppen hinab zur Schule und wieder zurück auf sich nehmen.
Im Jahr 2007 hatte das Ehepaar Hofer/Noriega die Idee, innerhalb einer staatlichen Schule eine Bäckerei aufzubauen, da viele Kinder ohne Frühstück in die Schule kommen. Sie gründeten die Asociacion Peru Austria Internacional, mit der sie mittlerweile vier Lehrschulbäckereien aufgebaut haben. Jede Schule wird von 900 bis 1000 Schüler_innen besucht, die täglich ein spezielles Schulbrot erhalten, welches mit Vitaminen und Mineralstoffen angereichert ist. Statistiken zeigen, dass die Leistungen durch «das tägliche Brot» angestiegen sind. Denn viele Schüler_innen litten unter Konzentrationsstörungen, da sie mit leerem Magen im Unterricht saßen.
Auf Initiative der Hofers entstanden Bäckerlehre, Backunterricht für Schüler und Backkurse für Mütter. Die Tourismusbranche in Peru boomt und benötigt ausgebildete Bäcker_innen und Köch_innen.
Aber auch andere Projekte wurden realisiert, in einer Mädchenschule wurde eine veraltete Zahnarztpraxis neu ausgestattet, alle 900 Schulmädchen werden untersucht, und es gibt Unterricht in Zahnhygiene. Notwendige Eingriffe werden für einen kleinen Unkostenbeitrag für das Material durchgeführt.
Vor zwei Jahren konnte in einer der Schulen auch ein Kindergarten für 150 Vorschulkinder eröffnet werden. Es ist ein großer Wunsch von Frau Hofer, in jeder der Projekt-Schulen einen Kindergarten zu bauen, da die Vorschulkinder in den betreffenden Bezirken oft keinen Zugang zu adäquaten Spielmöglichkeiten und didaktischem Lehrmaterial haben. In den Kindergärten innerhalb der Schule erhalten die Kinder ebenfalls ein gesundes Frühstücksbrot.
«Peru ist mir sehr ans Herz gewachsen»
Andrea Hofer
Wie entstand die Idee, sich sozial zu engagieren?
Als mein Mann in staatlichen Krankenhäusern tätig war, konnte er bei den katastrophalen Zuständen nicht wegsehen. Hier müssen die Patient_innen jede medizinische Leistung selbst bezahlen, bis zu den Einweghandschuhe für eine Untersuchung oder dem Gel für eine Ultraschalluntersuchung. Man kann sich vorstellen, dass es täglich viele Menschen gibt, die kein Geld für medizinische Leistungen haben und so auf der Strecke bleiben. Mein Mann, dem diese Umstände sehr zu Herzen gingen, griff immer wieder in seine eigene Tasche, um für Medikamente, Katheder, Nadeln etc. zu bezahlen.
Was gab den Ausschlag, ein Ernährungsprogramm Gesundheitsprojekten vorzuziehen?
Bisher haben wir uns noch zu keinem Gesundheitsprojekt entschlossen, da diese Projekte schwierig zu gestalten und teuer sind. Aber unser Traum ist es, eines Tages eine Tagesklinik für arme Menschen zu eröffnen. Wir dachten uns, man könne über die Ernährung die Gesundheit der Kinder beeinflussen. Jede Regierung, die ich bisher in Peru erlebt habe, bietet für die Armen Ernährungsprogramme an, etwa Frühstück für Schulkinder.
Welche Probleme stehen euch im Weg, und wie zeichnen sich Erfolge ab?
Unsere Projektorte liegen weit weg von unserem Wohnort, da geht viel Zeit verloren. Die Erfolgserlebnisse sind aber ungleich größer. Das Engagement der Eltern ist gestiegen, die Lehrer sind engagierter und mehr Schüler beenden die Schulausbildung. Ein Beispiel: Wir haben einen 17-jährigen Hilfsbäcker eingestellt, der keine Bleibe und keine Arbeit hatte. Eines Tages bemerkten wir, dass er die Brotbestellungen schwer lesen konnte und auch Schwierigkeiten mit dem Rechnen hatte. In dieser Schule, in der wir die Bäckerei administrieren, gibt es Erwachsenenbildung. So arbeitete er tagsüber in der Bäckerei und abends holte er die Schule nach. Parallel dazu wurde er zum Hauptbäcker ausgebildet, und jetzt arbeitet er in einem Hotel als Zuckerbäcker. Manche Schüler_innen sind durch uns inspiriert, es gab auch bereits einige, die ein Medizinstudium begonnen haben, was normalerweise für Kinder, die in armen Verhältnissen aufwachsen, kaum möglich ist.