Anselm Jappe mag keinen Beton. Der architektonischen Stilrichtung, die im Deutschen als Brutalismus bekannt ist, kann er rein gar nichts abgewinnen. Das sei einmal von vornherein festgestellt. Über Geschmack lässt sich streiten. Dass die massenhafte Verwendung von Beton negative ökologische Folgen hat, ist unbestritten. Jappe, deutscher Philosophieprofessor, der an der Kunsthochschule Rom Ästhetik lehrt, setzt sich in seinem Aufsatz äußerst kritisch mit dem Lieblingsbaustoff der Moderne und der Gegenwart auseinander. Beton, eigentlich ein künstlicher Stein, gab es bereits in der Antike. Was heute als Beton bezeichnet wird, hat aber wenig mit dem Material zu tun, aus dem etwa das römische Pantheon besteht. Heute wird fast ausschließlich mit armiertem Beton gebaut, also z. B. Stahl- oder Spannbeton. Die Verbindung mit Metall soll besondere Widerstandsfähigkeit bieten. Das Gegenteil sei der Fall, schreibt Jappe. Diese Bauten haben eine Lebensdauer von höchstens 50 Jahren, sind äußerst schwierig und kostspielig instandzuhalten und zu renovieren. Recycliert kann das Material kaum werden, nur Downcycling ist möglich.
Der Siegeszug von Beton geht Hand in Hand mit der Ausbreitung des Kapitalismus, meint Jappe, sorgt für weltweite Vereinheitlichung im Stadt- und Landschaftsbild, bringt traditionelle Bautechniken zum Verschwinden. Einen Ausweg aus der Misere zeigt der Autor nicht, verweist jedoch auf den «Arts & Crafts»-Pionier William Morris. Wissenschaftlich exakt ist Jappes Essay nicht, das will er auch nicht sein, vielmehr zeigt er, durchaus polemisch und einseitig, trotzdem umfassend, die Problematik eines Baustoffs.
Anselm Jappe: Beton. Massenkonstruktionswaffe des Kapitalismus
Aus dem Französischen übersetzt von Gerold Wallner
Mandelbaum 2023
160 Seiten, 20 Euro
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