Bürostuhlakrobat und SchreibtischtäterDichter Innenteil

Gottfrieds Tagebuch Dezember 2021

  1. 12.

First Lady ist empört! Ich habe doch glatt vergessen, einen 100. Geburtstag zu erwähnen. Nachdem ich meine Notizen erfolgreich entziffern konnte (oder heißt das eher entbuchstaben?), stellte sich heraus, dass am 5. 11. 1921 eine gewisse Margot Friedländer 100 Jahre alt wurde. Sie ist immer noch in Schulen unterwegs, um über ihr Leben und ihr Überleben im KZ Theresienstadt zu berichten. Mir will scheinen, dass in der Jetzt-Zeit leider wieder starke Tendenzen in Richtung extrem rechts zu erkennen sind. Aber eigentlich wollte ich auch auf einige Bücher dieser starken Frau hinweisen. Zum Lesen werden wir dank eines gewissen Virus ja wahrscheinlich noch länger viel Zeit haben. First Lady ruht inzwischen auf meinen handschriftlichen Aufzeichnungen. Ich bin empört!

  1. 12.

Es wird wieder einmal angelobt. 2021 geht als das Jahr der 3 Bundeskanzler in die Geschichte ein. Ein Dreipäpste-Jahr habe ich jedenfalls schon selbst erlebt, und zwar 1978, da regierte einer der drei nur 33 Tage, Schallenberg schaffte es immerhin vom 11. Oktober bis heute. So nebenbei fanden im Zuge der Regierung des mehrfachen und jüngsten Ex-Kanzlers Österreichs so viele Regierungsumbildungen statt, dass man in der Präsidentschaftskanzlei des Alexander Van der Bellen durchaus einen Drive-in-Schalter etablieren könnte. Aber ich als Bürostuhlakrobat und selbsterlernter Schreibtischtäter habe ja leicht schreiben, oder besser gesagt sieht es in meinen Gedankengängen immer übler aus. In meinem Kopf möchte ich derzeit nicht Urlaub machen. First Lady ist gelangweilt und geruht zu ruhen. Eine gute Idee …

  1. 12.

Früher (die Älteren unter uns werden sich erinnern) ein katholischer Feiertag, wurde der heutige Feiertag Merkur, dem römischen Gott des Handels geopfert. Heuer gilt die Widmung einem gewissen Virus und man kann ausschließlich Nahversorgung betreiben. Eigentlich wollte ich heute gar nicht hinaus in die freie Wildbahn, aber der Katze Futtertresor verlangt nach dringender Befüllung. Ich richte meine Schritte geringfügig beschleunigt zum nächstgelegenen Nahversorger, denn da ich im Laufe des Tages vorübergehend auf ein funktionierendes Gedächtnis verzichtet habe, muss es jetzt schnell gehen. Es ist zwar noch 2 Stunden geöffnet, aber ich möchte keinesfalls der oder das Letzte sein. Im Geschäft treffe ich auf eine erkleckliche Anzahl von Kleinkriminellen (manche waren auch größer), alle vorschriftsmäßig maskiert und herrlich schallgedämpft. Was bei der Bestellung an der Feinkosttheke wiederum zu einem mittelmäßigen Geschrei führt. Ja, früher war das noch ein katholischer Feiertag …

  1. 12.

Bin heute früher auf der Jagd nach Nahrung für Mensch und Tier. Vor dem von mir angestrebten Geschäft betreibe ich noch ein wenig Tabakvernichtung und verwandle Tabak in Rauchschwaden. So weit, so qualmend. Plötzlich scheine ich durch die Rauchschwaden ein bekanntes Gesicht zu erkennen. Es ist laut früher getätigten Aussagen eine gewisse Frau Euro, gebürtige Schilling. Ihr Mann ist als Installateur tätig und war in der Vorwoche in einem schlossähnlichen Gebäude tätig, erfahre ich. Eine Therme für Warmwasser musste getauscht werden. Bisher eine sehr unauffällige Beschäftigung. Er wiederum berichtete seiner besten Ehefrau von allen, dass er einen «Durchlauchterhitzer» montiert habe. Also ich finde das super! «Arbeitslos: I. Das Los, ohne Arbeit zu sein. II. Die Arbeit lässt mich nicht los.» Walter Ludin

  1. 12.

Auf YouTube findet man leider ja auch sehr viele intellektuell unterbelichtete Inhalte. Ich jedoch bin auf der Jagd nach Musik jenseits des Mainstreams. Erfahrungswerte zeigen, dass das eine Weile dauern kann, denn zwischendurch wird First Lady um ein paar Streicheleinheiten vorstellig. Heute wird es eine interessante Mischung: Deep Purple – Beethoven meets Rock 1985. Anschnallen und genießen, oder auch nicht, je nachdem. Mir gefällt’s. First Lady schnurrt.