Celovec instandbesetzttun & lassen

Firlefanz und Dilettanz übernehmen eine alte Nazi-Baracke

Das neue Polizeibefugnisgesetz erlaubt Räumungen heute auch ohne Hausbesitzer_in. Doch 2006 lag Klagenfurt noch im Trend der internationalen Hausbesetzungsbewegung und verlieh sich mit dem «Bomba Clab» in alten Militärbaracken Flügel. In den 70er Jahren wurde aus Protest gegen den Ingeborg-Bachmann-Preis das Nachbarhaus besetzt und zum autonomen Literaturort gemacht.«All die alten Sandler, Vertrottelten, Patscherten passten auf die jungen Mädels auf und haben nicht einmal hingetupft», ruft Hans Triebnig, der Ende der 70er Jahre ein Mitbesetzer des Hauses Reitschulgasse 4 in Klagenfurt am schönen Wörthersee war. «Der Obdachlose Lenz kochte und wusch ab, der ist dort aufgelebt. Du hast das Gefühl gehabt, dass dein Leben einen Sinn hat. Mit dem H. C. Artmann und mit Sandlern Feste feiern, da komme ich her! Es geht um soziale Zärtlichkeit!» Triebnig kommt direkt von seiner Arbeit als Fremdenführer zur Podiumsdiskussion zum Thema Hausbesetzungen in den Klagenfurter «Kunstraum Lakeside» und trägt einen Anzug. Der ehemalige Musiker der angeblich besten österreichischen Rockgruppe «The Shades» sagt gleich den schönsten Satz des Abends: «Man muss mit den Menschen umgehen lernen, ohne wahnsinnig oder böse zu werden.» Aus Protest gegen den Ingeborg-Bachmann-Preis, der ihrer Meinung nach alles Geld von den jungen Kärntner Literaten (kein -innen) abzog, besetzten drei Dichter und Schriftsteller das Nachbarhaus des Austragungsortes, nachdem sie «1979 mit drei rostigen Sensen in die Lesungen zum Wettbewerb gegangen sind, näherkommender Gesang: Wir sind die Holzhacker Buam und dem Jurymitglied Reich-Ranicki die rostigen Zähne gezeigt haben». Während drinnen Freund Josef Winkler den zweiten Preis gewinnt und Gert Jonke sich solidarisiert, «lauern die anderen draußen, es war daran gedacht, die Stromerzeugung lahmzulegen». Einer der fröhlichen mittelalten Herren in der Runde lacht: «Ich erhielt einen Anruf. Was glaubst, wo wir sind? Wir sind im Haus nebenan!»

Kein Anstandsvergehen mehr

«Heutzutage bezahlt die Polizei private Sicherheitsdienste, um geräumte Häuser zu bewachen», berichtete vorher Andreas Suttner, Autor des Buches «Beton brennt», in seinem Vortrag «Hausbesetzungen. Klagenfurt goes Europe». «Früher musste der Hausherr die Polizei rufen, aber die Novelle des Polizeigesetzes erlaubt der Polizei jetzt auch ohne den Hausherrn einzugreifen, falls der nichts macht.» Diese Informationen sind alle zu finden, wenn man im offiziellen Rechtsinformationssystem «Hausbesetzung» eingibt. Suttner vertritt die These, dass die Städte schon fertig und durchsaniert wären und daher die Besetzungen von Leerstand an den Stadtrand gedrängt werden (siehe zum Beispiel den Lobmeyerhof in Wien). Beim Umbau der Städte in Erlebnis- und Autostädte würden die Besetzer_innen ins Abseits gedrängt. Früher war das Betreten leer stehender Häuser kein Vergehen und wurde höchstens nach einem Landesgesetz als Anstandsvergehen geahndet. Mit dem neuen Polizeibefugnisgesetz würde Hausbesetzung erstmals zu einer strafbaren Tat. «Ist das eigentlich schon durch?», fragt Suttner in die Runde doch keine_r weiß etwas dazu.

Die Ausstellung «Das ist wirklich hier passiert» wurde von Student_innen der Klagenfurter Universität erarbeitet, der Künstler Hubert Lobnig baute ein sich drehendes metallisches Film-Karussel für die Mitte des Raumes, auf das ein alter Film über die Hausbesetzung projiziert wird. Rundherum liegen auf einer Art Spinnenbeinen Gegenstände aus der Zeit seltsam musealisiert und doch als haptischer Eindruck, der Nähe bringt. Auf einer Schautafel sind Fotos der Besetzung von Militärbaracken auf einem ehemaligen Schießübungsplatz am Klagenfurter Kreuzbergl zu sehen, wo 2006 der «Bomba Clab» entstand, der aber bald geräumt wurde. Die Gebäude, die auch schon von den Nazis genutzt wurden, stehen bis heute leer. Die Kids aus der Hip-Hop- und Graffiti-Bewegung durften sich dort keinen eigenen nichtkommerziellen Kommunikationsort aufbauen.

 

Andreas Suttner tat sich wirklich viel Recherchearbeit an: So gab es 1977 in Großbritannien 1838 besetzte Häuser, 1975 in Italien sogar 20.000 und in der Schweiz 1971 die «Autonome Republik Bunker». «Man sieht, was in der Wohnungspolitik alles falsch gelaufen ist», sagt er. «Im Kampf gegen die Wohnungsspekulation in den 80er-Jahren wurde die Bewegung erstmals kriminalisiert. Die Konflikte eskalierten. Der Selbsthilfe gegen Wohnungsleerstand standen z. B. in Berlin staatliche Förderungen für Abriss gegenüber.» In Spanien besetzten nach dem Ende der Franco-Zeit Bauern und Bäuerinnen ihre Dörfer «nicht die Größe der Stadt ist ausschlaggebend, sondern die Vernetzung der Szene». Suttner weist nach, dass auch Klagenfurt Teil der internationalen Szene war und sozusagen im Trend lag. Anschließend liest Arno Pilgram vom Club «Unikum» ein Lied vor, «das wir vor der Räumung sangen. Wir als Teil der Weltrevolution! Es tut ein bissl weh und ist peinlich: Firlefanz und Dilettanz …, Klagenfurt du flaches Weib, hab dich samt deinem großen Becken schon fast vergessen. Wir bauen uns ein neues Klagenfurt …»

 

Ein anderer schöner Ausstellungs-Fluchtort: Im Museum Moderner Kunst Kärnten zeigt der Sammler Franz Wojda gerade minimalistische Beispiele von «reduzierter Kunst»: «Das Zeitnahe geistig zu erfassen, ist immer das Schwierigste», sagt er Auge in Auge mit dem Bild «Study for Homage to the Square Look» von Josef Albers aus dem Jahr 1961.

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