Comeback auf Kufenvorstadt

Beim Sport-Club dauerte die Pause vom Eis nur 97 Jahre

Der WSC spielt nun wieder Eishockey und konfrontiert das Wiener Unterhaus mit seiner Fankultur. Von politischen Eishacklern und konspirierenden Kantineuren berichten Hannes Gaisberger (Text) und Carolina Frank (Fotos).

Der Leidensdruck der Eishockey-Fraktion unter den Sport-Club-Fans muss gewaltig gewesen sein. Hätte man noch schlappe drei Jahre zugewartet, wäre das Comeback auch ein Jubiläum gewesen. 1921 hat sich der altehrwürdige WSC beim Eishockeyverband abgemeldet. Ehemals erster österreichischer Staatsmeister, zollte man damals den aus Kanada kommenden Reformen Tribut. In Wien bevorzugte man lange Zeit den Proto-Sport Bandy, bei dem statt dem Puck ein kleiner Ball übers Eis befördert wurde. Als Bandy offiziell abgelöst wurde, schieden auch die Dornbacher aus. Ganze 97 Jahre später wagt man sich nun zurück ins Spiel.

Eine besoffene Hau-Ruck-Aktion ist das Comeback jedenfalls nicht, wie Sektionsleiter Clemens Ederer betont: «Wie lange es solche Überlegungen nun tatsächlich schon gibt, ist schwer zu sagen. Angeblich ist die Idee auch in den 1980ern herumgegeistert. In den letzten zwei Jahren ist im Umfeld des Sport-Club vermehrt darüber gesprochen worden. Wir haben uns über Foren und Social Media vernetzt und letzten Winter zu einem Treffen zusammengefunden, um endlich Nägel mit Köpfen zu machen.» Ab diesem Frühjahr wurde mit dem Aufbau eines Teams begonnen, Spieler gesichtet, Papierkram erledigt. Von Seiten der Vereinsspitze wurden den Eiswilligen auch keine Steine in den Weg gelegt, noch dazu, wo der Sport-Club seit jeher ein «Mehrsektionenverein» ist. Bevor in Dornbach 1907 das erste Mal ein Fußball rollte, trat der Verein vor allem im Rad- und Turnsport in Erscheinung. Heute kann neben Fußball auch Fechten, Wasserball, Schwimmen, Squash, Radsport und Laufen unter dem Dach des Sport-Clubs betrieben werden. Und jetzt wieder Eishockey.

Hoffen auf Eiszeit.

Nach 97 Jahren lässt sich natürlich schwer an Konkretes anschließen. Der nächstgelegene Eislaufplatz Engelmann wäre auch naheliegend, da der Tausendsassa Eduard Engelmann Junior sowohl bei der Gründung des Sport-Clubs als auch später im Hockeyteam beteiligt war. Laut dem auch selbst auflaufenden Sektionsleiter Ederer geht das aber nur mit Einschränkungen: «Das ist, soweit ich weiß, nur in einem abgetrennten Bereich mit leichtem Puck und eckigen Banden möglich. Als Austragungsort für Meisterschaftsspiele ist der Platz daher leider ungeeignet, da er nicht der IIHF-Norm entspricht. Es würde mich aber sehr freuen, wenn sich in Zukunft die Möglichkeit ergibt, dort zu trainieren, wo für den WSC Eishockey vieles begonnen hat.» Am Engelmann-Platz wurde übrigens bis zum Krieg noch recht erfolgreich «gehackelt», der EK Engelmann konnte dort mehrere Staatsmeistertitel feiern.

Doch man will keineswegs nur in Erinnerungen schwelgen. Die im Ligavergleich große Medienpräsenz des Vereins soll auch dafür genutzt werden, auf die prekäre Lage bei den verfügbaren Eisflächen hinzuweisen. «Leider ist das Platzangebot seit Jahren extrem beschränkt. In Ost-Österreich, also Wien, Niederösterreich und Burgenland, gibt es nur 13 Eishallen. Für mehr als die Hälfte der gesamten österreichischen Bevölkerung. Der großen Nachfrage wird seitens der politisch Verantwortlichen kaum Rechnung getragen», weist Ederer auf den notorischen Platzmangel hin. In Wien sieht es für die nächste Saison sogar noch schlechter aus, sollten der Eisring Süd und der Eislaufverein am Heumarkt tatsächlich gleichzeitig umgebaut werden. Es bleibt die Hoffnung, dass die überholten Sportstätten hernach mehr Platz und damit Eiszeiten bieten.

Ungewohnte Fankultur.

Die aktuelle Heimstätte des Sport-Clubs ist die Eistadthalle am Vogelweidplatz. Auf dem Weg dorthin lese ich noch einmal die Antwort des kurzfristig erkrankten Sektionsleiters Ederer auf die Frage, wie man als dezidiert politischer Verein von den Gegnern aufgenommen wird. Finden die das durchwegs gut? «Nein. Bei den meisten Vereinen herrscht eher Unverständnis, warum immer alles politisiert werden muss. Ich habe sehr viel Zeit meines Lebens in Eishockey-Kabinen verbracht und kenne den Ton, der dort vorherrscht, sehr gut. Mein Jugendtrainer hat mir schon im zarten Alter von acht Jahren erklärt, dass ich nicht wie eine ‹Schwuchtel› oder ‹Pussy› spielen soll, sondern wie ein ‹echter› Mann. Ein anderer Trainer gab vor, er sei sicher kein Sexist, aber Frauen hätten im Eishockey nichts verloren. Wir sollten die gegnerische Torhüterin ‹aus dem Tor schießen, damit sie das endlich kapiert›.» Das seien keine Einzelfälle, so Ederer weiter, derartige Erfahrungen ziehen sich wie ein roter Faden durch seine bisherigen Berührungspunkte mit Eishockey in Österreich. «Mittlerweile weiß ich, wie wichtig es ist, bei solchen Situationen den Mund aufzumachen, solche Ansagen nicht zu tolerieren. Sprache schafft Realität, deshalb bin ich stolz, dass der WSC seine politische Haltung nach außen trägt und sie somit überhaupt erst zum Thema macht.» Außerdem soll ich mich nicht wundern, dass die Spieler beim Training kostümiert sein werden. Stimmt, es ist der 11. 11.

In der Eisstadthalle angekommen, werfen sich die ersten Spieler schon in Schale und dann gleich aufs Eis. Der erkrankte Sektionsleiter hat mir seinen Vize Alex Prückler an die Seite gestellt. Prückler freut sich über den ansehnlichen Spielerkader, mit dem man mittlerweile ein erstes und ein B-Team bestücken kann. Er sieht es schon als Erfolg, dass man jetzt so viele gute Spieler habe, dass er selbst gar nicht mehr unbedingt in der Ersten spielen muss. Spielerinnen dürfen in der dritten Wiener Liga, in der die Kampfmannschaft spielt, leider nicht antreten. «Im B-Team ginge das schon, wir spielen in der vierten Liga. Aber ab der dritten Liga wird gecheckt.» Nachwuchs- und Frauenteams seien für die Zukunft natürlich schon ein Thema.

Während die Cowboys, Pizzastücke, Adler und Bienen auf dem Eis ihre Runden ziehen, zeigt mir Alex Prückler die kleine Kantine der Eisstadthalle. Sportlich geht es bergauf, nach zwei Niederlagen konnte Anfang November der erste Sieg eingefahren werden. Und was die Fans betrifft, ist man der Konkurrenz natürlich weit überlegen. Der Verein kann sich der Unterstützung der Friedhofstribüne sicher sein. Die Zahlen schwanken noch, bedenkt man die Anfangseuphorie und Faktoren wie umgeleitete Busse auf der Heimfahrt vom Auswärtsspiel der Fußballmannschaft. Dann können schon einmal 100 Anhänger_innen Stimmung machen. Aber es kristallisiere sich ein zuverlässiger harter Kern heraus.

Logistische Engpässe.

Angeblich habe der Kantineur des Eisring Süd seinen Kollegen von der Eisstadthalle kontaktiert und ihm geraten, beim Sport-Club-Spiel ausnahmsweise aufzusperren. «Das Bier war aber dann trotzdem im ersten Drittel schon aus», ortet Prückler logistische Engpässe. Die Kantinen und Kollegen der Liga werden sich wohl oder übel an die neue Situation gewöhnen müssen, auch wenn der Sport-Club mittelfristig in die zweite Wiener Liga aufsteigen möchte. Aber auch dort wird man das Motto «Love Hockey, Hate Fascism!» hochhalten. Ob es die anderen nun interessiert oder nicht.