An einem traurigen Coronatag kann es schon einmal sein, dass ich mir um 1/2 12 mittags einen Gin Tonic einschenke.
An einem traurigen Coronatag kommen mir auch viele traurige Gedanken, wie z. B.: Meine Freundin habe ich schon fast ein Jahr nicht mehr gesehen, sie wohnt in einer anderen Stadt, manchmal telefonieren wir.
An einem traurigen Coronatag erinnere ich mich plötzlich daran, dass es vor 40 Jahren um die nächste Straßenkreuzung alle wichtigen Geschäfte gegeben hat: Eine «Milchfrau», einen Greißler, eine Eisenhandlung, ein Gemüsegeschäft, einen Fleischhauer, einen Blumenladen und eine Trafik plus Postkastl. Jetzt sind es 2 Supermärkte, ein Plastikgeschäft, ein Küchengerätediskonter und kein Postkastl. War ich früher in einer Minute bei all den oben erwähnten Geschäften, so muss ich heute die U-Bahn benützen.
Was ist zu tun? Blumen müssen her!
Ich mache mich auf den Weg.
Zuerst beobachte ich, wie an einem Gebäude eine Telefonantenne von zwei angeseilten Männern installiert wird. Vor dem Hintergrund eines tintenblauen Himmels haben die sicher eine famose Aussicht.
Ein Mann in Privatkleidung hebt Papierln rund um einen Parkbank auf. Ich zeige ihm meinen ausgestreckten Daumen und freue mich. Dann höre ich einen Specht klopfen und wundere mich, wie er es in den kleinen Park mitten im Beton geschafft hat.
Nach dem Anlegen einer FFP2-Maske betrete ich den Supermarkt und fülle meinen Einkaufswagen mit 2 Blumensträußen und 4 Töpfen mit Küchenkräutern.
Am Heimweg ist der Mann weg und der Specht klopft nicht mehr, aber ich habe etwas Schönes vor. Ich verteile die Blumen in meiner Wohnung und widme mich den Kräutern auf dem Balkon.
Der Frühling kommt – ich kann ihn schon riechen.