Da kommen die Leut‘ z‘sam – Lokale für besondere BegegnungenBoulevard-Blog

Boulevard-Blog vom 14.6.2023

Hier kann man hingehen, wenn man Besonderes erleben und soziale Ideen unterstützen will. Drei Cafés in Wien mit außergewöhnlichen Konzepten.

Café Club International – im 16. Bezirk

«Ich glaub, viel Konzept war am Anfang gar nicht. Auch heute ist es noch, ich sag mal: ein seltsamer Mischbetrieb, der gut funktioniert», sagt Constance Winkler, als wir Anfang Juni vor dem Café Club International (Cafe C.I.) gemeinsam Cappuccino trinken. Ihr Vater hat sich damit 1983 selbstständig gemacht. Aus Lust, aber auch aus der Not heraus. Die Arbeiterkammer, bei der er damals angestellt war, wollte ihn als Mann nicht in Karenz gehen lassen. Er aber wollte als Elternteil nicht mehr Vollzeit arbeiten und so eröffnete er das Café am Yppenplatz, das seither beliebter Treffpunkt und soziale Institution in einem ist.

Das Café C.I. ist in den vergangenen vierzig Jahren immer am gleichen Standort geblieben, nur die Lokalität selbst und die Angebote wurden immer größer. Constance erzählt: «Zuerst war es nur das Café. Als mein Papa aber immer mehr mit den Gästen ins Gespräch gekommen ist, hat er gemerkt, dass die Leute oft Probleme mit ihrer Wohnsituation haben, vor allem hier im 16. Bezirk.» So habe er kurzerhand begonnen, in seinem Lokal Mietrechtsberatungen durchzuführen. «Im nächsten Schritt hat er analysiert, dass die Leute oft deshalb Probleme mit dem Mietrecht haben, weil sie kein Deutsch verstehen und sich nicht wehren können. Somit kam die Sprachschule dazu.» Neben dem Café bietet der Club International seit einigen Jahren Deutsch- und Taxikurse an. Für Zuwander:innen und Student:innen gibt es außerdem günstige Zimmer zu mieten – in Wien, Graz und St. Pölten.

Das Team im Café am Yppenplatz besteht hauptsächlich aus Menschen mit Migrationsbiografie. Das Konzept des Club International bewährt sich: Der Koch wurde direkt aus dem Deutschkurs abgeworben, der neue Kellner hat seinen schon vor zehn Jahren hier gemacht. Das Café ist Arbeitgeber:in, Treff- und Austauschpunkt zugleich, und man darf hier auch mal länger sitzen bleiben – etwa, um im Schatten von der Sommerhitze zu fliehen oder um sich im Winter aufzuwärmen. Wichtig zu betonen ist, dass das Café International nicht spendenbasiert funktioniert, sondern sich der Betrieb selbst trägt. Das ist auch den vielen Stammgästen zu verdanken, die das Café zu dem machen, was es ist: eine Institution am Yppenplatz, die es sich auf jeden Fall lohnt, zu besuchen. P.S.: Wer genau hinschaut, findet im Gastgarten die Botschaft eines Augustin-Verkäufers.

Barista Cats – im 7. Bezirk

Auch in der Kandlgasse 35 im Siebten bleibt man gerne länger sitzen. Nicht nur wegen der modernen Innenarchitektur und des guten Kaffees, sondern vor allem wegen der flauschigen Bewohner:innen. Orea, Maumi, Baghira und Fis sind hier, in Wiens neuem Katzencafé, die Attraktion schlechthin. Mal mitten auf dem Tisch, mal schnurrend am Bein, mal über dem Kopf dahin tapsend – so sieht man die Pfoten durch das Plexiglas von unten. Wer das Ganze zuerst lieber aus der Ferne begutachten möchte, kann im Gastgarten oder in dem Katzen-freien Innenbereich Platz nehmen.

In ihrem Wohnzimmer aber haben die vier ehemaligen Tierheim-Bewohner:innen das Zepter in der Hand – und man richtet sich nach ihnen. Wenn man auf die Toilette muss, warnt ein Schild, man solle bitte keine Katze einklemmen. Wenn eine Samtpfote vor der Glastür liegt, macht die Kellnerin oder der Kellner eben eine kurze Zwangspause. Wenn es aber den Vierbeinern zu bunt wird, verschwinden sie durch die Katzenklappe in die Ruhezone. Die meiste Zeit genießen die vier aber schnurrend die Anwesenheit und Streicheleinheiten der Gäste. «Catucchino» mit Kakao-Pfote trinken und nebenbei Köpfchen kraulen lautet die Devise.

Eröffnet wurde Barista Cats am 1. Mai 2023. Inhaberin Natascha Bergmann plante zunächst ein Vermittlungscafé für Streunerkatzen, daraus wurde aufgrund der hohen Auflagen aber leider nichts. Der soziale Aspekt ist dennoch nicht verlorengegangen. Pro verkauftes Getränk gehen 20 Cent an karikative Katzenprojekte. «Aktuell sind es Spenden an das Wiener Tierschutzhaus sowie an ein Katzenhaus auf Zypern. Und wer weiß, vielleicht klappt es in Zukunft ja doch noch mit Vermittlungskatzen», so Natascha. Alternativ sind für den Gastraum Bildschirme geplant, auf denen Videos von vermittelbaren Katzen aus dem Wiener Tierschutzhaus gezeigt werden. «Vielleicht können wir in Zukunft so dazu beitragen, dass sie ein neues Zuhause finden», meint die Betreiberin. Der erste Schritt, nämlich Menschen für Katzen zu begeistern, ist mit der Eröffnung von Barista Cats auf jeden Fall schon geschafft.

Vollpension – im 1. und 4. Bezirk

Kuchen, so gut wie bei der Oma: Den gibt’s in Wiens Generationencafé «Vollpension». In der Schleifmühlgasse im Vierten sowie im MUK im Ersten arbeiten Alt und Jung gut zusammen. Im Service und als Barista sind vorwiegend Studierende tätig, am Herd und an der Tür haben die Omas und Opas das Sagen.

Das Ganze hat einen sozialen Hintergrund: Die Senior:innen werden geringfügig angestellt und können sich so etwas zu ihrer Pension dazu verdienen. Oma Marianne erklärt: «Die Arbeit in der Vollpension hilft gegen Altersarmut und Einsamkeit, was ja gerade in der Stadt ein Thema ist.» Natürlich wäre es besser, wenn die Pensionen von Haus aus für einen guten Lebensstandard ausreichen würden. Das Projekt soll daher auch ein öffentliches Zeichen setzen – aufzeigen, dass es für viele ohne Zuverdienst in der Pension nicht geht. «Aber den meisten bei uns geht es auch um die Aufgabe an sich. Um die Anerkennung, die man bei der Arbeit bekommt. In die Vollpension zu gehen ist eine gute Möglichkeit, um dieses Alleine-Zuhause-Herumsitzen abzuwürgen», sagt Marianne.

Sie selbst (Jahrgang 1944) hat mehr als vierzig Jahre in einer Rechtsanwaltskanzlei gearbeitet. Die Annonce, in der eine «Oma vom Dienst» gesucht wurde, hat sie vor acht Jahren zufällig in der Zeitung entdeckt. «Ich dachte mir: Ich bin alleinstehend und meine Kinder sind auf der ganzen Welt verstreut. Ich rede viel und bin gerne unter Leuten – das hat einfach gepasst.» Seither ist sie Empfangsoma in der Vollpension, begrüßt die Gäste und erklärt ihnen das Konzept. Zweimal die Woche, jeweils für fünf Stunden. Ein guter Zuverdienst, bei dem genug Freizeit bleibt – und eine Arbeit, die ihr Spaß macht: «Bei mir ist ja die eine oder andere Erziehungsmaßnahme im Service inkludiert», sagt sie mit einem Augenzwinkern. «Wenn wer nicht grüßt, das mag ich nämlich gar nicht!»

Auch sonst geht es im Lokal zu wie bei der Oma: Wer einen Zeit-Slot bucht, darf währenddessen so viel trinken, wie er/sie möchte, erklärt Oma Marianne. «Ich sag immer: Setz dich hin, atme ein, atme aus. Die Leute haben es ja verlernt, sich Zeit zu nehmen. Bei uns lernt man das wieder.»

Neben dem Dienst im Café macht Marianne auch Videos für Social Media. Das taugt ihr. Ganz nach ihrem Motto «Auch eine alte Kuh lernt immer was dazu» ist sie offen und lernt gerne Neues, so wie ihre Kolleg:innen auch: «Wir Alten hier sind alle sehr modern und scheuen das Internet nicht.» Insgesamt sei es ein Geben und Nehmen zwischen Alt und Jung. Letztere können vor Ort oder online auch Backkurse bei den Omas und Opas buchen – und so von den Besten lernen: «Weil eines sag ich dir: Der Johannes, unser Sachertorten-König, der backt die besser als das Original. Und dann gibt es noch den Gerhard, unseren Kardinalschnittenmeister, und die Lucia, die macht die besten Bucheltn, weißt, die mit Powidl und Vanillesoße und.… und… und…» Wie bei der eigenen Oma, ist es auch hier schwer, wieder zu gehen.

Weiterführende Links:

Café Club International: http://www.ci.or.at/
Barista Cats: https://www.baristacats.at/
Generationencafé Vollpension: https://www.vollpension.wien/

 

Foto oben: Garten Vollpension Schleifmühlgasse (Mark Glassner)
Fotos unten: C.I., Barista Cats (Augustin), Vollpension (Mark Glassner)

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