Da wird einem warm ums Herztun & lassen

Aktion Freifahrt: Sandler-Delegation übergibt 5000 Unterschriften

Auch das ist neu in Wien: Sandler stehen für ihre Rechte ein und wählen eine Sandlerdelegation, die im Wiener Rathaus 5000 Unterschriften unter der AUGUSTIN-Forderung „Freie Fahrt für Obdachlose!“ überreichen wird…Wer muß vollzahlen? Wer darf billiger fahren? Wer darf gratis fahren? Das Ermäßigungssystem im öffentlichen Personennahverkehr Wiens ist chaotisch (milde Form der Kritik) – und es verletzt den Gleichheitsgrundsatz.

Personengruppen wie SchülerInnen, StudentInnen, PensionistInnen und Menschen mit Behinderungen kommen derzeit in den Genuß einer

Ermäßigung bei den Wiener Linien: verständlich! Die ärmste Personengruppe (SozialhilfebezieherInnen) ist jedoch zum Vollpreis verdammt. Das ist für viele Menschen unverständlich: rund 5000 unterstützten mit ihrer Unterschrift die Nulltarif-Forderung des AUGUSTIN.

Mitte Mai werden die Unterschriften der Stadtregierung überreicht werden. Wiener Novität: Die Delegation besteht aus Sandlern, die für ihre Rechte eintreten. Sie vertreten hunderte obdachlose Kollegen, die wegen Schwarzfahrer-Strafen im Gefängnis saßen und die Schwarzfahrer-Schulden in fünfstelliger Höhe mitschleppen, womöglich bis zum jüngsten Gericht.

Die AUGUSTIN-Kampagne hat bei vielen die Wahrnehmung der sozialen Ungleichheit in dieser Stadt geschärft, wie die Reaktionen von Leserinnen und Lesern bewiesen – kleine Erfolge vor dem großen Erfolg. Im Wiener Gemeinderat ist das Anliegen, wie berichtet, sofort von der grünen Fraktion aufgegriffen worden. Im Jänner 1999 stellte Gemeinderätin Susanne Jerusalem einen Antrag auf

Fahrpreisermäßigung für Obdachlose. Diese sollten den anderen Personengruppen, die Anspruch auf Ermäßigung haben, zumindest gleichgestellt werden.

Inzwischen liegt die offizielle Mitteilung der zuständigen Politikerin Brigitte Ederer (amtsführende Stadträtin für Finanzen, Wirtschaftspolitik und Wiener Stadtwerke) vor. Die Wiener Linien, so die SPÖ-Politikerin, „gewähren eine Reihe von Fahrbegünstigungen für einkommensschwächere bzw. behinderte Bevölkerungsgruppen. Unter anderem können Personen, die über ein bestimmtes Mindesteinkommen verfügen, mit Hilfe des Sozialpasses der Stadt Wien … eine um ca. 64% ermäßigte Monatskarte bzw. Streifenkarten und Fahrscheine zum Halbpreis erwerben“.

Was Brigitte Ederer zu erklären vergaß: Warum erhalten Sozialhilfe-EmpfängerInnen, also ausgerechnet die Ärmsten der Armen, keinen Sozialpaß, der die Voraussetzung für die Gewährung von Fahrpreisermäßigungen ist?

Die Finanzstadträtin führt dann aber noch ein weiteres Argument gegen den grünen Antrag an: „Eine zusätzliche Sonderregelung für obdachlose Mitbürger bzw. Sozialhilfeempfänger würde einen relativ großen administrativen Aufwand bedeuten (Überprüfung der Berechtigung) und daher zusätzliche Kosten verursachen. Es kann auch nicht die Aufgabe der Wiener Linien sein, für alle soziale Bereiche, welche in die Zuständigkeit anderen Stellen fallen, die Kosten zu tragen“.

Die amtliche Mitteilung endet immerhin mit dem Hinweis, daß das letzte Wort möglicherweise noch nicht gesprochen ist: „Ich möchte Sie aber davon informieren, daß in meinem Auftrag sich derzeit eine Arbeitsgruppe mit der Frage der Einführung eines einkommensabhängigen Begünstigungsausweises beschäftigt. Darunter fallen auch die im gegenständlichen Antrag angeführten Personengruppen.“

Die Antragstellerin gibt sich, wie zu erwarten war, mit dieser Mitteilung nicht zufrieden. „Ederers Begründungen sind wahre Leckerbissen für Zyniker“, meinte Susanne Jerusalem gegenüber dem AUGUSTIN.

Man müsse sich das „so richtig auf der Zunge zergehen lassen: Nur wer über ein bestimmtes Mindesteinkommen verfügt, kriegt eine Ermäßigung. Wer dieses bestimmte Mindesteinkommen nicht nachweisen kann, kriegt keine Ermäßigung. Mit einem Wort, die Ärmsten der Armen sollen sich den vollen Preis leisten. Jeder Mensch mit ganz normalem Hausverstand findet das unlogisch, unsozial und gemein. Stadträtin Ederer offenbar nicht.“

Auch Ederer Argument des „relativ großen administrativen Aufwands“ läßt die oppositionelle Gemeinderätin nicht gelten: „Die Stadt will keinen administrativen Aufwand wegen der Obdachlosen haben, dieser lohnt sich erst, wenn es um Menschen geht, die ein bestimmtes Mindesteinkommen haben. Ausgerechnet in Wien, in der Wiege der Bürokratie, will man punktgenau in diesem einen Fall keinen administrativen Aufwand dulden, da wird einem richtig warm ums Herz.“

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