Damals klappte es ohne Facebooktun & lassen

Zwanzigtausend für Frauenrechte auf dem Ring, wie am 19. März vor 100 Jahren?

19. März 1911: 20.000 Menschen demonstrierten über die Wiener Ringstraße für Frauenrechte. Hundert Jahre später packt die Frauen der Zorn. Denn trotz manch erkämpfter Verbesserungen für Frauen blieb vieles unerfüllt und wird im Zeichen von Wirtschaftskrise und Sozialabbau wieder in Frage gestellt. Ein breites Frauenbündnis organisiert für den 19. März 2011 eine Demonstration für Frauenrechte am Wiener Ring. Die Kulturvermittlerin Petra Unger ist eine der Organisatorinnen. Im Gespräch mit dem Augustin schildert sie das Zustandekommen und das Ziel dieser Aktion.Das Frauenbündnis 20000frauen arbeitet seit einigen Monaten intensiv an der Vorbereitung einer Demonstration für Frauenrechte. Am 19. März dieses Jahres wird in Erinnerung an das historische Datum die Wiener Ringstraße wieder im Zeichen des Frauenkampfes stehen. Wie kam es denn zu dieser Initiative?

Anlass war zunächst der 100. Jahrestag des Internationalen Frauentages. Viele Frauen wussten davon und sprachen darüber, dass angesichts der unzähligen, unerfüllten Forderungen von Frauen dieser Jahrestag ein geeigneter Anlass ist, um auf die Situation der Frauen heute und ihre Forderungen aufmerksam zu machen.

Dahinter steht die Unzufriedenheit und Wut der Frauen, die konfrontiert mit Sozialabbau, prekären Arbeitsverhältnissen, Rassismus, männlich dominierten Gewaltverhältnissen, Sexismus und steigender Armut bei gleichzeitiger Milliardenumverteilung von Geldern hin zu den Banken meinten: Aus! Es reicht!

Die Plattform 20000frauen hat sich sehr bald formiert und im Schneeballeffekt sehr schnell vergrößert. Erstes Ziel der Plattform ist es, wieder 20.000 Frauen und Männer für Frauenrechte auf die Ringstraße zu bringen, so wie es am 19. März 1911 gelungen ist.


In der Vergangenheit gab es ja rund um den Frauentag immer wieder feministische Aktionen, mit denen Anliegen in die Öffentlichkeit getragen wurden. Was ist denn diesmal so besonders an dieser Initiative?

Neu ist die Breite des Bündnisses, die Entschlossenheit, zu handeln und ein Ziel zu formulieren: 20.000 Menschen zu einer Demonstration am Wiener Ring zu versammeln und dies als Auftakt zu einer weiteren Zusammenarbeit zu sehen. Ursprünglich von wenigen Aktivistinnen ausgehend, ist mittlerweile ein Bündnis entstanden, dem die Frauen des ÖGB, der SPÖ, der KPÖ und der Grünen ebenso angehören wie die Katholische Frauenbewegung, aber auch eine große Zahl an autonomen Frauenprojekten in ganz Österreich und viele, viele Einzelfrauen.

Von Anfang an war es uns wichtig, dass die Forderungen der Frauen in ihrer Vielfalt und Unterschiedlichkeit zum Ausdruck kommen und dennoch die gemeinsame Aktion möglich ist. Daher war es u. a. ein Diskussionspunkt, ob die Plattform eigene Forderungen formulieren soll. Wir haben uns dagegen entschieden, weil es nicht notwendig ist, das feministische Rad neu zu erfinden. Die Frauen und Frauenorganisationen haben längst ausführliche Gesellschafts-, Wirtschafts- und Politikanalysen angestellt und daraus die entsprechenden Forderungen für die jeweiligen Bereiche entwickelt. Diesen Forderungen wollen wir eine Plattform geben. Formuliert wurde von unserer Seite der Aufruf zur Demonstration, um diese Forderungen wieder sichtbar zu machen und die Vision einer Welt, in der Frauen nicht diskriminiert und ausgebeutet werden. Mit dieser Vision wollten wir unseren Ansprechpartnerinnen ein Bild von uns vermitteln, bevor sie ihre Unterstützung zusagten. Zudem sehen wir diesen Text auch als wichtiges Mobilisierungsinstrument. Herauslesen lässt sich hier aber durchaus eine gemeinsame Positionierung im Sinne einer neoliberalismuskritischen, deutlich gegen rechte Politiken abgegrenzte und antisexistische Haltung.


Ihr habt kürzlich eure erste Pressekonferenz abgehalten, die auf ein großes mediales Echo gestoßen ist. Ist jetzt ein Punkt erreicht, wo die Öffentlichkeit nicht mehr an den Forderungen der Frauen vorbeischauen kann?

Es ist richtig, das mediale Echo ist relativ groß. Und ein neues Moment ist, dass wir die Vorteile der neuen Medien wie Facebook oder Twitter für unsere Anliegen nutzen konnten. Wir haben eine sehr gute Homepage der Plattform www.20000frauen.at , dort können laufend Frauen und Frauenorganisationen, -einrichtungen, -projekte, -vereine, -organisationen usw. ihre drei wichtigsten feministischen und frauenpolitischen Forderungen veröffentlichen, mit ihrem Logo oder Foto. Inzwischen sind dort seht viele Frauenforderungen nachzulesen. Es findet sich dort aber auch vieles andere mehr: Es gibt ein feministisches Bild- und Textarchiv, in dem die Forderungen des Frauenvolksbegehrens oder das feministische Regierungsprogramm nachgelesen werden können. Dort können Frauen auch Fotos von früheren 8.-März-Demonstrationen hochladen oder feministische Texte von damals und heute nachlesen. Jede Frau findet dort Anregungen, mitzumachen, sich einzubringen und die Plattform zu unterstützen. Die Website wird laufend aktualisiert, und es gibt fast täglich Neues.

Unsere Materialien werden in allen Bundesländern von Aktivistinnen in Umlauf gebracht. Die ÖBB stellt ein ermäßigtes Ticket mit dem Titel «Frauen am Zug» zur Verfügung, das es Frauen aus den Bundesländern ermöglicht, am 19. März kostengünstig nach Wien zu kommen, und es werden Busse organisiert.


Du bist Kulturvermittlerin, du machst feministische Stadtführungen was hat dich denn motiviert, da mitzumachen? Macht es Spaß, dabei zu sein? Es ist doch eine ziemlich intensive Arbeit damit verbunden

Vor allem meine eigene politische Unruhe und die Erkenntnis, dass Frau allein zwar das eine oder andere bewegen kann, aber im Alleingang eigentlich nicht sehr viel Veränderungspotenzial steckt. Es braucht viele Frauen, die aufstehen, Druck machen und einfordern, was ihnen zusteht, um die politischen Verhältnisse in Richtung Demokratisierung zu verändern. Aus meinen Arbeitszusammenhängen kenne ich viele der engagierten Frauen und Unterstützerinnen der Plattform. Das erleichtert natürlich die übermäßig viele und intensive Arbeit. Und: Es macht Spaß, in diesem Zusammenspiel von politischem Engagement, feministischem Fachwissen und intensivem inhaltlichem wie persönlichem Austausch zu arbeiten. Ich kann es jeder Frau nur empfehlen und sie einladen, mitzumachen!

Was wird sich am 19. März abspielen? Was erhofft ihr euch für die Zukunft?

Jetzt steht erst einmal die Demonstration am 19. März mit allen Veranstaltungen, Reden, Festen und kulturellen Beiträgen usw. im Vordergrund. Das zu organisieren, ist ein enormer Arbeitsaufwand. Wir hoffen, dass die Beteiligung an der Demonstration groß ist und dass uns damit ein Auftakt gelingt, der Frauen wieder zusammenbringt und eine Bewegung entsteht, die vehement einfordert, Frauenpolitik wieder auf die Agenda zu bringen. Obwohl sich derzeit alle Energien auf die Vorbereitung der Demonstration konzentrieren, sind wieder Frauenenqueten ganz in der Tradition der verstorbenen Johanna Dohnal geplant, die Raum für politische Debatten und Austausch bieten sollen. Es soll aber auch die Frauenministerin darin gefordert und gefördert werden, den Anliegen der Frauen von ihrer Position aus politisch Nachdruck zu verleihen. Etablierte Frauenpolitik in Auseinandersetzung mit einer außerparlamentarischen Bewegung, um den demokratiepolitischen Rückschritten der letzten Jahre feministische Konzepte entgegenzuhalten so könnte die unmittelbare Zukunft im politischen Handeln der Frauen miteinander und gegen die etablierten Männerbünde aussehen. Nicht zuletzt gehören auch internationale Vernetzungen über den österreichischen Tellerrand hinweg dazu.

AUS. Aktion Umsetzung. Sofort

Unzählige Forderungen und Kritiken von Frauen sind seit 100 Jahren und mehr auf dem Tisch. Unzählige Forderungen warten auf Umsetzung. Am 19. März 1911 gingen 20.000 Frauen (und Männer) für mehr Frauenrechte auf die Straße. Nun jährt sich dieser Tag zum 100. Mal ein guter Anlass, wieder zu einer großen Demonstration für Frauenrechte am Samstag, dem 19. März 2011 auf dem Wiener Ring aufzurufen! Treffpunkt: 14 Uhr, Schwarzenbergplatz. Abschlusskundgebung; 16 Uhr, Parlament.

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