Damit Leerstand nicht Schule machtvorstadt

Konferenz über ungenutzte räumliche Potenziale von Schulgebäuden

Die vierte Leerstandskonferenz beschäftigt sich mit Nutzungskonzepten für Schulen. Die Initiator_innen des Wiener Architekturbüros «nonconform architektur vor ort» fordern mehr Kreativität und langfristigeres Denken.

Foto: Mehmet Emir

Leerstand ist ein brennenderes Thema denn je – für die Politik genauso wie für Architekt_innen und Stadtplaner_innen. Während an Orten, die als attraktiv gelten, der Platz eng und teuer wird, veröden andere. Ein Phänomen, das auch vor Österreichs Schulen nicht haltmacht. Angesichts von Abwanderung und Geburtenrückgängen sind vor allem Bildungseinrichtungen in ländlichen und peripheren Gegenden von Schließung bedroht, bestehende Gebäude werden den Anforderungen an eine moderne Schule nicht mehr gerecht. Unter dem Titel «Auslastung: Nicht genügend!» diskutieren deshalb am 15. und 16. Jänner Expert_innen im steirischen Leoben über Konzepte und Auswege aus dem Dilemma des schulischen Leerstands.

Der Tagungsort ist dabei nicht zufällig gewählt. «Leoben ist ein Musterbeispiel für eine Stadt, die besonders stark von Strukturwandel und Abwanderung betroffen ist. Die Schülerzahlen von früher werden heute nicht mehr annähernd erreicht», sagt Caren Ohrhallinger vom Architekturbüro, das die Leerstandskonferenz bereits zum vierten Mal initiiert und organisiert. Tatsächlich sind die Bewohner_innen der ehemaligen Industriestadt in den letzten Jahrzehnten deutlich weniger geworden. Allein zwischen den Volkszählungen 2001 und 2011 ging die Einwohner_innenzahl des obersteirischen Bezirks um mehr als sieben Prozent zurück. Lag die Zahl der jährlichen Geburten in Leoben in den 1960er Jahren bei rund 700, hat sie sich zuletzt bei 180 – also rund einem Viertel – eingependelt. Eine Talfahrt, deren Ende nicht absehbar ist: Bis 2050 soll die Bevölkerung um weitere 12,5 Prozent schrumpfen.

Auf die Schulsituation in Leoben hatte das bereits beträchtliche Auswirkungen. In den letzten zwei Jahrzehnten schlossen drei von acht Volksschulen. «Die Stadt hat erkannt, dass sie hier Antworten finden muss, und entwickelt gerade ein Schulstandortkonzept für die nächsten Jahrzehnte», sagt Ohrhallinger. Dabei würden neben einer pädagogischen und demographischen Analyse auch baulich-räumliche Parameter abseits einer reinen Sanierungskostenfrage herangezogen, anhand derer dann überlegt werden kann, was mit Objekten passieren soll, die keine Schule mehr beherbergen werden. «Das wird oft vernachlässigt, obwohl diese Frage sehr wesentlich ist», so Ohrhallinger. Mit der Planung des Bildungszentrums Donawitz (Beteiligungsprozess, Masterplan und Architektur: Michael Zinner & Kunstuniversität Linz & nonconform), wo in einem bestehenden Gebäude drei Schultypen unter ein Dach gebracht werden, tragen auch die Architekt_innen zur Wiederbelebung des Bildungsstandorts Leoben bei. Eröffnet wird das neue Bildungszentrum zwar erst im Herbst 2016, die künftigen Nutzer_innen wurden aber bereits in die Pläne einbezogen: «Im Rahmen unserer «vor ort ideenwerkstatt» haben wir mit Schüler_innen, Pädagog_innen, Eltern, Auftraggeberschaft, und Hauspersonal über ihre Vorstellungen gesprochen. Erst nach dieser intensiven Orientierungsphase hat die konkrete Planung begonnen.»

Wiederbelebung eines Gebäudes

Was aber tun mit einer Schule, die als Bildungseinrichtung ausgedient hat? Leerstand sei aus vielen Gründen die schlechteste Option, meint der Architekturjournalist Wojciech Czaja, der die Leerstandskonferenz mitkonzipiert und moderiert. «In der aktuellen Architekturdiskussion ist oft von Lebenszyklen von Immobilien die Rede. Zur Nachnutzung von Schulen gibt es einige sehr interessante Modelle», sagt Czaja. Den Sprung in eine neue Ära geschafft hat beispielsweise die ehemalige Schule in Außervillgraten in Osttirol. Das aus 1894 stammende Gebäude wurde teilweise abgetragen und neu aufgebaut. Während im Untergeschoss verschiedene Vereine ihre Treffen abhalten, entstanden darüber fünf Wohnungen – eine aufwändige Revitalisierung, die ohne Unterstützung des Landes nicht finanzierbar gewesen wäre. Der Mehrwert sei unbestritten, argumentieren sowohl Bauträger als auch Dorfbewohner. Ein brachliegendes Gebäude sei wiederbelebt, Leerstand und infrastruktureller Aufwand für einen Neubau vermieden worden.

Weil es dauern kann, bis für eine ehemalige Schule neue Verwendung gefunden wird, ist auch die Zwischennutzung ein Thema der Konferenz. Ein interessantes Konzept, das unter anderem in Deutschland zur Anwendung kommt, ist jenes der Hauswächter_innen. Gegen eine geringe Miete ziehen diese in ein leerstehendes Gebäude ein und sorgen dafür, dass es instandgehalten, gegen Vandalismus geschützt ist, beheizt und belüftet wird. In Leoben referiert ein Hauswächter einer Berliner Schule über seine «Wohngemeinschaft auf Zeit», weitere Vorträge beschäftigen sich mit der Nachnutzung als barrierefreiem Wohnraum für Senior_innen, durch Gastronomie oder Kulturschaffende.

Das Modell der Hauswächter_innen harrt in Österreich noch seiner Umsetzung. Und auch in anderen Bereichen, die das Thema Schule und Leerstand betreffen, sehen die Initiator_innen der Konferenz viel Luft nach oben. Dennoch sei ein Umdenkprozess bemerkbar, meint Caren Ohrhallinger von nonconform. «Die Zahl jener, die denken, dass eine Schule mehr können muss, als ein Klassenzimmerkasterl für den Vormittag und ein anderes Kasterl für den Nachmittag zu bieten, steigt», sagt die Architektin. «Schule soll ja nicht nur heißen, Wissen zu konsumieren, sondern auch denken zu lernen. Und dafür braucht es zeitgemäße Gebäude.»

Reinhard Krennhuber

Info:

Leerstandskonferenz 2015

15.-16. Jänner

8700 Leoben/Steiermark

Detailliertes Programm unter:

www.leerstandskonferenz.at