Danke, Wasserkraft?tun & lassen

Kampf ums Kamp-Kraftwerk

Ob Mur oder Kamp: Energieanbieter versuchen unter dem modischen Motto der «Nachhaltigkeit» höchst fragwürdige Projekte zu verwirklichen. In Rosenburg am Kamp will die EVN das bestehende Kraftwerk durch ein größeres ersetzen. Jakob Lediger hat sich angesehen, ob etwas dagegen spricht.

Foto: Clemens Feigel

Im Falle des Kamptals geht die Geschichte der Energieausbeutung bis ins Jahr 1907 zurück, als im Auftrag der Stadtgemeinde Horn am Umlaufberg nahe Rosenburg erstmals ein Kraftwerk errichtet wurde; das wird heute durch die EVN (Energieversorgung Niederösterreich) betrieben. Selbige sorgt nun mit Erweiterungsplänen ebendort für Verunsicherung, ist doch vom ursprünglichen Fluss Kamp kaum noch etwas übrig.

Nutzbare Wildnis.

Wer kennt sie nicht, die Stauseen von Ottenstein und Dobra? Oder die Anlage bei Thurnberg nahe Wegscheid am Kamp? Diese Bauten aus der Nachkriegszeit haben das betroffene Flusstal und den Fluss selbst einschneidend verändert. «Wir brauchen wilde, ursprüngliche Räume!», meint Clemens Feigel, denn sie seien zum Menschsein unerlässlich. Vom Menschen abgesehen brauchen natürlich auch Tierarten wie Uhu, Schwarzstorch, Eisvogel, Smaragdeidechse, Würfelnatter, Alpenbock oder Scharlachkäfer einen wilden Kamp. Auch gefährdete Pflanzen seien dort noch zu finden, und eine seltene Hartholzau wäre direkt durch die höhere Aufstauung gefährdet.

Clemens Feigel betreibt nicht nur die Galerie «Eremitage am Kamp» in Wegscheid, er ist auch Aktivist in der Bewegung Lebendiger Kamp und von der EVN «genervt», weil sie ständig versuche, «den hier frei fließenden Kamp als nicht ursprünglich herabzuwürdigen, nur weil es bereits gelungen ist, vieles zu zerstören. Das hat was Obszönes. Jeder, der einmal dort gewesen ist, hat die Einzigartigkeit und Kraft dieses Flussabschnitts gesehen und gespürt.»

Dem hält Stefan Zach, seines Zeichens Pressesprecher der EVN, entgegen: «Es handelt sich um einen historischen Wassernutzungsstandort und nicht um ein ursprüngliches, naturbelassenes Ökosystem. Die flussaufwärts gelegenen bereits bestehenden Kraftwerke in Ottenstein, Dobra und Thurnberg beeinflussen die Wasserführung des Kamp. Die derzeit bestehende rund 13 Kilometer lange Flussstrecke ist deswegen anders zu betrachten als eine völlig unberührte Naturlandschaft.»

Kämpfe um den verbliebenen Kamp sind nicht neu. In den Achtzigern und Neunzigern des letzten Jahrhunderts wurden zwei enorme Bauvorhaben nur durch massiven Widerstand der Bevölkerung und Beteiligung eines Boulevardblattes verhindert. Selbst Stefan Zach bezeichnet diese beiden Bauprojekte aus heutiger Sicht als «überzogen».

Klimaschutz und Ökoschmäh.

Danach herrschte Ruhe. Trügerische Ruhe für die Bewegung Lebendiger Kamp, denn im Jahr 2011 machten erste Gerüchte über neue Kraftwerkspläne die Runde. Gerüchte, deren Wahrheitsgehalt seitens der EVN bis 2015 stets bestritten wurde. Petitionen, die sich bereits damals gegen eine Erweiterung nahe Rosenburg ausgesprochen hatten, hatte die EVN als «bar jeder Grundlage» von sich gewiesen. Schließlich wurde die Öffentlichkeit im Jahr 2015 von der EVN zu einer Informationsausstellung nach Rosenburg geladen, um nun doch über bauliche Vorhaben zu berichten. Stefan Zach: «Im Wesentlichen wurden mehrere mögliche Modernisierungsvarianten vorgestellt, die Stellungnahmen verschiedener NGOs wie WWF, Naturschutzbund, BirdLife und RiverWatch miteinbezogen. Der ökonomisch optimierten Variante wurde eine ökologisch optimierte Variante, der wir im Übrigen den Vorzug geben, gegenübergestellt. Die Meinungen der NGOs dazu gingen erheblich auseinander. So tritt der WWF etwa für eine ersatzlose Demontage des bestehenden Kraftwerks ein. Das ist für uns aus Gründen des Klimaschutzes ausgeschlossen. Andere NGOs sehen das viel pragmatischer und sind uns da inhaltlich auch viel näher.»

Das betroffene Gebiet zählt zu den durch «Natura 2000» geschützten Arealen und ist somit Bestandteil eines Netzes von Schutzgebieten innerhalb der EU, das seit 1992 nach den Maßgaben der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG) in Entwicklung ist. Neubauten sind hier grundsätzlich nicht gestattet. Ausbauten nur im Sinne einer ökologischen Verbesserung erwünscht. Clemens Feigel sieht solche Verbesserungen in den Plänen der EVN nicht gegeben: «Die Richtlinien für solche Schutzzonen stellen klar: Bei allen Eingriffen ist nicht nur eine Verschlechterung zu vermeiden, sondern eine Verbesserung das Ziel! Neben der Aufstauung ist zudem besonders die geplante eineinhalb Meter tiefe Ausbaggerung stromabwärts nach der Staumauer – die die Fallhöhe des Wassers erhöhen soll – sehr problematisch. Der Fluss wird danach über einen Kilometer fast stehend und weiter flussabwärts träge sein. Wenn die EVN nun ihre ‹ökologisch optimierte› Variante als Kompromiss mit den Naturschützern verkauft, ist es eine Mogelpackung. Die Naturschutzverbände sind alle gegen diesen Ausbau. Sie haben deutlich Kritik dargelegt, berücksichtigt sehen sie davon jedoch nichts.» Wenn die EVN jetzt großzügig darauf verzichte, die ökonomische Maximalvariante einzureichen, sei das kein Kompromiss, meint Feigel: «Diese Variante hätte niemals eine Bewilligungschance gehabt und hatte eher Schockfunktion, damit die ‹ökologisch optimierte› Variante als solche verkauft werden kann. Und selbst die Bewilligung dieses Ökoschmähs setzt gehörig Willfährigkeit beim Land NÖ voraus.»

Die Argumentation des Kraftwerkbetreibers für den Ausbau von Rosenburg setzt beim Wasserrecht an, das im Jahr 2026 ausläuft. Bis dahin seien ökologische Maßnahmen wie zum Beispiel moderne Fischaufstiegshilfen erforderlich. Davon abgesehen verweist die EVN darauf, dass für die von der Modernisierung betroffenen Gebäude kein Denkmalschutz bestehe. Und wie würde sich nun die ökologisch optimierte Variante auf den Stauraum auswirken? Stefan Zach spricht von einer Vergrößerung des Stauraums von «nur» 300 Metern auf rund einem Kilometer Gesamtlänge. «Die EVN muss die Auflagen erfüllen, sonst verliert sie das Nutzungsrecht», lautet dazu der Kommentar von Clemens Feigel. Der Künstler und Aktivist kann auch der Forderung vom WWF und von RiverWatch viel abgewinnen, nämlich einen Durchbruch zu machen und dieses Kleinkraftwerk aufzugeben. Das koste fast nichts und bringe dem Fluss viel. «Stellen Sie sich vor, ein Privater sagt der Behörde: ‹Ich erfülle diese Auflage nur, wenn ich mehr verdiene!› Nicht vorstellbar! Und wir als Konsumenten stützen mit der Ökoabgabe solche Projekte!»

Außerdem ist ihm ein Dorn im Auge, dass der Wegebau für das Kraftwerk verharmlosend dargestellt wird, obwohl ihm ein hübsches Ensemble zum Opfer fällt: «Die bestehende Fußgängerbrücke zum historischen – leider noch immer nicht geschützten – Bau ist charmant. Eine neue Brücke für LKW wird hier, in diesem ruhigen Tal, wohl anders wirken.»

Aus für den Ausbaustopp?

Die Präsentation der EVN im Jahr 2015 machte klar, dass schon seit Längerem hinter verschlossenen Türen an rechtlichen Möglichkeiten getüftelt wurde, den bestehenden Ausbaustopp der Wasserkraft am Kamp zu beenden. Waren die wiederholten Dementi davor politischen Motiven geschuldet? Die Problematik der Flussbettausgrabung ist aber auch der EVN bewusst. Für den Stromversorger ist laut Unternehmenssprecher «die Modernisierung des Kraftwerks Rosenburg ein vergleichsweise kleines Projekt für eine Umweltverträglichkeitsprüfung», die durchaus gutgeheißen werde. Er kündigt auch an, «alle dafür erforderlichen Unterlagen vorzubereiten».

Wie auch immer. Widerstand ist formiert, auch mit Hilfe von künstlerischen Mitteln, so hatte der Kunstraum «Eremitage am Kamp», der auch Teil der Aktionsgruppe Lebendiger Kamp ist, zum Fotowettbewerb «Das Leben ist ein freier Fluss» aufgerufen. Die Resonanz ist für Clemens Feigel ermutigend gewesen. «Neben medialer Berichterstattung kam es zu einem regen Austausch bei der gut besuchten Ausstellung und zu einer Vernetzung in den Sozialen Medien. Die Aufmerksamkeit gegenüber der Absurdität dieses Bauprojekts durch die EVN ist gewachsen.»