Dannebergpredigt: Ferienbildertun & lassen

Bilder öffnen sich vor meinem Erinnerungsfenster: Ferien bei Tante Gretchen im Oderbruch, der Trennungslinie zwischen Polen und der aus Kriegstrümmern entstandenen DDR.

Der heiße Sommer Anfang der 50er-Jahre: über mir das grünwogende Spargelkrautmeer vor tiefblauem Himmel, unter mir der heiße Sand, mein kleiner Kinderkörper passte gerade hinein in diese Beetrille. Solche gefühlten Bilder begleiten dich dein Leben lang. Glück. Ich, durch Zufall im westlichen Teil der gespaltenen Stadt zu Hause, durfte zur Tante in den Osten reisen. Was haben mich die politischen Ereignisse als Elfjährige gekümmert? Nichts. Man konnte trotz neuer Grenzziehung noch von hüben nach drüben. Später war das anders. Die Mauer. Abschottung. Dichtmachen, die Spaltung der Familien, ihrer territorialen und politischen Zugehörigkeiten. Doch das Ferienbild dieses Sommers im Spargelbeet bleibt.

Welche Ferienbilder bleiben meinen Kindern? Sie werden sich ans Mittelmeer erinnern, sofort nach Schulschluss im vollgestopften Auto ohne Klimaanlage über die Grenze Richtung Süden, das Zeltaufbauen, die ersten selbstgefangenen Fische und die Maulbeerbäume. Das Meer. Glück. Das Land, das gegen Ende des vergangenen Jahrhunderts wieder als Erstes einen Krieg nach dem letzten schrecklichen auf europäischem Boden erlebte, ist heute ein anderes. Die zerstörten Dörfer, die wir später sahen, korrigieren vielleicht ihr Bild vom kindlichen Ferienglück. Doch ein Bild bleibt neben den Kodak-Abzügen als gefühlte Erinnerung: in Sarajevo auf dem Markt der erste Burek im Land der fremden Sprache.

Welche Ferienbilder nehmen meine Enkelkinder mit in ihr weiteres Leben? Grenzenlose Freiheiten, grenzenlose Möglichkeiten, grenzenlos reisen? Quartiersuche durch Mausklick, grenzenlos telefonieren und viel Speicherplatz am Handy für die Fotos, die grenzenlos gepostet werden. Das Roaming-Aus bringt ihnen grenzenlose Sprech-Freiheiten in einer Welt neuer Mauern und Zäune, die sprachlos macht. Doch ein Bild bleibt vielleicht lebendig: Mit Oma und Opa durch den duftenden Pinienwald zum Wasser zu gehen.

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