Dannebergpredigt: Feste feierntun & lassen

Der Einser fährt nur bis zum Radetzkyplatz an diesem Vormittag des 31. Mai. Frauenlauf, eh klar. Eh super. Ich steige aus. Eine kleine Gemeinde empfängt mich, nein, nicht mich, sondern ich bin gerade zufällig in sie hineingestolpert. Die Menschen singen. Manche Männer haben eine Kippa auf dem Kopf. Eine Frau weint. Die Melodie ist schmerzlich. Die Verkäuferin der Ankerbrotfiliale tritt vor die Tür und lauscht. Die Fenster an der Hausfassade sind geschlossen. Es ist ein erster sommerlicher Tag, dieser 31. Mai. Plakate am Haustor der Radetzkystraße erinnern an die Juden und Jüdinnen, die hier einmal gewohnt haben, die ermordet, die vertrieben wurden, und an die wenigen, die ihr Leben retten konnten, weil ihnen die Flucht gelang.Hotel Metropol. Der Erinnerung eine Zukunft geben. Das Luxushotel der gründerzeitlichen Ringstraßenarchitektur wurde von den Nationalsozialisten zur Gestapo-Leitstelle umfunktioniert. Hier begann für viele Menschen der Tod. Folter, Vertreibung, Konzentrationslager. Künstler_innen haben zu den Wiener Festwochen den Morzinplatz zum Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung mit dem Verschütteten, Vergessenen und Verdrängten gemacht: «Was sie unterließ, haben wir getan» wurde im letzten Moment abgesagt, die Rock-Konzerte des Donaukanaltreiben-Festivals waren als Geräuschkulisse unmöglich für eine Gedenkveranstaltung. Ersatztermin ist voraussichtlich der 13. Juni um 15 Uhr bei der Gedenkstätte für die Opfer des Nationalsozialismus am Morzinplatz.

Feste feiern. Ich bin an diesem 31. Mai unterwegs zu einer Geburtstagsfeier. Die Widerstandskämpferin, Jüdin, Kommunistin und Frauenrechtlerin Irma Schwager feiert ihren 95. Geburtstag. Das offizielle Österreich hat sich bislang nicht beeilt, sie für ihren Beitrag für ein befreites Österreich zu ehren. Viele Widerstandskämpfer_innen sind schon gestorben, wenige leben noch. Manche Stolpersteine oder Feiern, wie jene am Radetzkyplatz, erinnern an sie.

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