Kapazitätsorientiert (Wirtschaftsminister Mitterlehner) assoziiert eine Obergrenze für sachliches Handeln. KAPOVAZ (kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit) hatte für Handelsangestellte, meist weiblich, die Arbeit auf Abruf eingeläutet und den geregelten Schutz von Arbeitszeiten zu Gunsten der Wirtschaft ausgehebelt. Heute verbindet Mitterlehner mit dem Adjektiv eine Obergrenze für flüchtende Menschen, die in unserem Land Schutz suchen. Das Boot ist voll. Kapazitätsorientiert bezeichnet also nebulos etwas, das Schwächere auf eine Sollbruchstelle verweist.
Mit den Ereignissen in Köln und anderen Städten hat sich die Sollbruchstelle verschoben. Gewalt gegen Frauen wird nun zu einem Asylthema. Die deutsche CDU-Spitze beschloss dazu eine «Mainzer Erklärung». Sie beinhaltet ein härteres Vorgehen gegen «kriminelle Ausländer» und die Einführung der Schleierfahndung, also verdachtsunabhängige Personenkontrollen, was auch leicht verwechselt werden kann mit der Fahndung nach verschleierten Frauen, wie das FPÖ-Plakat «Zu schön für einen Schleier» scheinheilig vermittelt. Die identitäre Rechte macht mobil für den Schutz «unserer Frauen». Als wäre das Selbstbestimmungsrecht von Frauen jemals ihr Anliegen gewesen.
Es ist ekelhaft, was mit der Kölner Silvesternacht plötzlich an Chauvinismus, Gewalt und Fremdenfeindlichkeit emporschwappt. Verschärfung im Asylrecht, kapazitätsorientierte Obergrenzen, Grenzzäune, Abschiebungen. Das Fremde als Adressat. Die Verlagerung der Debatte über sexuelle Gewalt auf das Asylthema verschiebt den Blick, dass Frauenfeindlichkeit und patriarchale Selbstgewissheiten hier wie dort existieren. Männerbündisches Verhalten (z. B. eine frauenlose oberösterreichischen Landesregierung) und antifeministische Angriffe (z. B. Spießrutenlauf von Frauen vor Abtreibungskliniken) entspringen den gleichen Denkmustern, hier wie dort.
Und wieder einmal: Frauen sind selbst schuld. Sie sollten nachts in männlicher Begleitung unterwegs sein (Polizeichef Pürstl) oder Armlängen Abstand halten (Kölns Oberbürgermeisterin Reker). Das ist Missbrauch eines verschleierten Themas in unterschiedlicher Ausprägung, hier wie dort: Gewalt gegen Frauen!