Ein anderes Gesicht ist auf wundersame Weise wie aus dem Nichts im öffentlichen Raum aufgetaucht. Es erstrahlt in Radiogeschichten vom Helfen. Es füllt Zeitungsspalten über eine neue Willkommenskultur. Es macht uns glücklich zu sehen, dass Österreich anscheinend ein Facelifting hinter sich hat: Die hässliche fremdenfeindliche Fratze wich über Nacht einem offenen Blick auf das, was im Moment notwendig ist – open faces, helping hands.Und tatsächlich: Als ich beim Hauptbahnhof im Sonnwendviertel ganz hinten weit weg vom Bahnhofsgetriebe das improvisierte Refugee-Zentrum aufsuchte, um Notwendiges wie Decken, Medikamente oder Hygieneartikel vorbeizubringen, war ich erstaunt über die Selbstverständlichkeit und Ausdauer, die junge Menschen ohne Auftrag, außer dem innerlichen, zum Zugreifen bewog. Keine politische Partei, die sich diesen Auftrag publikumswirksam ans Revers heftete. Es war, als würde zufällig eine Sternschnuppe vom Himmel fallen. Und ich wünschte, dass dieser Traum von einem anderen Gesicht Österreichs in Erfüllung ginge.
Die Zivilcourage dieser vielen Helfer_innen kann nicht über das klägliche Versagen der Politik hinwegtäuschen. Was jahrelang geschürt wurde, brodelt unter der helfenden Oberfläche weiter. Ein paar Meter weiter in Favoriten hielt FPÖ-Obmann H.-C. Strache seinen ausländerfeindlichen Wahlkampfauftakt ab. Und Tausende jubelten ihm zu. Mein Nachbar im Waldviertel, der für die Gemeinderatswahlen auf einer FPÖ-Namensliste kandiert hatte, sagte, dass in das Flüchtlingslager Traiskirchen hineingeschossen werden sollte, «abknallen, weil wir die sonst nicht mehr losbringen». Häuser brennen, nicht nur in Deutschland, und das rechtsradikale Publikum rüstet sich zu neuen Taten.
Die Toten im Kühlcontainer bei Parndorf haben einen Moment lang zum verbalen Stillhalten veranlasst. Aber ich traue dem Frieden nicht. Die offizielle Politik hält fest an Schengen, Grenzen dicht, Stacheldraht und Mauern, auch wenn sie einen kurzen Moment die Flüchtlingsströme durchgewinkt hat. Meine Friseurin, auch sie kommt aus dem Waldviertel, hat einen realistischen Blick, indem sie meint: Die Schlepper sind die Subunternehmen der Politik.