Dannebergpredigt: Überwachen und Strafentun & lassen

Ein Herr der alten Schule, der Tanzschulbesitzer Schäfer-Elmayer, findet essen in der Öffentlichkeit unhöflich. Auch meine Mutter, Jahrgang 1912, verbot uns Kindern, auf der Straße zu essen. Damals, nach dem Krieg, galt Essen als zu wertvoll, um im Vorübergehen verzehrt zu werden. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei.Heute ist an jedem Verkehrsknotenpunkt eine Snackbude zu finden, deren Aromen Appetit machen sollen. Imbissstände und Brotfilialen verführen mit ihren Gerüchen zum Kauf. Die heiße Leberkäs-Semmel wird natürlich sofort verdrückt, zum Beispiel in der U-Bahn, und nicht erst zu Hause, wenn sie kalt geworden ist. Der Döner auch.

Die Wiener Stadtregierung hat ab sofort ein Essverbot in der U6 (der sog. «Ausländerlinie»), ab Jänner in allen U-Bahnen und auf Perspektive in allen Öffis auf Schiene gebracht. Überwachen (per Video?) und Strafen (durch Schwarzkappler?) soll der «sinkenden Schamgrenze in den U-Bahnen» (Öffi-Stadträtin Ulli Sima) entgegenwirken, zunächst per Ermahnung, auf Perspektive mit 50 Euro Bußgeld. Ich wüsste da noch andere Schamgrenzen, die in den Öffis verletzt werden: Gratis-Zeitungen mit Instagram-Nackten; aufdringliche Düfte aller Parfümerien dieser Welt; die Aufforderung, das Betteln zu unterlassen; lautes Handy-Telefonieren: «Schatzi, heast me net?»; Kontrolleur_innen, die arme Schweine ohne Fahrschein drangsalieren und die Polizei rufen; Fahrgäste, die einer Oma trotz Aufforderung nicht Platz machen; Schamlose, die in der Nase bohren; grantige Mitmenschen, die sich über Kinderlachen aufregen … Die Schule des verletzten Anstands ist unerschöpflich. Aber Verbote? Sorgen, die wir haben …

Beim Tatort Döner geht es aber nicht darum. Hier wie beim Kopftuchverbot in Kindergärten geht es um Zurechtweisen und Bestrafen einer bestimmten Bevölkerungsgruppe, «demokratisch» getarnt als Essverbot für alle. Der französische Philosoph Michel Foucault beschrieb in seinem Buch «Überwachen und Strafen» die Gesellschaft als ein Gebilde, das von kleinsten Machtlinien durchsetzt ist und in der alle Individuen ständig von Machtmechanismen besetzt werden. Dass die Wiener Stadtregierung mit populistischen Verboten den Rechten hinterherhündelt, verletzt demokratische Schamgrenzen.

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