Das ABC des Grauens – Was kommt, wenn Schwarz-Blau kommt?tun & lassen

Zwei Parteien auf der Seite des Kapitals: Wenn sich die Umfrage­­ergebnisse bestätigen, steht Österreich ab Mitte Oktober wieder eine schwarz-blaue Koalition ins Haus. Was das im sozial- und wirtschaftspolitischen Detail bedeuten kann, hat sich Hanna Lichtenberger angesehen – und hofft auf eine starke Protestbewegung.

Arbeiterkammer schwächen.

2016 hat die Arbeiterkammer 532 Millionen Euro für ihre Mitglieder erstritten: in arbeitsrechtlichen und insolvenzrechtlichen Angelegenheiten, im Bereich Konsument_innenschutz und in Sozialgerichtsverfahren. Sie setzt sich auch mit Gesetzesbegutachtungen und Studien für die politischen, sozialen und kulturellen Interessen von Arbeitnehmer_innen ein, womit sie Reichen, Industriellen und großen Immobilienfirmen ein Dorn im Auge ist. Die FPÖ macht die Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft in Arbeiter- und Wirtschaftskammer bzw. die deutliche Senkung der Beiträge zur Koalitionsbedingung. Vielleicht geht die ÖVP nicht bei der Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft, aber sicher bei der Senkung der Beiträge mit – auch das schwächt die AK und damit alle Arbeitnehmer_innen nachhaltig.

 

Banken deregulieren.

Als Lehre aus der Finanzkrise 2008f. wurden strengere Regeln für Banken eingeführt, nachdem einige Banken – auch in Österreich – mit Steuergeld unterstützt oder sogar gerettet werden mussten. In ihrem neuen Wirtschaftsprogramm kündigt die FPÖ an, die Bankenregulierung (Basel III – strengere und höhere Eigenkapitalanforderungen sowie eine Höchstverschuldungsquote) wieder lockern zu wollen. 2010 stimmte die FPÖ gegen die Bankenabgabe, die vor allem Großbanken trifft.

Erbschaft als leistungsfreies

 

Einkommen schützen.

Die FPÖ findet Erbschaftssteuern unfair – lässt sie uns auf ihren Wahlplakaten wissen. Und auch Sebastian Kurz verteidigt das Privileg der Erben, leistungsfreies Einkommen und Vermögen unversteuert anzuhäufen. Nur etwa 10 Prozent der ärmeren Haushalte, aber 75 Prozent der reichsten Haushalte in Österreich haben geerbt – Erbschaften tragen dazu bei, dass die Reichen immer reicher werden und die Mehrheit der Gesellschaft dort bleibt, wo sie jetzt ist.

 

Familienlastenausgleichsfonds halbieren.

Die neue ÖVP gibt sich familienfreundlich, will aber die Beiträge der Unternehmen zum Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) halbieren – ohne Gegenfinanzierung. Das hat den Nachteil, dass rund 3 Milliarden (40 Prozent der gesamten Einnahmen des Fonds) für Familien- und Geburtenbeihilfe, Schüler_innen- und Lehrlingsfreifahrten, den Mutter-Kind-Pass oder Unterhaltsvorschüsse fehlen. Der «Steuerbonus für Kinder» bedeutet, Familien würden 1.500 Euro weniger Einkommenssteuer zahlen – sofern sie einkommenssteuerpflichtig sind. Das heißt real, dass 90.000 Alleinerzieher_innen einfach gar nichts bekommen, aber dank Kürzung des FLAFs eventuell um Leistungen umfallen.

 

Gesundheitssystem kaputtkürzen.

Die FPÖ fordert von den Sozialversicherungen, zwei Drittel aller Verwaltungskosten zu streichen. Das ist völlig unrealistisch, da schon jetzt nur 2 von 100 ausgegeben Euro der Krankenversicherung für Verwaltung ausgegeben werden. Der Rest kommt Versicherten zugute. Die von der FPÖ geforderten Kürzungen sind also nur bei den Leistungen für Kranke möglich.

 

Kollektivverträge angreifen.

Hinter der Abschaffung der Pflichtmitgliedschaft in den Kammern versteckt sich auch ein Angriff auf die Kollektivverträge. Dass in Österreich 97 Prozent aller Beschäftigten durch Kollektivverträge geschützt sind, liegt an der verpflichtenden Mitgliedschaft von Unternehmen in der Wirtschaftskammer. Das Ende der automatischen Mitgliedschaft könnte wie in Deutschland dazu führen, dass Kollektivverträge unterlaufen werden. Das wäre der größte Angriff auf Errungenschaften der Arbeiter_innenbewegung seit 1945.

 

Mieter_innen im Regen stehen lassen.

Wer sich die Mieten nicht mehr leisten kann, soll sich Eigentum anschaffen. Ganze 200 Millionen Euro will Kurz all jenen schenken, die sich eine Eigentumswohnung oder ein Haus kaufen. Die 3,5-prozentige Grunderwerbssteuer, die Gebühren für die Grundbucheintragung und die Pfandrechteintragung sollen abgeschafft werden. Einig sind sich FPÖ und ÖVP jedenfalls darin, dass Makler_innengebühren für Mieter_innen bleiben sollen.

 

Mindestsicherung kürzen.

Sebastian Kurz will die Mindestsicherung für Familien mit Kindern deckeln – auf 1.500 Euro. Bei der Mindestsicherung für Einzelpersonen will er noch weiter gehen: Sie sollen von 560 Euro/Monat leben. Unter Schwarz-Blau in Oberösterreich ist die Kürzung der Mindestsicherung medial als Kürzung bei Flüchtlingen verkauft worden. Real sind aber auch andere Gruppen betroffen – wie der Fall einer oberösterreichischen Mutter eines Kindes mit besonderem Pflege- und Förderbedarf gezeigt hat.

 

Rassismus zwischen Arbeitnehmer_innen schüren.

Kurz sagt, es sei ungerecht, wenn eine ganze Familie Schutzsuchender so viel bekommt wie ein zu schlecht bezahlter österreichischer Arbeitnehmer. Anstatt über höhere Löhne und die Verkürzung der Arbeitszeit zu sprechen, schürt er Rassismus zwischen Arbeitnehmer_innen. Auch viele der arbeitsmarktpolitischen Umbauten richtet die FPÖ vordergründig gegen Geflüchtete und Migrant_innen; doch diese rassistische Spaltung ist erfahrungsgemäß nur ein Deckmantel, um uns alle zu treffen.

 

Steuergeschenke für Konzerne.

Das FPÖ-Wirtschaftsprogramm liest sich wie der Wunschzettel der Industriellenvereinigung ans Christkind: Die Steuern auf nicht entnommene Gewinne von derzeit 25 Prozent sollen kurzfristig halbiert und langfristig ganz abgeschafft werden. Spekuliert ein Unternehmen am Finanzmarkt also mit den Gewinnen, kann es damit Steuern umgehen. Auch die Mindest-Körperschaftssteuer will die FPÖ streichen. Das hilft Unternehmen bei der Steuervermeidung, weil es kurzfristige Unternehmensgründungen und Schachtelkonstruktionen erleichtert.

 

Hanna Lichtenberger ist Politikwissenschafterin und Historikerin in Wien.