Das Almosenregimetun & lassen

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Ziele eines modernen sozialen Netzes sollten sein: Grundrechte statt Almosen, Chancen statt Abstieg, sozialer Ausgleich statt Spaltung, Achtung statt Beschämung. Diese Ziele verfehlt das vorgelegte «Sozialhilfegesetz».

Die neue Mindestsicherung ist eigentlich die alte Sozialhilfe. Mit dem vorgelegten Gesetzesentwurf ist die Sozialhilfe aus dem vorigen Jahrhundert zurück – aber schlimmer und in Zukunft nach Bundesland zerstückelter, als sie es je war. Es gibt keine Mindeststandards mehr, sondern nach unten ungesicherte Kann-Leistungen. Diese «Sozialhilfe» kennt auch in ihren Zielen keine «soziale und kulturelle Teilhabe» mehr. Die Leistungshöhen, das Wohnen, Hilfen für alleinerziehende Eltern und Menschen mit Beeinträchtigungen – all das sind «Kann»-Bestimmungen. In einer Fürsorgeleistung bedeutet das alles oder nichts. In der Zusammenschau mit der angekündigten Beschneidung der Leistungen der Arbeitslosenversicherung (Notstandshilfe) bedeutet das, dass stärker sozialstaatliche, statussichernde Leistungen in mehr «almosenhafte», bevormundende Fürsorge überführt werden. Verfahrensrechtliche Regelungen fehlen. Besonders problematisch ist der Wegfall der Vorgabe, dass Entscheidungen am Amt maximal drei Monate dauern dürfen. Auch die Verpflichtung, schriftliche Bescheide auszustellen, entfällt.

Almosencharakter verstärken, soziale Grundrechte schwächen, diese Systematik kennen wir aus Großbritannien oder aus Deutschland mit Hartz IV. Die Elemente mit ihren negativen Folgen waren dieselben: Keine nach versicherungsrechtlichen Kriterien berechneten Ansprüche, sondern Bedürftigkeitsprüfung; ein überaus rascher Zugriff auf Erspartes; kein Erwerb von Pensionsansprüchen für die Dauer des Bezugs, was bei der Abschaffung der Notstandshilfe und dem erzwungenen Wechsel in die Sozialhilfe der Fall wäre; Einkommensverlust; Streichung kollektivvertraglich abgesicherter Arbeitsmarktprojekte für ältere Arbeitnehmer_innen – dafür 1-Euro-Jobs mit Zwangscharakter; die Kürzung und Umwandlung grundrechtsorientierter Leistungen (Mindestsicherung) in paternalistische Systeme (Sozialhilfe).

Im vorgelegten Sozialhilfegesetz gibt es weiters eine Deckelung der möglichen zusätzlichen Leistungen für das Wohnen. Miriam ist Alleinerzieherin von drei Kindern in Salzburg. Als teilzeitbeschäftigte Handelsangestellte verdient sie 850 Euro netto im Monat. Sie erhält 450 Euro an Unterhaltsleistungen für ihre Kinder. Bisher hat Miriam eine monatliche Aufstockung durch die Mindestsicherung inklusive Wohnbedarfshilfe erhalten. Mit der Neuregelung verkürzt sich diese Unterstützung trotz Alleinerzieherinnenbonus. Miriam verliert im Monat 300 Euro. Selbst bei Ausschöpfung der vorgesehenen maximalen Überschreitung um 30 % des Wohnkostenbeitrags deckt das nicht die realen Wohnkosten in Teilen Österreichs, besonders in den Städten, ab.

Alle diese Vorschläge führen dazu, dass soziale Unsicherheit bis weit in die Mittelschichten hochgetrieben wird. Dazu, die Chancen für tausende Kinder weiter zu verschlechtern, Familien in krankmachende Lebensbedingungen zu treiben und Menschen einem drohenden Almosenregime auszusetzen.