Unterhaltungselektronik aus den 1970er-Jahren im Designforum Wien
In der Teeküche der Augustin-Redaktion steht ein orangefarbenes Radio. Reinhold Schachner stieß in der Ausstellung The Orange Age – Mediendesign der 1970er Jahre überraschenderweise auf das gleiche Modell und holte dazu Informationen von Heinz M. Fischer, dem Besitzer des Exponats, ein.
Foto: Miriam Raneburger
Spätestens mit Einsetzen des digitalen Zeitalters ist ein Großteil der Unterhaltungselektronik aus den 1970er-Jahren zu Plastikklumpert degradiert worden. Geräte aus dieser Epoche landeten reihenweise auf dem Müll oder bestenfalls auf dem Flohmarkt. Abgestempelt als Geschmacksverirrungen einer kommerziell interpretierten Pop-Art, für die wir uns zwischenzeitlich vielleicht sogar ein bisschen (fremd)geschämt haben, doch vor Retrowellen ist nicht einmal scheußlich Buntes und massenhaft billig Produziertes gefeit. Vintageläden und Online-Marktplätze hat’s jedenfalls gefreut, und so manche WG-Küche oder Innenstadtlokale wurden mit Reminiszenzen an die Anfänge des Massenkonsums ausgestattet.
Von Beginn an dabei gewesen ist Heinz M. Fischer. In den 1970er-Jahren herangewachsen und bereits als Jugendlicher vom «Medium Radio fasziniert» ist für ihn der Schritt zum Sammler nicht groß gewesen. «Alles was ich damals hatte – Radios, Kassettenrekorder und Schallplattenspieler – habe ich eben nicht weggeworfen, sondern zu sammeln begonnen.» Also ein Spezialist der frühen Stunde, der nicht erst retrospektiv auf den Geschmack gekommen ist.
Lücken in der Sammlung.
Rund sechzig Objekte seiner sonst nicht öffentlich zugänglichen Privatsammlung zeigt nun das Designforum Wien unter dem Titel The Orange Age – Mediendesign der 1970er Jahre, wobei Heinz M. Fischers Sammlung das gesamte 20. Jahrhundert abdeckt. Im Designforum ist somit nur ein Segment ausgestellt, wenn auch das «bunteste», wie er dem Augustin verrät. Doch es wäre viel zu kurz gegriffen, die 70er-Jahre nur durch die runde bunte Brille zu betrachten. In seinem Text zur Ausstellung weist Heinz M. Fischer explizit darauf hin, dass sich «gegen Ende des Jahrzehnts eine stark reduzierte Formensprache als Gegenbewe-
gung zur allerorts grassierenden Buntheit und Rundlichkeit durchgesetzt hat». Mit anderen Worten, diese Epoche ist selbst im relativ eng abgesteckten Rahmen «Mediendesign» – neben Unterhaltungselektronik zählen hier etwa auch noch Schreibmaschinen und Telefonapparate dazu – vielfältiger als vermutet. Und selbst bei massenhaft und billig produzierten Geräten sind, mit zeitlichem Abstand betrachtet, auch fürs Laienauge gestalterische Qualitäten erkennbar, womit wir auch bei der Violetta 103 (1973) von ITT Schaub Lorenz angelangt wären. Bei jenem Radio, das in der orangen Ausführung in der Augustin-Teeküche steht (und unverkäuflich ist, Anm. d. Red.). In der Schau wird es neben Orange auch noch in Weiß präsentiert und ist, laut Experten, «nicht umzubringen, obwohl es bewusst billig als Küchen- oder Zweitradio produziert worden ist». Heinz M. Fischer, besserwisserisch darauf angesprochen, dass es die Violetta auch in Gelb gegeben habe, ergänzt: «Und noch in Grün.»
Der Vorsitzende des Departments Medien & Design an der FH Joanneum in Graz erklärt, dass sein Zugang als Sammler ein «unsystematischer» sei, seine Sammlung weise Lücken auf, was ihm aber nichts mache. Aber Ausnahmen bestätigen bekanntlich die Regel, denn fürs UFO (1969), einem tragbaren Plattenspieler von Philips, habe er sehr wohl jahrelang nach allen drei damals erhältlichen Farbausführungen gesucht. Absolut nachvollziehbar, dass man beim UFO nicht locker lassen kann, aber noch um einiges abgefahrener sind Weltron 2001 (1970) und Weltron 2007 (1971). Diese beiden Musikstationen made in Japan verkörpern das von
Science-Fiction-Filmen beziehungsweise -Serien inspirierte Space-Age-Design in absoluter Vollendung. Einen kantigen Kontrapunkt dazu setzte Gustav Peichl mit einem Radio. Bei der roten Ausführung fällt es schwer, nicht an einen Ziegel denken zu müssen – Stichwort «reduzierte Formensprache». Der Architekt entwarf für den ORF nicht nur Landesstudios, sondern zu dessen 50-jährigen Bestehen – quasi als Kür – auch noch ein Radio, das von der Wiener Firma HEA in kleiner Auflage hergestellt worden ist.
Eher Nostalgie als Ostalgie.
Unterhaltungselektronik «Made in Austria» ist natürlich längst passé, mit der Globalisierung sei die Produktion in Österreich «schlagartig aus gewesen», erläutert Heinz M. Fischer, «alles kommt nur noch aus dem asiatischen Raum», dabei ist die Produktion in Europa, den Osten nicht ausgenommen, einmal sehr breit aufgestellt gewesen, bis hin zum Unternehmen Stern in der DDR oder Tesla in der Tschechoslowakei.
Vor Ostalgie sind wir hierzulande geschützt, aber nicht vor Nostalgie. Zum Trend, Analoges und Digitales zu kombinieren, etwa der Schallplattenspieler mit USB-Anschluss, befragt, meint Heinz M. Fischer: «Ich sehe immer wieder die Sehnsucht nach dem Haptischen, nach dem, was man angreifen kann.»
Bis 4. März
7., Museumsquartier, Hof 7
www.designforum.at/w