«Das herrliche Geschirr»vorstadt

Lokalmatadorin

Christa Barbanek schreibt über ihr Leben – auch über ihr altes Gasthaus in Simmering.

TEXT: UWE MAUCH
FOTO: MARIO LANG

Es ist ein autobiografischer Text, an dem sie arbeitet, mit berührenden Passagen wie dieser: Also suchten wir uns jemanden, der unser Gasthaus kaufen wollte, und der Deal ging über den Gasthaustisch. Wir hatten das Glück, einen fairen Käufer zu finden. Er gab uns genügend Zeit zu räumen. Das war die schlimmste Zeit für mich.

Abschied.

Christa Barbanek schreibt (mit Hilfe des Autors dieser Porträtserie) ihre Lebensgeschichte auf. Sie ist inzwischen von ihrem Gasthaus in Simmering ein paar Häuser weiter gezogen. In ihrer Wohnung im dritten Bezirk ringt sie nun abwechselnd mit ihrem Laptop und mit den Tränen. Im September 2015 wurden die Schlüssel übergeben, hält sie weiter fest. Der elfte Bezirk habe sich zuvor verändert: Dem Grätzel waren die alten Strukturen genommen worden – dem «Gasthaus Barbanek» in der Fuchsröhrenstraße dadurch die Kundschaft.
Wir hatten wunderschöne Holzmöbel und eine alte Schank. Es fällt mir heute noch schwer, darüber zu schreiben. Dann mussten wir auch noch die Wohnung meiner Oma im Haus räumen: Die Zirbenholzmöbel! Das herrliche Geschirr! Den Weinkeller, der beide Weltkriege unbeschadet überstanden hatte! Nie zuvor hat die Pensionistin einen längeren Text verfasst. Umso präziser ist ihr Erstlingswerk: Alles beschreibt sie darin, was ihr persönlich wichtig ist. Ich verabschiedete mich auch von den beiden Bäumen im Gastgarten, meinen Kraftbäumen, die ich zuvor täglich umarmt hatte. Seither war ich nicht mehr dort. Und ich gehe auch nicht mehr hin. Denn es macht mich immer noch traurig, wenn ich daran denke, dass wir einen Betrieb in der fünften Generation verloren haben.

Anfang.

Christa Barbanek, Jahrgang 1948, ist im Gasthaus ihrer Familie am östlichen Rand der Stadt aufgewachsen. Sie erinnert sich gut an die Hühner und Hasen, die ihr Vater gezüchtet hat. Und an ihre Hunde und Katzen. Und an den «Schako» von der Oma, den Papagei, der die Gäste unterhielt. Ihre Kindheit sei unbeschwert gewesen, auch deshalb, weil sie nicht immer das machen musste, wozu ihr die Erwachsenen rieten.
Meine Eltern hätten mich gerne in die Hotelfachschule geschickt. Doch das war nicht meines. Ich wollte in die Spengergasse in die chemische Fachrichtung. In der berufsbildenden Schule in Margareten war sie eine von nur drei jungen Frauen. Was sie jedoch nicht stoppen konnte. Nach dem Abschluss begann sie bei den Vereinigten Färbereien in Bad Vöslau zu arbeiten. Nach der Geburt ihres Sohnes wechselte Christa Barbanek in die Persil-Fabrik in Erdberg, später in die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, wo sie sich bis in die Statistikabteilung der Direktion emporarbeitete – und wo sie nach 15 Jahren zur Überraschung vieler ihre Pragmatisierung aufgab. Meine Mama starb bereits mit 53, an einem Bauchspeicheldrüsenkrebs. Als dann mein Papa in Pension gehen konnte, fragte er meinen Mann und mich, ob wir das Geschäft übernehmen wollen. So richtig wollte ich nicht, doch ich ging zum Konzessionslehrgang. Dieser dauerte ein Jahr, mein Mann machte einen Kurs als Kellner. Dann kündigte ich bei der AUVA. Nach einer kurzen Anlaufzeit begannen wir in unserem Generationengasthaus: Ich in der Küche, er hinter der Schank. Der Anfang sei für die beiden Alphatiere schwierig gewesen, notiert sie. Dazu kam noch ihre Oma, die allgegenwärtig war. Doch dank ihrer Kochkünste konnte Christa Barbanek die Gäste bei Laune halten. Der Gastraum war ebenso gut besucht wie der Gastgarten in der schönen Jahreszeit. Alles war gut, bis … Der Anruf meines Arztes platzte in unser Mittagsgeschäft. Seine Diagnose nach meiner Untersuchung: Schilddrüsenkrebs. Ich war am Boden zerstört, doch ich hatte Glück: Eine junge Ärztin aus den USA operierte mich. Ihr Eingriff gelang, und ich konnte nach relativ kurzer Zeit wieder arbeiten. Es half mir auch, darüber zu reden. Ich hatte wunderbare Gäste.

Zäsur.

Weniger Glück hatte ihr Mann, der als Nichtraucher und Fast-Antialkoholiker zunächst beim Wandern und Bergsteigen wenig Luft bekam. Die Diagnose seines Arztes, der auch ein Gast war, machte eine Bypassoperation notwendig. Die er nicht überlebte. Gemeinsam mit ihrem Sohn habe sie dann das Wirtshaus weitergeführt. Bis die U3 gebaut wurde und die Immobilienhaie einfielen. Es kamen immer mehr sogenannte Interessenten, um sich umzuschauen. Auch von der Community wurde es uns nicht leicht gemacht. Der Reihe nach wurden Gründe verkauft, immer mehr Interessenten klopften an. Nach langen Kämpfen waren unser Nachbar und wir die Einzigen, die noch da waren. Danach kamen die Tränen.

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