Das Kapital versalzt die Suppetun & lassen

Altersheim: Essen aus Frisch- und Großküchen

Na Mahlzeit! Zehntausende Menüs werden in Wien in Altenheimen, Kindergärten oder Spitälern jeden Tag serviert. Die Wirtschaftsform bestimmt die Qualität. Clemens Staudinger über Gewinnorientierung versus gesunde Ernährung.

Illu: Much

Das «Kuratorium Wiener Pensionisten Wohnhäuser» betreibt 30 Seniorenhäuser. 8900 Menschen wohnen und leben darin. Und essen dort. Die Logistik, um 8900 Menschen altersgerecht und nach diätischen Gesichtspunkten gut zu ernähren, fordert eine prinzipielle Entscheidung: Wird selbst gekocht oder wird der Bereich Essen ausgelagert und dem Spiel der «Marktkräfte» unterworfen? In Wiens Altenheimen sind beide Varianten anzutreffen. In den Häusern des «Kuratoriums Wiener Pensionisten Wohnhäuser» wird in den einzelnen Häusern frisch gekocht. 800 Mitarbeiter_innen in 30 Frischküchen bereiten pro Tag 36.000 Portionen zu. Ein zentraler Einkauf reduziert den Lieferverkehr, und bei möglichst vielen Produkten wird auf das Prädikat «bio» geachtet: Milch, Kaffee, Eier, Gemüse, Salat.

 

Mehrwert im Kochtopf

Die Alternative zu hauseigenen Frischküchen wären Großküchen, die ihre Kund_innen beliefern. Ein exemplarisches Beispiel für mögliche unterschiedliche Wirtschaftsformen: Während in hauseigenen Küchen gekocht wird, um den Bedarf nach Essen zu decken, sind kommerzielle Großküchen dazu da, ein Geschäftsmodell – in diesem Fall: Essen verkaufen – möglichst gewinnbringend umzusetzen. Während beim einen Modell Qualität und Gesundheit im Fokus stehen, ist beim anderen Modell auftragsgemäß die Rendite auf das eingesetzte Kapital der entscheidende Maßstab für das Handeln der geschäftsführenden Personen.

Vorausgeschickt: Auch privatwirtschaftlich organisierte Großküchen agieren völlig rechtens und sind eine konsequente Erscheinungsform unserer «Marktwirtschaft». Wird in deren System gedacht, so sind sie eine begrüßenswerte Einrichtung, um Kapital zu vermehren. Und dann steht die Geschäftsführung vor folgender Entscheidung: 1000 Kilo Rindfleisch müssen gekauft werden, im Angebot sind mehrere Händler_innen aus Argentinien, einige aus Osteuropa und zwei steirische Betriebe. Die steirischen Betriebe produzieren bio, die Mitarbeiter_innen der Betriebe arbeiten im Idealfall im Rahmen festgelegter Sozialstandards, der Kilopreis liegt um 39 Prozent über dem günstigsten Angebot aus Argentinien. Für den Einkäufer, die Einkäuferin lässt sich nicht ermitteln, unter welchen Bedingungen dort die Tiere leben, geschlachtet und verarbeitet werden. Ebenso bleibt unbekannt, wie es den beteiligten Arbeiter_innen in Sachen arbeitsrechtlicher Normen und Lohn ergeht. Und jetzt muss der oder die Einkäufer_in der kommerziellen Großküche entscheiden: Die 39 Prozent an Preisersparnis werden sich konkret auf die Dividende am Jahresschluss auswirken. Dass das Fleisch unter großem Energieaufwand gekühlt in Argentinien zum Hafen, dann per Schiff – mit Heizöl schwer betrieben – nach Europa gebracht werden muss, in Europa energieintensiv weitertransportiert wird, steht nicht in der Bilanz der Investor_innen der kommerziellen Großküche.

Weshalb dies hier alles erzählt wird: Seit Jahren fordern Vertreter_innen der Unternehmensinteressen «mehr privat – weniger Staat». «Der Staat ist ein schlechter Unternehmer», und Ähnliches skandieren die Feind_innen des Gemeinwohls. Im Fall des Mittagessens bedeutet dies ein unter arbeitnehmerfeindlichen Bedingungen produziertes Menü mit weniger Qualität.

 

Der Staat ist ein guter Koch

Allein im Allgemeinen Krankenhaus in Wien werden in hauseigener Großküche 9500 Mahlzeiten pro Tag zubereitet. Das Essen serviert der KAV, de facto also die Gemeinde Wien. Auch hier scharren die Privatisierer_innen mit ihren Hufen, und Lobbyist_innen balgen sich für ihre Auftraggeber_innen um gewinnbringende Aufträge.

Die erwähnten Häuser des Kuratoriums produzieren derzeit (noch) unter nicht ausschließlich privatwirtschaftlich orientierten Bedingungen. Wer jedoch die ständigen Forderungen nach Privatisierungen und Ausgliederungen hört, kann wenig Gutes erwarten. Eindeutige Position zu beziehen und Gemeinwohl gegen Gelüste von Privatinteresse zu stellen, wäre auch eine brauchbare Gelegenheit beider Regierungsparteien im Rathaus, die möglichen Folgen von rechter Privatisierungspolitik aufzuzeigen – so dies überhaupt erwünscht ist.

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