Das Klima und die Psychetun & lassen

Illustration: (c) Thomas Kriebaum

Klimazone (Juni 2024)

Mir graut vor dem Sommer. Dabei war der Sommer früher mal meine liebste Jahreszeit. ­Mittlerweile belegen jedoch Frühling und Herbst gemeinsam den Stockerlplatz. Mir ist ab 24 Grad einfach zu heiß und ich komme ins Schwitzen. Zu schwitzen ist die normale Reaktion des Körpers auf hohe Temperaturen. Der Körper beginnt, sich selbst zu regulieren, indem er Schweiß produziert, der, wenn er verdunstet, die Haut kühlt. Gleichzeitig weiten sich die Blutgefäße in der Haut, mehr Blut wird dort hingeschickt, um abzukühlen und die Kühle im ganzen Körper zu verteilen. Damit dieser Kühlmechanismus funktioniert, muss das Herz mehr leisten. Nicht immer ist das möglich. Herzkreislaufversagen, Herzrhythmusstörungen und Atemnot können hitzebedingte Gesundheitsfolgen sein.
Hitze bedeutet nicht nur Stress für den Körper, sondern auch für die Psyche. Während einer Hitzewelle müssen mehr Personen aufgrund psychischer Störungen im Spital behandelt werden. Menschen mit Psychosen oder mit Demenz sind wegen ihrer Erkrankungen und auch aufgrund der eingenommenen Medikamente hitzeempfindlicher. Hitze kann ihren Gesundheitszustand verschlechtern. Zudem gibt es Hinweise, dass Suizidversuche in Hitzeperioden häufiger auftreten. Man nimmt an, dass Menschen bei Hitze aggressiver sind – auch sich selbst gegenüber.
Die psychischen Auswirkungen der Klimakrise werden noch immer unterschätzt. So warnt etwa die Weltgesundheitsorganisation, dass die aktuell bereits lückenhafte psychische Gesundheitsversorgung durch die Klimakrise noch weiter unter Druck geraten könnte. Zu den psychischen Folgen zunehmender Hitze kommen Traumafolgestörungen wie Depressionen oder Angststörungen, die als Folge von erlebten Extremwetterereignissen auftreten können. Wer der Hilflosigkeit angesichts eines Feuers oder einer Flut ausgeliefert war, hat ein erhöhtes Risiko, an einer posttraumatischen Belastungsstörung zu ­erkranken. Zusätzlich entstehen neue psychologisch-psychiatrische ­Syndrome, wie etwa die Solastalgie, die Trauer über die Umweltzerstörung der eigenen Heimat, oder die Klimaangst, die Angst vor den Folgen der zunehmenden Erderhitzung.
Schon jetzt weist unser Gesundheitssystem große Versorgungslücken auf, wenn es um psychische Erkrankungen geht. Die Leidtragenden sind besonders vulnerable Gruppen wie Kinder und Jugendliche, Armutsbetroffene oder chronisch Erkrankte. Also Personen, die auch besonders verwundbar sind, was die psychischen Folgen der Klimakrise betrifft. Psychische Gesundheit und der Kampf gegen die Klimaerwärmung gehen also Hand in Hand und müssen auch gemeinsam gedacht und forciert werden. Es braucht eine längerfristige Vision, wie die psychische Versorgung in Österreich ausgebaut und abgesichert werden kann.
Und kurzfristig braucht es mehr Grün. Denn Grünflächen kühlen nicht nur, sie fördern auch die psychische Gesundheit. Aus Erfahrung weiß ich, dass sogar der Blick ins Grüne kühlen kann, zumindest psychisch. Denn bei mir wuchert im ansonsten kargen Innenhof der Efeu. Sein Grün lässt mich aufatmen, egal wie heiß mir gerade ist.