«Das könnte ich eigentlich mein Leben lang machen»Artistin

Musikarbeiter unterwegs … zwischen Indie-Pop und zeitgemäßer Volksmusik

Vielseitig. Sie entwirft kunstvolle ­Kammermusik mit der Band Alma, erdet die Song-Visionen Ernst Moldens am Bass, und vieles mehr: Marlene ­Lacherstorfer. Eine präzise Vielspielerin.
Text: Rainer Krispel, Foto: Mario Lang

Wir sind Bandkolleg_innen, Marlene und ich. Sie spielte Bass bei The Red River Two, deren Sänger ich bin und die nominell nicht aufgelöst sind. Wir ruhen gründlich. Ruhe ist ein gutes Stichwort, respektive deren Abwesenheit. Beim Eingrooven auf diesen Artikel surfe ich zur Homepage der 1982 in Bad Hall (OÖ) geborenen Musikerin – zu hören meistens am Bass, ihr erstes Instrument war Klavier – und sehe viele Termine. Ihr 2019 endete arbeitstechnisch am 29. Dezember, mit einer doppelten Weihnachtsshow in der Band von Clueso, deutscher Rap-/Pop-Vokalist auf hohem Chartsniveau, für den Marlene seit Herbst 2016 live die vier Saiten bedient und als Musical Director fungiert. Die musikalische Leitung übernahm sie auch bei der Wiener-Festwochen-Eröffnung 2019. Im jungen 2020 griff sie schon in der zweiten Jännerwoche erstmals auf einer Bühne zum Bass, mit Sibylle Kefer, Maria Petrova und dem Namensgeber, als Ernst Molden und das Frauenorchester. Derzeit letzter Eintrag des digitalen Terminkalenders: 21. Dezember 2020, im Stadtsaal zu Wien, mit dem Quintett Alma (an der Geige Marlenes drei Jahre jüngere Schwester Julia) und dem Programm zum im November 2019 erschienenen Album Cherubim (Trikont).

Zusatzinstrument Taschenkalender.

Marlene vermittelt im Gespräch nicht den Eindruck einer vom eigenen Multitasking hektisch vor sich hergetriebenen Musikerin, im Gegenteil. Das ist es, was Musiker_innen schließlich definiert: Musik zu spielen, zu leben und damit, auch, den Lebensunterhalt zu bestreiten. «Ich führe meinen Taschenkalender sehr pingelig», sagt Marlene lachend. So lässt sich solches Terminaufkommen samt dynamischer Optionen verwalten, meist korrespondieren die Gigs der jeweiligen Formationen (gelegentlich spielt sie noch für Soap & Skin) schwerpunktmäßig mit Album-Releases. Alma etwa hat die Ambition formuliert, nicht um jeden Preis jedes Konzert spielen zu müssen, sondern lieber Auftritte, die wirklich auf allen Ebenen stimmen.
In eine musikalische Familie geboren, wurde, seit sie ganz jung war, mit den Großeltern und der Schwester gesungen – «zweistimmig musste es schon sein für den Opa». Bald spielte Marlene Lacherstorfer dazu Klavier, was sie zehn bis 15 Jahre intensiv betrieben und später im Musikstudium kultiviert hat. Der Bass war «gängiger», vor allem für erste, von Grunge beeinflusste Bands. Die ausgeborgte Nirvana-CD Unplugged in New York des Vaters war eine Inspiration (wie die von Pop bis Folk reichende Plattensammlung), dazu Bands wie Garbage und Silverchair.

Auf keinen Fall faul.

Mit den Eltern wurde volksmusikalisch lokal musiziert. Ein breites künstlerisches Fundament, aus dem Marlene schöpfen kann. Es folgte eine Ausbildung für Kunstgestaltung in Linz, dann ein halbes Jahr «Auszeit» in Costa Rica. Beim Spielen mit Straßenmusikern in Panama City der Entschluss, sich zukünftig als Musikerin zu definieren. «Das könnte ich eigentlich mein Leben lang machen.» In Wien studierte Lacherstofer Musik- und Bewegungspädagogik, später noch E-Bass. Resultierend unterrichtete sie an einer Musikschule und übernahm ab 2010 verschiedene Lehraufträge für Musikpädagogik, Inklusion oder Ensembleleitung. Ein Standbein, das ihr inhaltlich wichtig ist: «Ich mag es, jungen Studierenden mein Praxiswissen weiterzugeben.» Dazu die Perspektive, «dass mir das viele Herumfahren mit zunehmendem Alter einmal zu anstrengend wird». Mit dem Gitarristen, Sänger und Songwriter René Mühlberger (die beiden sind privat bis heute liiert) spielte sie ab 2003 bei Velojet, einem Quartett, das mit 60ies-affinem Indie-Pop einiges bewegte und vier Alben einspielte. «Wir waren bis zum Schluss nicht faul», sagt sie. Zuletzt tourte die Band 2014 durch Russland. (Parallel spielte sie ab 2010, angestoßen durch The Red River Two, mit Ernst Molden und Meena Cryle, mit der sie unter anderem in den USA tourte.) Das Paar betreibt aktuell das Projekt Pressyes, bei dem Marlene Renés Songs als advanced Sidewoman – und durch die viele Erfahrung on the road als kundige Tourmanagerin – mit umsetzt. «Ich mag es, wenn ich dazu beitragen kann, dass ein Projekt gut läuft.» Kreative, kompositorische Inputs liefert sie bei Alma. Die Idee eines Soloalbums existiert vage, hat aber keine Dringlichkeit, wobei ein neues Arbeitszimmer in der Wohnung dazu einladen würde. Das bräuchte aber eine ein-, zweimonatige Auszeit, damit sich Ideen manifestieren könnten. «Es wäre eher sphärische Musik, Elektronik, Synth, Tasten, Grooves, wahrscheinlich ohne Gesang, eher Instrumentalmusik.» Aber auch – vorerst? – ohne Album, das ihren Namen trägt, werden wir von Marlene Lacherstorfer nicht nur 2020 weiter viel gute Musik hören.

Live: Ernst Molden und das Frauenorchester:
22. 2., Flüchtlingsball
Wiener Festwochenband 25. 2., Theater Akzent
marlenelacherstorfer.com