Das Leben hängt tiefArtistin

Regisseur, Poet, Theatermacher: Ernst Marianne Binder ist in Graz gestorben

«Oft scheitert ein Selbstmordversuch an so lächerlichen Dingen, wie dass man gerade keine saubere Unterhose anhat oder der Abschiedsbrief noch überarbeitet werden will, man die vermeintliche Überdosis Schlaftabletten einfach überschläft …Was bleibt, ist das schale Gefühl des Versagens auf der ganzen Linie.»

Foto: Martin Behr

Mit dem letzten seiner Bücher, «DAS STUMME H oder Warum die Erde eine Scheibe ist, und das Glück der Papagei des Melancholikers» (2011, Sonderzahl), bleibt uns von Ernst Marianne Binder – nebst dem Konvolut seiner Bühnenstücke – ein kleiner Schatz, ein kleines öffentliches Erbe, für das es sich hier auch einmal zu bedanken gilt. Gesammelte Texte, Liebesbriefe, Scherzbriefe, Schmerzbriefe, dichte Worte, gedichtete Worte über die vielen stummen Hs in einem intensiven Leben. «F: Glaubst du an die Liebe? / A: Ja klar! Aber ich glaube nicht ans stumme h!»

«Das Schweigen», so heißt es in seinem Stück «Was hängt das Leben tief wie Nebel überm Kukuruz» (2010), «ist die einzig Sprach’, von der wir g’sprochen werden können. Die uns erzählen kann.» Ernst Marianne Binder, der den Namen seiner verstorbenen Frau in die sichere Mitte genommen hat, darf als einer der wichtigsten Theatermenschen von Graz (nein!, von Österreich) gelten. Von 1987 bis 2003 leitete er das forum stadtpark theater, seit 2003 war er künstlerischer Leiter von dramagraz. Mit seinem Theater – dem geschriebenen, inszenierten, entdeckten, geförderten, verteidigten – arbeitete er «gegen die Mauern in den Köpfen», wie es in dem 2016 inszenierten «Jarmuk – Ein Flüchtlingsmärchen» heißt.

Als er den Professorentitel verliehen kriegt (Jelinek: «Ich kenne niemanden, der weniger meinen Vorstellungen von einem Professor entspricht als du.») zitiert er in seiner Rede einen Freund mit den Worten: «So uncool ist das Leben auch wieder nicht.» Trotzdem verlieh sich Binder, der u. a. Schwab, Achternbusch, Jelinek und Kane inszenierte, «selbst die Genehmigung, müde zu sein» und ist Ende Jänner in Graz gestorben. Dabei hätten wir ihn so gerne noch zum Coverboy gemacht.

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