Das Matri – Filler – Bio G’schäftl! (Aufruf für mögliche Inverstor_innen)Dichter Innenteil

Am Küchentisch (32. Teil)

Allem zuvor: Der Matri – Filler – Bioladen, im 4ten Bezirk in der Favoritenstrasse Ecke/Weyringergasse, heißt in Wirklichkeit «Erde gut ~ alles gut», und er ist weit mehr als nur ein G’schäftl! Frau Chiara Filler berät, parliert, argumentiert, überzeugt, verkauft, kauft und verschenkt Exquisites. Frau Filler betreibt Politik, Gesellschaftskritik und matriarchales Großerbe.Chiara hatte einst eine psychotherapeutische Ausbildung absolviert, später verkaufte sie einige Zeit EM, effektive Mirkoorganismen, und sie leitete ein Sozialprojekt bis sie Ende 2008 hier im Vierten, in diesem lauten, stinkigen Eck mitten in der Stadt ein notwendiges matriarchales (Öko-)Licht anzündete. Begriffe wie nachhaltig, regional oder bio seien schon sehr belastet, sagt Frau Filler. Die Mitbegründerin dieses einzigartigen Laden-Unikats, einer Krämer-Spezies, die vom Aussterben bedroht ist und die der Nachbarschaftlichkeit wegen gerettet werden muss, empfängt mich Samstag am späten Nachmittag in ihrem Laden, der so persönlich mit ihrem Tun und der Hilfe ihrer Mitbegründer verwoben und gewachsen ist. Das bekomme ich unmittelbar und sehr lebendig zu spüren. Hier geht es nicht bloß um charmantes Bio & Co. Es geht um drei Menschen mit ökologisch-ökonomischen Ideen und Zielsetzungen und dem beständigen Wunsch, es möchten Erde und Mensch zueinander finden.

Frau Filler legt ebenso Bücher auf, verkauft auch diese, daneben hängen die wunderbaren Würste an den Haken. Wurst und Buch, was für ein wunderbares phonetisches Ensemble! Das wäre ein geeigneter Name für Chiara Fillers Laden. Aber Vorsicht, wir beide sind keine Vegetariererinnen, nein, aber in einem sind wir uns völlig einig: Elende Tierhaltung aus Massen-Mastbetrieben wollen wir unter keinen Umständen unterstützen.

Matri steht für mütterliche Ordnung, erzählt mir Chiara sehr lebendig, es steht für Matriarchat, faire Ökologie, Gewaltfreiheit, Solidarität, Subsistenz, für eine Kultur des Teilens und Schenkens und die Ansicht, dass es kein unbegrenztes Wachstum gibt, wie uns ja so gerne vorgegaukelt wird. In Puncto Feminismus spalten sich aber scheinbar unser beider Köpfe, ich muss sobald wie möglich auf einen Kaffee zu ihr. Für mich ist Feminsmus die realisierte und gelebte Wertigkeit der Frau an sich. Feminismus bedeutet, sich zu emanzipieren im Angesicht der Männer. Feminismus bedeutet auch, Ressourcen zur Verfügung zu haben, die auf rechtlich abgesichtertem Boden stehen. Feminismus bedeutet sicher nicht, Männer zu hassen oder ihnen aus dem Weg gehen zu müssen. Liebe Chiara, ich bin keine Alice Schwarzer! So oft hörte ich die Menschen sagen: «Aha, Sie studieren feministische Politik! Sie sind wohl eine Alice Schwarzer!» Nein, sagte ich, ich bin die Jella Jost und ich rede feministisch Tacheles, weil meine Geschichte voll von Unterdrückung und Gewalt ist.

Chiara sorgt sich um den weiteren finanziellen Erhalt, der Anfang des Kommenden Jahres wegzukippen droht. Es braucht frischen Wind und es braucht vor allem ein Finanzierungsmodell, um einen ihrer Mitarbeiter voll anstellen zu können, aber eigentlich braucht es zwei Personen in Vollzeit um den Laden zu führen. So etwas macht man, frau nur mit Hingabe, sagt Chiara. Es ist ihr erster Laden, sagt sie voller Liebe. Samstagabend steht sie also noch immer im Gschäftl und macht die Auslage, während sie von ihren ganz ganz lieben und treuen Stammkund_innen spricht. Kommunikation sei alles, sagt sie. Ihr Laden ist zum Treffpunkt geworden, das ist oft schön anstrengend, nickt weise Chiara, die Leute wollen reden, in Supermärkten und Megastores aber herrscht die Überfülle der Einsamkeit und des Lärms.

Deshalb kommen alle so gerne in dieses kleine Grätzl-Universum. Gerne würde Chiara auch den Laden hinten ausbauen, sogar ein kleines Café-Gärtchen hintaus wäre denk- und machbar! Gibt es möglicherweise Architekturstundent_innen, die Chiaras Laden effektiver gestalten wollen und Pläne zur Verfügung stellen würden? Gibt es strukturelle Möglichkeiten einen Mindestarbeitsplatz zu einem Vollarbeitsplatz zu erweitern, denken wir beide laut. Schließlich können doch hunderttausende Menschen mit prekären Jobs nicht ewig «Mindestarbeiter_innen» bleiben! So werden wir Mindestmenschen, Mindestkranke, Mindespensionist_innen, Mindestwähler_innen. Mindest-Existenzen in einer Welt des unnützen Mega und Super. Wenn wir lauter Mindestpolitiker_innen hätten…

Nebenbei gesagt, denke ich, die Apokalypse ist schon längst Alltag. Viele überleben sie nicht. Davon wird kaum offen geredet. Der indirekte Mord trägt dann viele ganz andere Namen; Depression, Krebs, Schlaganfall, Herzinfarkt, Suizid…

Ilja Trojanow, der Schriftsteller und Reisende, hat unlängst ein Buch publiziert, vom «überflüssigen Menschen» erzählt er, ein Buch, das Chiara Filler unbedingt auch in ihrer Auslage haben sollte. Auch der Augustin wird jetzt des Öfteren im selbsternannten Wurst & Buch aufliegen, so hoffe ich. Auch der Augustin wurde gerettet. Und ich glaube, Chiara hat ebenso das Potenzial gerettet zu werden! Im Übrigen verwende ich meinen Mindest-Lohn liebend gerne für schmackhafte, frische Rohmilch und Butter. Meine Geschmacksnerven sind sensibilisiert und das ist gut so. Also keine Gurken- und Feminismuspanik angesichts der Vernichtung tausender Gurken und maschineller Fabriksvernichtung von Tieren. Auf zu Wurst & Buch: Alltäglichem Abstumpfen in Psyche und Physis entgegensteuern und zwar jetzt! Erde gut – alles Gut!