Das Milieu der Widerständigenvorstadt

Burgenland ist geografisch schmal. Entsprechend schmal ist seine Linke

In Eisenstadt kam es in diesem Sommer zu einer Reihe von Protesten gegen die Bildung der Koalition SPÖ-FPÖ auf Landesebene. Der Höhepunkt waren die Demos im Juni und im Juli, radikal bis zu ihren Ritualen, also reichlich exotisch für die staunenden Landeshauptstädter_innen. Eine kleine parteiische Milieustudie von Robert Sommer.

Bei den Aktionen gegen Rotblau trifft der nordburgenländische auf den südburgenländischen Zweig des Widerstands. «Geopolitisch ist das Land nicht auszuhalten», stöhnt ein KP-Genosse, der sich mit seinen 50 Jahren zum alten Eisen der Freund_innen Lenins rechnet. «Es ist so schmal, dass kein Zug es schafft, hindurchzukommen», übertreibt er. Aber nicht sehr. Der öffentliche Verkehr, der Oberwart, Zentrum des südlichen Burgenlands, mit Eisenstadt, dem Mittelpunkt des Nordens, verbindet, ist katastrophal. «Die Geografie verbündet sich mit der offiziellen Verkehrspolitik, um den Linken das landesweite Agieren zu vermiesen», meint das alte, rote Eisen augenzwinkernd. Wenn 250 Menschen mit roten Fahnen und Transparenten («Niessl vertreiben – Flüchtlinge bleiben!»), durch die Eisenstädter Fußgängerzone latschen, ist das deshalb für burgenländische Verhältnisse aufmerksamkeitsökonomisch sensationell.

Irgendwie haben sich die Südlichen doch zu den Demos im Norden durchgeschlagen. Miriam Herlicska aus Oberwart hat die Gelegenheit, sich mit Josef Meszlenyi aus Halbthurn über die nächsten Schritte im innersozialdemokratischen Konflikt auszutauschen. Beide, wegen der rotblauen Regierung aus der SPÖ ausgetreten, bleiben als «wilde» Mandatare in ihren Gemeinden, vor allem um den Kontakt mit den ehemaligen politischen Freund_innen nicht zu verlieren.

Miriam, die sich schon mit 16 Jahren als eine Revolutionärin begriff, wollte eigentlich schon lange austreten. Die Bekanntgabe der rotblauen Regierungskooperation war für sie das Tüpfelchen auf dem «I». Nun könne sie ohne den Druck ihrer Ortsparteispitzen an den Versuchen teilnehmen, linke Politik in Österreich zu betreiben. Die – wie Miriam – in der «Offensive gegen rechts» vernetzten jungen Antifaschist_innen haben keine Illusionen, was ihren realen Einfluss betrifft. Die Jusos vermeiden die Debatte über die Trennung von der Mutterpartei, weil es die Trennung vom Futternapf bedeutete. Die Kommunist_innen sind in ihrer begrenzten politischen Relevanz «groß genug», um in diverse Fraktionen zu verfallen. Die größte davon trägt wie eh und je den historischen Namen KPÖ Burgenland.

Mit oder ohne Pyrotechnik


Ihr Parteilokal liegt privilegiert am zentralsten Punkt der Altstadt. Diese Premiumlage soll auf einen Deal zwischen dem Fürsten Esterhazy, Besitzer des Hauses am Hauptplatz, und der sowjetischen Besatzungsverwaltung zurückzuführen sein. Wenn Sie dazu Genaueres wissen wollen, suchen Sie beim nächsten Volksstimmefest den Stand der burgenländischen Genoss_innen: Die erzählen gerne zum tausendsten Mal die Geschichte von der List des Kommunismus.

Die Finanzkraft der KPÖ-Landesorganisation reichte gerade aus, die Verwaltungsstrafe von 300 Euro für die Verwendung des bengalischen Feuers bei der ersten Demo im Juni zu zahlen. Zwei Stunden vor Demobeginn strömt der Sound der Toten Hosen aus dem Parteilokal auf den Platz. Ein Zeichen, dass die Jungkommunist_innen von der KJÖ schon anwesend sind. Wie selbstverständlich benützen sie das Parteilokal, obwohl sie sich von der KPÖ aus ideologischen Gründen abgewendet haben. Die schwerwiegendste Differenz zwischen Mutterpartei und abgedriftetem Nachwuchs ist heute die Frage, ob es nicht unverantwortlich wäre, für die heutige Demo erneut 300 Euro Strafe zu zahlen. Wie viele Flyers könnte man mit diesem Rubel drucken. Andrerseits: Man muss den biederen Eisenstädter_innnen langsam, aber sicher mit den performativen Standards der globalen Radikal-Linken vertraut machen. Roter Rauch in der Esterhazystadt – geil wäre das natürlich schon, konzediert der Altkommunist. Außerdem: Man muss den Schaulustigen was bieten. Die schienen ja bei der ersten Demo ein bisschen enttäuscht gewesen zu sein, weil der schwarze Block, den sie vom Fernsehen kennen, sich in ihrem Städtchen nicht zu seiner notorischen Erscheinungsform aufraffte. Zum Schluss setzt sich die Vernunft durch: Das Geld soll lieber für Agitation ausgegeben werden!

Weil alle Organisationen am linken Rand von Studierenden getragen werden, ist es schwer, eine Kontinuität der politischen Arbeit zu bewahren: In ihren Heimatgemeinden ist für Uni-Absolvent_innen «no future» angesagt. Der rotblauen Koalition wird wenig einfallen, sie in der Region zu halten. Nur heute, am Tag der Demo, findet die umgekehrte Wanderungsbewegung statt: Junge Linke aus Wien sind zur Unterstützung ihrer burgenländischen Gesinnungsgenoss_innen nach Eisenstadt gereist. Mit ihrem Kampfruf «Alerta Alerta Antifascista» bringen sie italienische Leidenschaft in den Umzug ein, nicht ohne Bildungsauftrag: Einer Passantin wird erklärt, dass «alerta» mit «Vorsicht» zu übersetzen sei. Vorsicht ist angebracht. Für den Führer des Koalitionspartners, den Ex-Polizisten und FP-Landeshäuptling Johann Tschürtz wurde ein eigenes Ressort geschaffen: das Sicherheitsressort. In einer Zeit, in der Kriminalstatistiken vom ständigen Rückgang der Kriminalität im Burgenland künden, macht diese Innovation nur Sinn, wenn neue Unruhestifter konstruiert werden. Die rotblaue Landesregierung ist am Konstruieren: Neben den Flüchtlingen sind es all jene, die schon dabei sind, die nächsten Demos in Eisenstadt vorzubereiten. Mit oder ohne bengalisches Feuer, das bleibt offen …

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