Das Rabtal ist überallvorstadt

Die Rabtaldirndln tingeln durch Stadt und Land

Sri Lanka, Lofer, Graz, Hainersdorf, Deutsch Kaltenbrunn, Köln – das Frauenkollektiv Rabtaldirndln beackert – nun schon seit 15 Jahren – Stadt und Land in Nah und Fern. Veronika Krenn traf ein Rabtaldirndl in der steirischen Landeshauptstadt.

Foto: Rabtaldirndln

Die Dirndln sind teilweise auf Reisen, teilweise zeitmäßig eingedeckt …», lautete es fidel von Seiten der Rabtaldirndln auf Interviewanfrage des AUGUSTIN. Einzig das «Dirndl» Barbara Carli, welches sich ebenso vom heimatlichen Landstrich gen Bella Italia vertschüssen wollte, war von einer Wetterapp, die Wolken verkündete, von der Abreise abgehalten worden und für ein Gespräch zugegen. Das «Kraftwerk» der Dirndln, Gudrun Maier, rundete zu einem späteren Zeitpunkt noch die Einblicke in das Tal ab. Welten, die sich auftun, wenn man dem im Umfeld des Grazer Theaters im Bahnhof großgewordenen Quintett – zu dem noch Rosi Degen, Bea Dermond, Gerda Saiko gehören – zusieht. Mit «Inside Rabtal» feierten die Rabtaldirndln unlängst in Graz ihr 15-jähriges Jubiläum, ein Stück, mit dem sie als Künstlerinnen-Diven ihre wohlverdiente Ernte einfahren, die in den vergangenen Jahren gesät wurde. Sie haben es sich in dieser Produktion auf einem überdimensionierten 3-x-3-Meter-Bett häuslich eingerichtet.

Am Anfang waren fünf junge Frauen – in einem höchst lebendigen, aber fiktiven Landstrich, welcher sich in unser aller Herzen befinden könnte. Denn das Rabtal ist kein gewöhnliches Tal – nicht zu verwechseln mit dem Raabtal, das an den steirischen Fluss geschmiegt liegt. «Drei von fünf Dirndln» des Theaterkollektivs stammen aus der Gegend, erzählt Barbara Carli. Der Name sei anfangs nur eine lustige Idee gewesen, als der kommende Ruhm der Frauen noch nicht absehbar war. Die Dirndln hätten kürzlich sogar schon (ungewollt) Lob bekommen vom neuen Kulturstadtrat. Der Name sei so «niederschwellig», meinte er: «In dieses Eck wollen wir nicht gerückt werden. Als ob wir quasi aufsteirern.»

Macht man mit den Rabtaldirndln eine Art Familienaufstellung, so erfährt man, dass vier von fünf Dirndln nach Graz zum Studieren gekommen sind, nur eine stammt aus der Stadt. Aus diesem Fundus aus 18 Jahren Leben und der Verwandtschaft, die noch immer auf dem Land lebt, schöpft das Kollektiv. «Wir haben das Ziel, dass wir Stücke, die wir machen, überall spielen können. Also am Bauernhof in Deutsch Kaltenbrunn genauso wie beim Impulse Theaterfestival in Köln.»

Colombo und Lofer.

Die Stücke, mit denen sie durch Stadt und Land tingeln, beschäftigen sich mit dem Auseinanderdriften der ländlichen und städtischen Schollen. Sie handeln von Unorten und Unwirtlichkeiten, von Landflucht und im Gegenzug dazu von Idylle-Klischees der Tourismuswerbung. Du gingst fort, mit dem die Dirndln am 27. Mai sogar im Lionel Wendth Theatre in Colombo in Sri Lanka auftreten, entstand schon 2015. Am 22. Juni zeigen sie das Stück auch im Theater Lofer, einem 1910 gegründeten alten «Bauerntheater», einem der ersten eigenständigen Theaterhäuser im Land Salzburg, das 2012 zu einer «Spielstätte für alle» wurde. Das Stück entstand anhand von Interviews, die das Kollektiv mit Frauen geführt hatten, die ihren ländlichen Ursprungsort verließen, um in die Stadt zu ziehen. Ein Schlagwort, das aus diesen Interviews generiert worden war, lautete etwa «Verrat». In ihrer unnachahmlichen Art schlüpfen die Rabtaldirndln gleichzeitig in die Haut dieser Frauen, reflektieren sich dabei aber auch selbst.

Auch mit weiteren, später entstandenen Stücken wird fleißig getourt. Die Tourpläne für das Stück Abreissen, das im vergangen Jahr in Salzburg Premiere feierte und passend zu den Nationalratswahlen die politische Kluft im Land thematisierte, sind aber noch im Werden. Das Gleiche gilt für das neueste Stück Inside Rabtal.

2016 gingen die Rabtaldirndln mit Dirndl sucht Bauer der ländlichen Idylle ans Schlafittchen, die künstlich am Leben erhalten wird. Die Produktion geriet zur Initiationsperformance der ländlichen Heimstätte der Rabtaldirndln im oststeirischen Hainersdorf, für die das Stück produziert wurde. Dirndl Gudrun Maier erbte dort den Bauernhof der Großeltern und adaptierte ihn zur Bühne. «Viele im Ort waren begeistert, dass was passiert – es gibt kein Geschäft mehr, keinen Pfarrer mehr im Ort», erzählt sie, «die Leute schätzen, dass wer zurückkehrt.» Barbara Carli meint, den Stücken hafte etwas Universelles an: «Wir sind damit auch nach Basel gefahren und haben es gezeigt. Wenn wir Stücke zum Thema Landflucht in den großen Städten spielen, da sagen die Leute: ‹I kenn des. I bin jo a aus dem Kaff XY wohin gezogen.›» Das habe dann einen Wiedererkennungswert, obwohl es etwas ganz Spezielles sei. Die Ortsbewohner­_innen von Hainersdorf hätten schon nach dem nächsten Stück gefragt. Im Herbst soll Luise 37 dort wiederaufgenommen werden – ein Stück über Mütter, die ihre Fußballkinder von Training zu Training kutschieren.

Vorreiterinnen.

«Graz ist ja, kann man sagen, a Stadt, wir diskutieren zwar öfters drüber», lacht Barbara Carli und setzt fort, «aber eben mit unseren Wurzeln und dem Spagat, in dem wir uns bewegen, der macht, dass unsere Themen überall funktionieren. Wir könnten ja auch einen Schwank spielen, aber so arbeiten wir nicht. Wir entwickeln alle unsere Stücke selbst.» Die Rabtaldirndln sind Vorreiterinnen. In weiser Voraussicht haben sie schon vor 15 Jahren gewittert, was heute unter den Nägeln brennt. Mit ihrer Ausrichtung auf Themen im Spannungsfeld zwischen Stadt und Land beackern sie kaum erschlossenes Land. Als reines Frauenkollektiv ist ihre Stimme sowieso rar und unverzichtbar.

Fragt man die Dirndln, ob sie Feministinnen seien, sagt Barbara Carli: «Wenn man das Wort so definiert, dass die Welt besser wird, wenn es Männern und Frauen gut geht, dann ja.» Beim Frauenvolksbegehren sei für sie etwa die 30-Stunden-Woche die Hauptforderung: «Das finde ich so gscheit für die Gesellschaft, die Männer müssen dann nicht den ‹Ich-bin-der-Versorger-der-Familie-Gedanken› haben.» Beim Stück Einkochen (2013) geht es um eine, die in Wien studiert hat, dann ein Kind geboren und nach Eferding zurückgezogen ist. Sie musste ihre Arbeit aufgeben, um ihre Eltern und ihre Schwiegereltern zu pflegen, den Haushalt zu führen und die Kinder zu versorgen. «Das muss es echt nicht mehr sein in Zukunft, finde ich. So viel Potenzial geht da verloren, an der Hälfte der Menschen», sagt Barbara Carli.

Die Rabtaldirndln grasen weite Teile der Landkarte ab: Mürzzuschlag, Fürstenfeld, Loipersdorf, Schwanberg, Eisenerz, Dechantskirchen und viele andere Orte. Barbara Carli, die in der Gruppe nicht nur auf der Bühne steht, sondern auch Gastspiele an Land zieht, versucht immer andere Bundesländer ins Boot zu holen: «Wie das Theater Lofer in Salzburg, wo wir im Juni spielen. Es sind so neugierige, umtriebige Kulturinitiativen auf dem Land, die sich bei uns melden. Oder die wir finden und uns denken – ‹Ma, da täten wir total gern unsere Stücke zeign›.» Das sei so eine gegenseitige Wertschätzung von «klassen Kulturinitiativen». Und die Dirndln freuen sich immer schon auf die unterschiedlichen Arten von Jausen. «Dass es auch irgendwas Kulinarisches gibt», sagt Carli, sei fixer Vertragsbestand der Feinspitzinnen.■

Du gingst fort

Am 27. Mai im Lionel Wendth Theatre, Colombo, Sri Lanka, und am 22. Juni im Theater Lofer, Salzburg

Mein Leben ist ein Traum

Am 1. und 2. Juni im Casineum Graz

dierabtaldirndln.wordpress.com

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