Engelbert ist zu umtriebig, als dass er es wie andere AugustinverkäuferInnen zum Faktotum der Wiener Clochardszene gebracht hätte. Immer zieht es den gebürtigen Traisentaler in mediterrane Zonen. Fast immer bestImmte das Tempo des begleitenden Esels die Vagantengeschwindigkeit. Die Tour nach Santiago de Compostella liegt zwölf Jahre zurück, aber sie zählt zu den unvergesslichten Erlebnissen Engelberts. Der Augustin veröffentlicht in chaotischer Reihe Teile seiner Reisenotizen.Auf nach Santiago. Am Montag den 10. Oktober 1994 ist es soweit. Fripon und ich treten die Reise an – ohne jede Erfahrung. Mit nur 700 France in der Tasche. Ich trage einen großen Rucksack – der Esel nichts. 2 km nach Digne. Zum ersten Mal sieht Fripon eine Großstadt (nur 16000 Einwohner). Yves erwartet mich – Erinnerungsfoto vor der Prefekture, und dann geht’s der Bleone entlang. Um 17 Uhr beginnt es zu gießen. Nirgendwo ein Unterstand. In den Wald und zur Burg hoch. Unter einem Torbogen geschlafen.
2. Tag: Malijai les Mees. Kaum ein Auge zugetan. Aber die Sonne ist da. Es geht nun zur Bleonemündung in die Durance. Hier wird die Bleone überquert und im Zentrum von Les Mees Mittag gemacht. Abends geht’s zum Provence-Kanal hoch, wo in einer Hütte übernachtet wird.
3. Tag: Herrliches Panorama in das Durancetal, weil der Kanal hoch an der Bergflanke liegt. Bis Oraison. Hier wird Proviant genommen. Dann geht’s über die Durancebrücke nach Brillanne. Ich übernachte in einem Elektroturm und Fripon macht Weinlese in einem Weingarten.
4. Tag: dem Kanal entlang nach Volx und die Altstraße nach Manosque. Hier werden Fripon Pony-Satteltaschen auf den Rücken gebunden. Er übernimmt damit 10 kg Gepäck. Fripon ist 14 Monate alt. 2 Tage bleibe ich bei einer Familie. Fripon schläft im Hühnerhof mit Ziegen.
6. Tag: Fripon streikt, will einen anderen Weg. ES geht wieder zum Kanal runter bis nach St. Tulle. Dort wird in einer Hütte übernachtet. Auch am nächsten Tag will Fripon nicht weiter. Wo willst du denn hin, störrischer Esel? Nach St. Tulle hinein und in den Wald zu einem Bach, den Fripon nicht überqueren will. Zum Glück steht da ein alter Paysan mit einem Stock, er gibt Fripon einen brutalen Schlag und der Esel schleift mich durch den Bach. Es geht jetzt durch eine Wiese und 20 Hunde stürzen kläffend auf uns zu. Zum Glück die Bäuerin gleich hinterher, so tratschen wir ein wenig und dann geht’s durch die Weingärten zur Regusse, wo wir vor der Kapelle übernachten.
Es wird eine bitterkalte Nacht. Am nächsten tag geht’s nach Grambois, wo wir 2 Monate bleiben. In einem Pferdehof. Hier geht es uns gut bis zum 1. Januar.
Man kommt also auf einen Schnitt von 9 km täglich.
1. Januar 1995 – dies ist ein großer Tag. Seit Mitternacht ist Österreich in der Europäischen Union. Mit Kathy, der Polin, habe ich Sylvester gefeiert. Wer hätte damals gedacht, dass 9 Jahre später auch Polen dazugehört? Wir alle – die Esel, die Eselfreunde, die Freunde der Tiere – hoffen, dass wir in eine lange Phase des Friedens eintreten, und wenn’s nicht klappt, wissen wir, dass der größte aller Eselfreunde, nämlich der, der neben dem Esel geboren wurde und dann in seiner Futterkrippe lag, dauerhaften frieden schaffen wird, aber nicht für die, die jetzt den Frieden sabotieren!
So ziehe ich also mit Fripon durch die Vauclusischen Weingärten nach Cabriere d‘ Aygues, wo die Stare ihr Winterquartier aufgeschlagen haben. Ich besuche Ludwig Distel, der Name bürgt für Esels- und Pferde-Qualität. Von dort geht es durchs Gebüsch nach Cucuron und Lauris in den Pferdehof Mas des Recaute. Über www.google.fr könnt ihr diesen besuchen.
Am Dienstag den 24. Januar 95 findet die große Verabschiedung statt und wir laufen dann nach Lauris. Fripon läuft mir davon. Ich finde ihn in einem Hof – bei einer Stute. Von Puget geht es quer durchs Gebüsch nach Boris. Dort rauscht ein Bach gar zu heftig und wegen Fripon mach ich einen Umweg und begegne einer Dame, Danielle, welche sich sofort in Fripon verliebt und mich zum Mittagessen einlädt. Später telefoniert sie mit ihrem Mann und fragt mich, ob ich bei der Hausrenovierung etwa 10 Tage mitarbeiten möchte. Natürlich ja! Eine schöne Woche bei Danielle beginnt. Jeden Abend ein Fest mit Freunden, welche den Planeten vom Himalaya bis zu den Anden bereist hatten. Und ich habe mit Fripon die ersten 100 km abgewickelt.
Danielle hilft mir auch, einen Sack für Fripon zu nähen. der bis in die Pyrenäen halten wird.
Am Samstag dem 5. Februar geht es weiter nach Merindol en Luberon. Merindol – Mutter der Schwalben. Zufällig der Tag, an dem die dort lebende berühmte Sängerin Michelle Torr zum x-ten Mal heiratete. Wir überqueren die Departemental-Straße und die Durance bei Mallemort, damit trete ich in den Bezirk Marseille ein.