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Was soll ich tun, wenn mein Kind krank ist? Wie kann ich Essen bekommen, wenn ich selbst krank bin und nicht einkaufen gehen soll? Und oft auch: Was soll ich jetzt mit offenen Rechnungen machen? Bei den Frühen Hilfen in Steyr sind die Tage für alleinerziehende Mütter jetzt lang. Manche haben niemanden, mit dem sie reden können. Für Frau Lindner und ihre zwei Kinder ist die Situation jetzt noch schwieriger als schon im «Normalzustand». Bisher ging es sich mit Kinderbetreuungsgeld, Alimenten und Notstandshilfe gerade aus. Der Vater der beiden Kinder muss in Kurzarbeit gehen. Dann werden die Alimente reduziert. Frau Lindner hat Angst, sich die Windeln und Lebensmittel nicht mehr leisten zu können. Die Situation ist kritisch. «Weil das Geld so knapp ist, esse ich weniger. So kann ich ein bisschen sparen», erzählt die besorgte Mama. Frau Lindner geht nur einmal wöchentlich zum Einkaufen außer Haus. Sonst ist sie zu Hause mit den Kindern. «Ich habe Angst, auf den Spielplatz zu gehen. Ich will nicht, dass wir von der Polizei gestraft werden. Ich kann das nicht zahlen.»
Während Spielplätze geschlossen werden, dürfen Pfandleihen wieder aufmachen. Wer zur Pfandleihe geht, borgt sich schnelles Geld für einen hohen Preis. Zinsen und Gebühren pro Halbmonat, Manipulations-, Ausfertigungsgebühr, Lagerkosten oder Platzgeld werden oft gesamt verrechnet. Die Bewertung ein und desselben Pfandes ist auch sehr unterschiedlich, bei einer Goldbrosche beispielsweise zwischen 70 und 120 Euro. Fest steht: Die Pfandleihe ist eine sehr teure Variante des Geldborgens. Gescheiter man geht gleich zur Schuldenberatung. Noch gescheiter, es findet Sozialpolitik statt. Frau Lindner bekommt nichts vom präsentierten Familienhärtefonds. Die Krise ist keine Chance, sondern ein Vergrößerungsglas, das sichtbar macht, ob auf die ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung gepfiffen wird oder nicht. Wir brauchen einen funktionierenden Schutzschirm für Menschen in Not – keinen mit Löchern, der Hunderttausende im Regen stehen lässt.
Die Juno ist eine Notschlafstelle der Diakonie für Jugendliche in Kärnten. Sie hat jetzt auf Dauerbetrieb umgestellt, hat also 24 Stunden am Tag offen. Und ist immer telefonisch erreichbar. Also auch für alle, die jetzt zu Hause wohnen. Manche haben eine ganz kleine, renovierungsbedürftige Wohnung, meist ohne Küche und Heizung. Einige wohnen bei ihren Eltern. Und viele wohnen jetzt in Wohngemeinschaften. Ein Dach über dem Kopf ist wichtig, besonders jetzt. Aber viele der Jugendlichen und jungen Erwachsenen sind zu Hause mit Gewalt konfrontiert. Jetzt noch mehr als sonst. Manche sind auch einsam. Einsam ist vielleicht das falsche Wort: Sie brauchen sozialen Kontakt. Wenn sie den ganzen Tag alleine sind, rücken ihre Probleme in den Vordergrund. Isolation ist für fast jeden Menschen hart. Aber ein gesunder Mensch hält das eine Zeit lang aus. Wer nicht gesund ist, kommt hier schneller an eine Grenze. Die jungen Menschen, die zur Juno kommen, sind Überlebenskünstler_innen. Sie kennen Krisen. Sie sind mit Krisen aufgewachsen. Das gibt ihnen jetzt auch eine gewisse Stärke. Aber an den Umständen ändert es nichts. «Wir setzten uns in Runden zusammen und reden miteinander», erzählt Marie von der Juno. Über Probleme, Ängste, Beziehungen, über alles Mögliche. «Die Jugendlichen, die jetzt bei uns wohnen, haben niemanden. Keine Familie, keine anderen Bezugspersonen.»
Die Krise eine Chance? Jedenfalls ein Vergrößerungsglas, das die bestehenden Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten sichtbar macht. Wenn man hinschaut.