Das waren Mods!Artistin

Musikarbeiter unterwegs ... in Sachen Subkulturgeschichte

Ein optimistisch vorwärtsschauender Rückblick auf eine real existierende Jugendbewegung und deren allerbeste Musik.

Foto: Mods & Punx united!

«Was ich The Exploited nie verzeihe, ist ‹Fuck the Mods!›», sagt Thomas Tesar. Tesar, 1973 geboren, ist als Sänger von The Venue mit einem Song auf der Compilation «Falsche Zeit, Falscher Ort» vertreten, um die es hier (auch) gehen soll. «Wien ist anders» so der Titel des 1990 eingespielten, bislang unveröffentlichten Stücks. Ich erröte dezent, ob der dummen Jugenderinnerung daran, vor dem E-Schmid, einem Linzer Lokal, zu stehen und mit anderen Punx dieses Lied zu grölen, mit dem die schottischen Punk-Holzhacker von The Exploited zur Melodie von «Jingle Bells» (fragen Sie nicht!) eine eindeutig besser gekleidete Jugendbewegung zu diffamieren trachteten. Besagte Begebenheit endete mit einer Ohrfeige, die ein Stachelhaar-Kollege namens «Mini» stellvertretend für so viel offensiven Kleingeist verpasst bekam, als die solcherart geschmähten Mods auf ihren Vespas auftauchten. Doch nichts da von wegen «rivalisierende Jugendbanden» – wenn, dann viel eher korrespondierende Leidenschaftsverbände.

 

Modernism rules ok!

 

Leidenschaft ist bei jedem der 19 Lieder, die «Falsche Ort, Falsche Zeit» versammelt, reichlich zu hören. Von den eröffnenden Die Profis bis zum abschließenden Instrumentalstück von Fenton Weills. Wenn gesungen wird, geschieht dies auf Deutsch, und neben der unpackbaren Energie fast all dieser Lieder fällt der ungebrochene, hellgeistige Wille auf, etwas zu sagen, den sehnsüchtigen Griff auf und nach der Welt, nach der Liebe, nach dem guten, aufregenden Leben in den Texten singend abzubilden. «Hey, Du!», scheißen sich die legendären Düsseldorfer Stunde X musikalisch recht wenig und bilden gleichzeitig zu einer gut investierten Stones-Anleihe männliche Schüchternheit ab. Nicht nur was Jetzt! bei «Vielleicht Menschen» singen, geht über zeitliche und räumliche Distanzen nah. «Ihnen ist egal, woher der Wind weht, Hauptsache ist, er tut ihnen nicht weh.» (Da muss ich beim Hören ein wenig weinen, weil gerade so ein Möchtegern-Mörderfaschisten-Wind durchs Land weht, gar nicht einmal mehr so leicht.) Thomas Tesars jüngeres Selbst singt nahezu zeitlosen Klartext im einzigen deutschsprachigen Lied des von 1989 bis 1992 existierenden Quintetts The Venue: «Hardcore-Konzerte und Wochenend-Rebellen (…), Yuppies aus dem Gemeindebau …» Tesars informierter und informierender Gesprächs-Zick-Zack-Crashkurs durch die (Wiener) (Mod-)Szene jener Jahre schreit nach einer Radiosendung oder einer Schallfolie (yeah). «Clean living under difficult circumstances.» Nur kurz hält sich der spätere Sänger von Stalker und Panenka bei seiner damaligen Band mit Christoph Cuscoleca, Robert Eder, Michael Gaissmaier und Dieter Herndl oder deren aktuellen Reunion mit zwei Originalmitgliedern ohne ihn auf. Wir streifen musikalische «elder statesmen» wie The Who, Small Faces, Time Shift (Wien) oder The Times (London). Die originelle und originäre Nähe der Bands der Compilation zum 79er-Mod-Sound (The Jam und die Folgen …), aber auch zu Soul, jamaikanischem Ska … Ein breites stilistisches Spektrum als dynamischer Ausdruck einer Jugendkultur, die in Kleidung, Sound, Haltung und Stil ständig auf der Suche und in Bewegung war. Dem Dilemma einen Haken schlagen: «Fashion outdates itself».

Thomas, im Sozialbereich berufstätig und musikalisch als DJ weiter ein Fixposten des aufregend, soulful klingenden Wiens, erzählt von 2000 gesparten Schilling, die in einen Maßanzug investiert wurden. Bei einem Schneider, der die Mod-Klientel, die sich ihren Stil nach Fotos schneidern ließ, als Marktnische entdeckte. Ähnliches Vorgehen bei den Frisuren. Immer der Blick über den Tellerrand, geographisch und überhaupt. Jahre später legt ein Fellow-Mod House auf, für Thomas, dem «sein» Mod ein eindeutig linkes Projekt ist, ebenso spannend und differenziert auszuchecken wie Hardcore. Energie! Ideen! Hört mensch Thomas Tesar zu, entpuppt sich Mod als gültiger Code gegen die ewige Statik des (Subkultur-)Konservativismus. Es hat nichts Nostalgisches, wenn er auf «Szenefiguren» wie DJ Elk, der als Veranstalter unermüdlich Bands von überall her nach Wien brachte, zu sprechen kommt. Oder auf Roli Vogl und dessen Band The Losers, bei denen auch ein jüngerer Robert Rotifer spielte. Es geht um Möglichkeiten, Perspektiven und Respekt für die Menschen, die solche formulieren. Damals wie heute. Der auch all den bekannteren (Peter Hein/Family 5, Bernd Begemann/Die Antwort …) und unbekannteren Protagonist_innen, die eben nicht wirklich zur falschen Zeit am falschen Ort waren, gilt. Wer borgt mir Geld für einen Mod-Anzug?

 

 

Diverse Interpreten: Falscher Ort, Falsche Zeit. Power Pop & Mod Sounds From Germany, Austria & Switzerland 1980–1990

www.tapeterecords.com

Live: Am 10. 4. spielen Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen im Chelsea.

Sänger Carsten Friedrichs hat die Compilation zusammengestellt.