Sachbuch: Homosexualität in der NS-Zeit
«Der letzte Fall zeigt mit aller Deutlichkeit die neuerlich angewachsene Gefahr, die dieser Gewohnheitsverbrecher bedeutet.» «Die Tatsache, dass Kurt auch hier war, änderte für Franz alles. Es ging jetzt nicht mehr nur um ihn selbst, sondern auch um seinen Freund.»
Der menschenverachtenden Sprache der Nazi-Bürokratie stellt Jürgen Pettinger eine empathische Erzählung entgegen. Sie gibt dem Todesopfer der Homofeindlichkeit seine Geschichte zurück. Franz Doms, wohnhaft am Handelskai, wurde im Alter von nur 21 Jahren am 7. Februar 1944 am «Landgericht Wien» ermordet. Geschickt verdichtet und streckt der Autor in seinem von Zitaten und nachweisgebenden Fußnoten begleiteten Tatsachenbericht die Handlung. Die Gedanken, Ängste und Träume des Sohnes eines Hafenarbeiters, der von seinem Arzt «arbeitsunfähig» geschrieben worden war und so dem NS-Arbeitsdienst entgehen konnte, werden erfahrbar. Der Protagonist wird dabei nicht zum überhöhten Helden, begeht er doch Fehler und verrät unter Folter auch andere, in der Hoffnung, seinen Freund zu retten. Jürgen Pettinger hat mit seinem Buch einen besonders lesenswerten Beitrag zur Erinnerungskultur geschaffen.
Jürgen Pettinger
Franz – Schwul unterm Hakenkreuz
Kremayr & Scheriau 2021
192 Seiten, 22 Euro
Jürgen Pettinger ist am
18. März zu Gast bei Radio Augustin auf Orange 94.0.