Delegiert, um renitent zutun & lassen

Glückspieldebatte: «Marginalisierte schützen wär eine Kernaufgabe der Sozialdemokratie»

Landesparteitag der SPÖ. Tag der Zurschaustellung einer sozialdemokratischen Kontinuität über ein Jahrhundert hinweg und gleichzeitig Tag der weiteren Distanzierung von den sozialistischen Idealen. Wie geht das zusammen? Mittels Doppelstrategie. Man lässt Enfant terrible Niki Kowall die Freiheit, in Sachen Glückspielautomaten die Parteitagsmehrheit zu gewinnen. Wurscht, denn die SP-Spitze fühlt sich eh nicht den Parteitagsbeschlüssen, sondern den Abmachungen mit dem Glückspielmonopolisten verpflichtet. Niki Kowalls respektable Parteitagsrede verdient dennoch weitere Verbreitung, denn sie ist eine Vorratskammer voller Argumente.Spielautomaten sind überall so kommt es einem und einer zumindest vor, geht man durch Wiens Bezirke. An fast jeder Straßenecke findet sich ein Ort, an dem zwei oder mehr Automaten aufgestellt sind. Für einen Großteil der Bevölkerung sind das tote Orte, die im Gegensatz zu Nahversorgern oder Kaffeehäusern keine nützliche Funktion übernehmen. Für eine andere Gruppe von Menschen werden sie zum Problem Spielsüchtige.

Seit einigen Jahren ist das sogenannte «kleine Glücksspiel» in Österreich am Vormarsch. Immer mehr Automaten werden aufgestellt, der Marktanteil im gesamten Glücksspielbereich und die dort erwirtschafteten Umsätze steigen ständig. Das 2010 beschlossene neue Glücksspielgesetz regelt nun erstmals formal das «Kleine Glücksspiel». Das Glücksspielgesetz kann als sehr großzügig angelegter Mindestschutzrahmen verstanden werden, darüber hinaus können Länder das Kleine Glücksspiel zur Gänze verbieten oder die Bestimmungen enger fassen. In Wien wird es durch das Veranstaltungsgesetz umgesetzt der Maximaleinsatz bei Automaten außerhalb von Spielhallen wurde pro Spiel von 50 Cent auf einen Euro erhöht, in Spielhallen kann mit 10 Euro Einsatz gespielt werden. Pro 600 EinwohnerInnen kann in Wien ein Automat zugelassen werden in allen anderen Bundesländern liegt dieser Faktor bei einem Automat pro 1200 EinwohnerInnen. Der Mindestabstand, in dem ein Spielautomat zu einer Schule aufgestellt werden darf, beträgt gerade einmal 150 Meter.

Die Spielsuchtberatung in Wien geht von 17.000 bis 50.000 Spielsüchtigen in Wien aus, 2008 kamen knapp 600 zu ihnen in die Beratung. 82,6 Prozent der Spielsüchtigen, die mit der Spielsuchtberatung Kontakt aufnahmen, gaben an, dass für sie Automaten zum Problem geworden waren. Das kleine Glücksspiel ist somit für den größten Teil der Spielsuchtfälle verantwortlich. Im Vergleich dazu wurden Wetten mit 17,4 Prozent genannt (Mehrfachnennungen waren möglich). Die wichtigsten Spielorte für Spielsüchtige waren die Spielhalle (54,8 Prozent) und das Kaffeehaus (30,9 Prozent). Bestimmte Eigenschaften machen Spielautomaten zu jenem Glücksspiel, das das höchste Suchtpotential aufweist: Eine hohe Ereignisfrequenz und eine kurze Zeitspanne zwischen dem Geldeinsatz und der Auszahlung eines möglichen Gewinns machen dieses Glücksspiel besonders attraktiv und gefährlich.

Durchschnittliche Spielschulden pro Person: mehr als 40.000 Euro

Rund 85,5 Prozent der SpielerInnen sind infolge ihrer Glücksspielsucht verschuldet, die durchschnittliche Verschuldung beträgt bei den 2008 von der Spielsuchtberatung betreuten SpielerInnen 41.594 Euro (die höchste Verschuldung 650.000 Euro), was dem 31-fachen des durchschnittlichen Monats-Nettoeinkommens (1349 Euro) entspricht.

Besonders junge und sozial schwache Männer sind gefährdet, in die Automatenspielsucht abzurutschen. Verschuldung, Belastung der Angehörigen und Kriminalität sind die Folge. Die leichte Zugänglichkeit zu Spielautomaten macht diese zu Treffpunkten und Aufenthaltsorten für manche Gruppen und verleitet immer neue Menschen, «ihr Glück» am Automaten zu versuchen. Zwar verdient Wien am legalen Glücksspiel (die Einnahmen schlagen mit jährlich mindestens 55 Millionen Euro zu Buche), allerdings verdient die Stadt hier zu einem Gutteil an kranken Menschen: Eine Untersuchung des Instituts für Drogenforschung in Bremen hat ergeben, dass 40 Prozent aller für Spielautomaten getätigten Geldeinsätze von Personen getätigt werden, die ein pathologisches Spielverhalten aufweisen. Wie bei allen Krankheiten sind auch im Falle der Spielsucht arme und marginalisierte Bevölkerungsgruppen besonders stark betroffen. Es gehört zu den Kernaufgaben der Sozialdemokratie, diese Menschen zu schützen und zu unterstützen.

Daher stellen wir folgenden Antrag.

Die SPÖ spricht sich gegen das «Kleine Glücksspiel» aus weder BetreiberInnen und Glücksspielindustrie noch öffentlichen Haushalte dürfen auf Kosten der Schwächsten in dieser Stadt finanziell profitieren. Automatenhallen und Einzelaufstellungen müssen aus der Stadt verschwinden.

Die Bevölkerung soll verstärkt über die Gefahren des Glücksspiels aufgeklärt und auf Beratungsstellen hingewiesen werden. Für diese muss eine ausreichendeFinanzierung sichergestellt werden. Besonders bei Jugendlichen sollen Präventionsmaßnahmen verstärkt werden.

Die Einhaltung des Jugendschutz muss im Glücksspielbereich sichergestellt werden, das erfordert flächendeckende Kontrollen von Lokalen mit Automatenaufstellungen und Wettlokalen durch den Magistrat.

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