Zwischen Wien und Eberau nur Karikaturen von Volksbefragungen
Österreich ist eine demokratische Republik. Ihre Macht geht vom Volk aus. So stehts in der Verfassung. Wie österreichische PolitikerInnen diesen ersten Verfassungsparagrafen deklinieren, das wurde in den letzten Monaten sehr anschaulich demonstriert. Titel der Farce: Demokratie auf österreichisch.Wien wollte es wissen. Nur 26 % der WienerInnen wollten es den Stadtverantwortlichen auch sagen. Angesichts der 3,5 Millionen Werbebudget eine halbe Million mehr als die Durchführung kostete und der hohen Präsenz des Themas im öffentlichen Raum und in den Medien recht wenige. Was wollte Wien eigentlich genau wissen? Ob eine Volksbefragung als Wahlkampfauftakt tauglich ist? Ob man der Stadtbevölkerung erfolgreich verkaufen kann, dass man sich um ihre Meinung schert, ohne dabei viel zu riskieren? Die meisten Inhalte haben kein großes Gewicht, ist der Ausgang von Volksbefragungen doch immer unberechenbar Hundeführerschein, Hausbesorger, Nacht U-Bahn sind Peanuts. Das einzige SP-Thema Ganztagsschule wäre mit einer absoluten Mehrheit schon längst umsetzbar gewesen. Und das grüne Anliegen City-Maut? Das lässt man sich erfolgreich abschießen.
Das Instrument der Volksbefragung wurde in Wien Anfang der 70er Jahre eingeführt, als die Forderung nach mehr Bürgerbeteiligung bei öffentlichen Entscheidungen lauter wurde. Die Wissbegierde der Stadt nach BürgerInnenmeinung hält sich jedoch in Grenzen: Die letzte Volksbefragung liegt 19 Jahre zurück zur Abstimmung standen damals der Bau des Freudenauer Kraftwerks und die EXPO-Teilnahme. Über 40 % der Stimmberechtigten beteiligten sich und sagten ja zu ersterem und nein zum zweiten. Genau andersrum als die Wiener SPÖ es erwartet hatte. Es war eine der wenigen Befragungen, bei der die Fragen klar und verständlich formuliert waren. Die meisten anderen, wie auch die eben durchgeführte, sind geradezu Paradebeispiele dafür, wie man es seriöserweise nicht machen sollte; wie man durch die Art der Formulierung, den Umfang und die Kombination der Fragen suggestiv auf ein gewünschtes Ergebnis hinarbeitet.
Nicht nur in Wien übt man sich in der Kunst der Suggestion, in Graz wurde 2000 sogar eine Befragung vom Verfassungsgerichtshof der manipulativen Formulierung wegen für nichtig erklärt. Die einhellige Kritik der Opposition und der meisten Medien konterte SPÖ- Klubchef Siegi Lindenmayr: „Wir legen keine ausformulierten Gesetzesentwürfe vor, sondern fragen nach der Stimmung.“ Jede Partei, auch die SPÖ, macht regelmäßig Meinungsumfragen kostengünstigere und präzisere Instrumente, um Stimmungen abzufragen. Bei Volksbefragungen nach Stimmungen zu fragen ohne konkrete Information zu liefern, worüber eigentlich abgestimmt wird, ist genauso zulässig, wie Laien zu befragen, ob sie die Anwendung der Quantenfeldtheorie in der Physik für sinnvoll halten.
Auch im Burgenland herbstliche Wahlen
Zweiter Schauplatz: Eberau im Süden Burgenlands. Die Innenministerin und der ÖVP-Bürgermeister planen hinter verschlossenen Türen die Errichtung eines Erstaufnahmezentrums für AsylwerberInnen, an Gemeindebevölkerung und vertretung vorbei. Fekter und Bürgermeister Strobl sind, als sie mit dem Projekt an die Öffentlichkeit gehen, völlig überrascht über die heftigen Proteste und den Widerstand der Bevölkerung. Seit Jahren kombinieren österreichische PolitikerInnen und kleinformatige Zeitungen das Wort Asyl bevorzugt mit Betrug und Kriminalität. Wen wunderts, dass die Bevölkerung eines 1000-Seelen-Dorfs gegen die Einquartierung von 300 Asylwerbern aufbegehrt? Fekters Vorschlag zur Besänftigung der Proteste, die Flüchtlinge mit Aufenthaltspflicht zu belegen, schlägt genau in dieselbe Kerbe: Wieso einsperren, wenn sie ungefährlich sind? Die Stimmung ist aufgeheizt, da tritt SP-Landeshauptmann Niessl auf den Plan.
Auch im Burgenland gibt es im Herbst 2010 Wahlen. Niessl nutzt die Gunst der Stunde, sich als Anwalt der BürgerInnen zu profilieren, bezichtigt die ÖVP-Politiker zu tricksen und über die Bevölkerung drüberzufahren Niessl musste sich schon öfter den gleichen Vorwurf gefallen lassen etwa bei den ablehnenden Befragungsergebnissen zum Bau der S7 und fordert in der emotionalisierten Lage eine Volksbefragung in der gesamten Region Südburgenland. Die unschuldige Frage: Sind Sie für die Errichtung eines Erstaufnahmezentrums für 300 Asylwerber im südlichen Burgenland? Angesichts des politischen Stils der Asyldebatte lautet der Subtext: Wollen Sie gefährliche Ausländer in ihrer Nachbarschaft? Eine Farce bei einem eskalierten Konflikt: da werden keine Sachargumente mehr gehört, es regiert nur noch die politische Polemik.
Demokratieführerschein für die Politik?
Zwei Strategien, die beide aus demokratiepolitischer Sicht bedenklich sind und heute auch nicht mehr so recht funktionieren: Umsetzen von oben herab, ohne die Bevölkerung einzubeziehen und Beteiligung vor allem dann, wenn sie strategisch opportun ist und das Ergebnis vorhersehbar ist bzw. gelenkt werden kann. Beides ist eine Politik, die drüberfährt und die Bedürfnisse und das Wissen der Menschen nicht ernst nimmt. Die heute überfällige Abstimmungsfrage lautet: Sind Sie dafür, dass es für PolitikerInnen einen verpflichtenden Demokratieführerschein geben soll?
Die Autorin ist Bürgerbeteiligungs-Expertin in der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik (ÖGUT)