Den bösen Leerstand bekämpfentun & lassen

Illustration: © Much

Immo aktuell (Mai 2023)

Seit Jahresbeginn haben Salzburg, Tirol und die Steiermark Gesetze, die Leerstände sanktionieren. Eine wohnpolitische Maßnahme auf Landesebene, die in den 80er-Jahren in Wien bereits als verfassungswidrig erklärt wurde. Ein Griff ins Leere?

In puncto Wohnen ist Österreich wie ein Wiener Schnitzel.» Stille. Der ­Tiroler Kabarettist Markus Koschuh setzt fort: «Beidseitig beklopft». Das Lachen ertönt nur mäßig im rammelvollen Wiener Kabarett Niedermair Mitte April, denn für die meisten bleibt es ersichtlich im Halse stecken. Über die Einführung einer Leerstandsabgabe in Tirol macht er sich in seinem Kabarettprogramm wOHNMACHT auf Österreichtour auch lustig. Aber ist das nicht eine gute Sache?

Zustand

Leistbarer Wohnraum fehlt, die Mietpreise schießen in die Höhe. Dabei würden viele Wohnungen leer stehen – gerade in Ballungszentren, wo der spekulative Leerstand funktioniert, d. h. wenn das angelegte Geld in Immobilien nicht durch Vermietung einen Mehrwert bringt, sondern durch Wertsteigerung des leerstehenden Objektes. Verlässliche Zahlen dazu gibt es jedoch nicht.
In Salzburg, Tirol und in der Steiermark will man nun mit der Einführung ­einer verpflichtenden Abgabe Eigentümer:innen dazu bringen, leerstehende Wohnung zu vermieten. Auch wenn die Landesgesetze unterschiedlich bezeichnet werden sowie unterschiedliche Abgabenhöhen und Ausnahmen vorsehen, ­haben sie eines gemeinsam: Gegenstand der Abgabe sind Wohnungen, wo länger als sechs Monate kein Wohnsitz (Haupt- oder sonstige Wohnsitze) gemeldet ist.

Böser Leerstand

Walter Rosifka, Leiter des Teams Wohnen der Arbeiterkammer Wien blickt mit Skepsis aus der Hauptstadt auf die Länder: «Es sind durchaus wichtige politische Zeichen, die gesetzt werden. Ob sie aber wirklich Eigentümer:innen zur Vermietung bewegen werden?» Das bezweifelt er. Zwar bitten die Gesetze Eigentümer:innen von leerstehenden Wohnungen zur Kasse und würden manche durchaus dazu animieren, sie zu vermieten, doch eine wirksame Maßnahme gegen den – wie er ihn nennt – «bösen», spekulativen Leerstand, die eigentliche Intention dahinter, ist die neue Leerstandsabgabe in den drei Bundesländern nicht. Dafür seien die Abgaben zu niedrig.
Für eine etwa 50 Quadratmeter große Wohnung beträgt die Abgabe je nach Nutzfläche und Region zwischen 58 und 100 Euro im ­Monat. Wirksam wären sie aber, meint der Wohnrechtsexperte, wenn mindestens die Hälfte der möglichen Einnahmen durch Miete zu entrichten wäre. Dass es nicht so ist, hat aber einen Grund. «Was die Länder ­machen, ist, die ­Abgabe so niedrig zu halten, damit sie nicht unter Wohnpolitik fällt. Denn wenn es wirklich weh tut, sodass die Eigentümer:innen wirklich ­gedrängt werden, die Wohnungen zu vermieten, ist das Wohnpolitik.»

Abgabe in Wien

Wohnpolitik ist aber Bundessache, dafür sind die Länder laut Verfassung nicht zuständig, ausgenommen die Wohnbau­förderung. Gerade in Wien weiß man das nur zu gut. 1982 führte das Land Wien eine Leerstandsabgabe ein. Umgerechnet von Schilling auf Euro nach Inflationsanpassung war die ­Abgabe etwa dreimal höher als jene der drei Bundesländer heute. Doch diese wurde 1985 vom Verfassungsgerichtshof als verfassungswidrig aufgehoben. Der Grund: Länder dürfen zwar eine Abgabe zur Deckung von Kosten, die der Gemeinde im Zusammenhang mit dem Leerstand entstehen (für Infrastruktur wie Kanal, Wasseranschluss, Straßen), einführen. Entsprechend hohe Landesabgaben jedoch, die Eigentümer:innen von leerstehenden Wohnungen zwingen würden, die Vermietung zu veranlassen, beurteilte der VfGH als verfassungswidrige Kompetenzüberschreitung.
Wie sich die Länder abgesichert haben, dass die Landesgesetze nicht erneut als verfassungswidrig eingestuft werden? Wird eine etwa dreimal niedrigere Abgabenhöhe trotzdem halten? Auf diese Fragen erhielt der Augustin bis Redaktionsschluss von keinem der Zuständigen eine Antwort. Positiv ist die Initiative allemal, nicht zuletzt in Bezug auf die Daten, die in begleitenden Erhebungen dadurch entstehen.

Strafen, Ausnahmen

Auch die Strafen für Verstöße sind niedrig, maximal 10.000 Euro. Ob die Kontrollmechanismen greifen, ist bis 2024 ­abzuwarten, erst dann enden die Fristen für das erste Abgabejahr. Für Rosifka ein entscheidender Punkt, denn «die Frage der Wirksamkeit der Leerstandsabgabe ist auch eine Frage der Kontrolle».
Zahlreiche Ausnahmen, die leerstehende Wohnobjekte von der Abgabe befreien, sind in allen drei Bundesländern – wenn auch sehr unter­schiedlich – vorgesehen, zum Beispiel wenn Wohnungen zum ortsüblichen Mietzins oder aufgrund fehlender Nachfrage (trotz Bemühungen) nicht vermietet werden können, wegen Instandsetzungsarbeiten oder wenn es sich um eine Vorsorgewohnung für Kinder handelt – um nur einige zu nennen.
Wirksam wäre es für den AK Wohnrechtsexperten Walter Rosifka mit Sicherheit, wenn der Bund selbst ein Gesetz beschließt, das den spekulativen Leerstand verbietet, denn «was nicht sein sollte: dass leerstehende Objekte mehr Geld einbringen als vermietete, und daher den Menschen nicht zum Wohnen zur Verfügung ­stehen».