Lokalmatadorin Babsi Daum
Babsi Daum erfreut mit ihren Schau-Fenstern die Passant_innen des Stuwerviertels. Von Uwe Mauch (Text) und Mario Lang (Foto).Arbeit in Auslage. Von Zeit zu Zeit bleiben Menschen stehen. Auch solche, die sich sonst nicht sonderlich für Kunst interessieren. Sie stoppen oder verlangsamen ihren Schritt, um die sechs Vitrinen des Eckhausportals genauer zu betrachten. In der Auslage: Ausstellungen der Künstlerin Babsi Daum und/oder von ihr eingeladenen Kolleg_innen, die jeweils in einem Zeitfenster von sechs bis acht Wochen zu sehen sind.
Café Mozaik, Arbeit in Auslage, eine Rotlichtbar: Die sechs Schau-Fenster für Kunst und Kultur brechen den berüchtigten Flow der Stuwerstraße, die parallel zur Ausstellungsstraße und damit zum Prater verläuft.
Die Vitrinen müssen – so die Auflage des Magistrats – die Fenster eines ehemaligen Wirtshauses ersetzen. Sie sind ein Glücksfall, auch für die Barmherzigen Brüder, denen das Eckhaus gehört. Die Mieterin des Gassenlokals sagt: «Sie sind froh, dass ich mich regelmäßig darum kümmere.»
Arbeit in Auslage. Auslage in Arbeit. Work in progress. Auch Babsi Daum entwickelt sich mit ihrer Arbeit als Künstlerin permanent weiter. Ihre Reise hat schon als Kleinkind in der baden-württembergischen Stadt Karlsruhe begonnen: «Meine Mutter hat mir erzählt, dass ich schon im Gitterbett feinsäuberlich Papier ausgeschnitten habe.»
Wichtige Stationen ihrer Entwicklung waren ein Elternhaus, das ihr Interesse an der Kunst zu wecken wusste, ein Gymnasium in Karlsruhe, das ihre Talente förderte («Ich liebe auch die Mathematik»), ein Praktikum in einer Bad Ischler Tischlerei, Vorlesungen für Architektur und dann vor allem die Meisterklasse für künstlerische Schrift- und Buchgestaltung sowie die Werkstatt für Originaldruckgraphik an der Universität für Angewandte Kunst in Wien.
Mit ihrer Neuinterpretation von Public Viewing hat Babsi Daum vor bald zehn Jahren im Stuwerviertel begonnen: «Damals konnte ich mich dank eines Tipps der Gebietsbetreuung hier einmieten.» Wie vieles in ihrem Leben folgt auch die Arbeit in der Auslage einem roten Faden. In einer Mappe hat sie alle bisherigen Ausstellungen dokumentiert. Heute hält sie bei Nr. 53. «Und es ist für mich kein Ende in Sicht.» Bis dato stellten mehr als 100 Künstler_innen bei ihr aus.
Schön zu beobachten: Ihre Arbeit belebt einen Wiener Rajon, der trotz seiner sanften Gentrifizierung, die vor ein paar Jahren begonnen hat, noch immer mit seinem Schmuddel-Image zu kämpfen hat.
Babsi Daum kann auf eine gediegene Ausbildung vertrauen: In ihrer Diplomarbeit an der Angewandten hat sie neun Gedichte von Ernst Jandl in acht Büchern und einem Taschen-Buch visualisiert. Dabei hat sie den Dichter persönlich kennen gelernt. «Das war toll. Er hat mich sehr unterstützt.» Sie erinnert sich auch an einen vorab skeptischen Professor, der gemeint hatte: «Sie können als Deutsche nicht Ernst Jandl interpretieren.» Und der sich dann eines Besseren belehren ließ. Für ihr erstes großes Werk erhielt sie auch einen Preis, der ihr half, mit der freischaffenden Arbeit zu beginnen.
Mehrere rote Fäden ziehen sich durch Daums Arbeit. Einige, so wie die Kunst-Schau-Fenster, haben einen Anfang, aber noch kein Ende. Das vielleicht berührendste Projekt ist mit ihrer Tochter Paula unmittelbar verwoben. Ihr verdankt sie mehr als eine glückliche Eltern-Kind-Beziehung: «Ohne sie hätte ich niemals diese Form von Kunst machen können.»
Um die Entwicklung der Tochter zu visualisieren, hat Daum vorerst intuitiv begonnen, das Profil des ersten Kinderschuhs auf einen Schuh-Karton zu drucken. Kontinuierlich hat sie dann jede weitere Schuh-Größe auf einer entsprechend größeren Box abgebildet. «Man muss den Dingen Zeit geben.» Nach diesem Leitmotiv war ihr Kunstprojekt «Shoe Print Box» erst im siebenten Lebensjahr des Kindes fertig gereift. Sie steckte die Boxen ineinander. Von innen nach außen zeugen sie seither von jeder Lebensphase. Auf der äußersten, der größten Schachtel ist der Schuhabdruck eines Mädchens zu sehen, das gerade zur jungen Frau reift.
Zentral in Daums Werkstatt, die sie mit zwei Kolleg_innen teilt, ist die mechanische Tiefdruckpresse. Diese zu bedienen hält nebenbei ihre Armmuskulatur fit. Die Maschine dankt auf ihre Art: Jeder Kraftaufwand wird – aufgrund ihrer ausgeklügelten Mechanik – im Druck mit einer Verzigfachung belohnt.
Derzeit trifft man Babsi Daum vor allem an Vormittagen in ihrer Werkstatt an. An drei Nachmittagen pro Woche unterrichtet sie an der Graphischen Versuchs- und Lehranstalt. Die Arbeit mit jungen Leuten, denen sie die Kunst der Original-Druck-Grafik näher bringt, «bereichert mich zusätzlich».
Wohin führt die weitere Reise der Deutschen, in der man in Wien manchmal eine Vorarlbergerin zu sehen glaubt? Babsi Daum sagt, dass sie gerne wieder einmal in einem anderen Kulturkreis arbeiten möchte. Noch sei die Zeit dafür nicht gekommen. Doch ein konkretes Ziel kann sie schon benennen: «Tibet, das ist mein Land.»
Vorerst aber noch Arbeit in Auslage. Näheres unter: www.babsidaum.at.