«An oberster Stelle»: Autos unter der Lobau
Fahr´n, fahr´n, fahr´n, auf der Lobau-Autobahn … In Zeiten des Klimawandels könnte eine rot-grüne Stadtregierung klare Zeichen gegen den motorisierten Individualverkehr, einen der Hauptverursacher, setzen. Sie würde aber lieber eine «umweltverträgliche» Schnellstraße samt Tunnel unter der Lobau bauen – und so im wahrsten Sinne des Wortes die Verhältnisse zementieren. Martin Birkner berichtet.
Illu: Much
Die diesjährige 1.-Mai-Feier am Rathausplatz war nicht nur der Anfang des Endes von Bundeskanzler Faymann. Auch die Donaustädter Bezirksgruppe sorgte – gelinde gesagt – für Verwunderung. An der Spitze des Zuges marschierten Bezirkskaiser & Co, mit sich trugen sie voller Stolz ein Modell des Lobautunnels, jenes heftig umkämpften Straßenbauprojektes quer durch ein Naturschutzgebiet, das seit Jahren die Gemüter erhitzt. Die Sozialdemokratie im Zeichen des Fortschritts – oder vielmehr eines ökologische Belange ignorierenden Fortschrittsbegriffs des 19. Jahrhunderts …
Hintergrund für die geplanten Straßen- und Tunnelbauprojekte ist die Tatsache, dass Wien wächst – und die Südosttangente an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen ist. Doch lassen wir zunächst die rosagrüne Stadtregierung sprechen. O-Ton der Regierungsvereinbarung: «Rot-Grün bekennt sich zu einer zukunftsorientierten, städtischen Mobilitätspolitik. Im Fokus steht eine ressourcenschonende Mobilität, die die Umwelt und Gesundheit der WienerInnen möglichst gering belastet und für alle leistbar, zugänglich und sicher ist.» Wir Wiener_innen aber wissen, dass Papier geduldig ist; und so ist es auch nicht weiter verwunderlich, dass trotz der eklatanten ökologischen Probleme, trotz Klimawandel und Erderwärmung nicht von einer Politik des motorisierten Individualverkehrs Abstand genommen wird. Für Bürgermeister Häupl ist die Priorität des Lobautunnels sogar «an oberster Stelle». Neben dem Lobautunnel ist außerdem noch ein Autobahnteilstück in Aspern sowie die anschließende Marchfeldschnellstraße S8 geplant.
Seitens der Grünen gab es zwar Unmut, diese schafften es aber selbst in jenem Bereich, in dem sie ansonsten durchaus vorzeigbare politische Erfolge durchsetzen konnten, nicht, das Großprojekt zu verhindern. Ähnlich wie beim skandalumwitterten Krankenhaus Wien-Nord (siehe Augustin xxAUGUSTxx/15) zeigt sich, dass mit zunehmender Größe eines Projekts die Einflussnahme der Bevölkerung radikal abnimmt. Genau umgekehrt jedoch sollte es sein. Dennoch gibt es Widerstand gegen das Monsterprojekt: Zahlreiche Umweltgruppen und Bürger_inneninitiativen machen seit Jahren mobil. Bereits 2003 kam es zu einer ersten symbolischen Besetzung, und seither zu permanentem Widerstand auf unterschiedlichen Ebenen.
Kapitalismus vs. Klima
Nur durch den breiten Protest der Bevölkerung konnten in der Vergangenheit Großprojekte wie das Kraftwerk Hainburg verhindert werden. Ob dies auch diesmal gelingen wird, steht in den Sternen, die Sterne aber stehen gar nicht schlecht. Die Aktivist_innen verfolgen neben öffentlichen Aktionen und Aufklärungsarbeit auch die Strategie der rechtlichen Auseinandersetzung. Im Zuge dessen konnte wiederholt aufgezeigt werden, wie «flexibel» gesetzliche Bestimmungen gehandhabt werden, wenn politische und ökonomische Interessen zusammenfallen. Mangelhafte Berechnungen das Grundwasser betreffend, unbeachtete geologische Problematiken, bereits als rechtswidrig zurückgewiesene Lärmgutachten u. v. a. m. Im Moment sieht es jedenfalls gar nicht gut aus für eine positive Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Derzeit liegt die Entscheidung beim Bundesverwaltungsgericht, und nichts deutet auf eine baldige Entscheidung zugunsten der Betonfraktion aus. Der Baubeginn wurde seitens der ASFINAG zum wiederholten Male verschoben. Aktuelle Prognose: 2018, aber auch die scheint etwas gar optimistisch zu sein, sind doch nach überstandener UVP noch eine Reihe weiterer Bewilligungen abzuwarten, die dem Vernehmen nach noch nicht einmal eingereicht wurden. Wolfgang Rehm von der im Umweltorganisation Virus jedenfalls ist zuversichtlich, dass der Tunnel nicht gebaut wird.
FPÖ und ÖVP würden sich natürlich über millionenschwere Straßenbauprojekte freuen, und auch ASFINAG-Geschäftsführer Walcher gibt sich siegessicher: «Wir wollen und wir werden es auch bauen.» Verkehrsexperte und Autoverkehr-Kritiker Hermann Knoflacher zeigt hingegen in einem Artikel in der «Presse» die wahren Hintergründe der ASFINAG-Begeisterung auf: «Der Konzern versorgt vor allem Bau- und andere Konzerne mit Aufträgen. Seine Schulden, derzeit 11,6 Mrd., könnten, wenn der Neubau gestoppt wird, erst in 20 Jahren abgetragen werden.» Bis dahin wird noch viel Wasser die Donau hinabfließen, im besten Falle unbehindert von gigantomanischen Untertunnelungen und ihren Gefahren.
Info: Bürger_inneninitiative «Rettet die Lobau»: http://www.lobau.org/