Denkfehlertun & lassen

Illustration: (c) Thomas Kriebaum

Klimazone (Juli 2024)

Von manchen Dingen kann ich mich nur schwer trennen. Seit Jahren hängt dieses eine ausgefallene Sommerkleid im Schrank, wofür sich sicher irgendwann einmal eine Gelegenheit ergibt. Oder der eine Badeanzug, in dem ich mich bestimmt mal wieder wohlfühlen werde. Es sind die immer gleichen Ausreden, die ich finde, warum diese Kleidungsstücke nicht in den Altkleidercontainer wandern müssen. Oft stehen wir uns selbst im Weg, und dabei geht es meist um viel mehr als nur einen aufgeräumten Kleiderschrank.
Unser Gehirn ist auf kurzfristige Problemlösung programmiert. Dieses «schnelle Denken», wie es der Verhaltensökonom Daniel Kahneman nennt, verstellt uns den Weg, wenn es um komplexe, langfristige Herausforderungen geht. Menschen sind schlecht darin, statistische Trends und langfristige Veränderungen zu erfassen. Wir priorisieren jene Personen und Ziele, die uns zeitlich näher sind. Über mehrere Generationen hinweg zu denken, fällt uns schwer. Zudem bevorzugen wir den Status quo. Den kennen wir, in ihm haben wir es uns gemütlich gemacht. Veränderung hingegen ist mit Anstrengung und Unsicherheit verbunden. Und so halten wir an der fossilen Welt fest. Wir beklagen uns, dass Windräder das Landschaftsbild verändern, monieren, dass die Herstellung von E-Auto-Batterien umweltschädlich sei, und belächeln jene, die zur Grillfeier Sojawürste mitbringen, denn das schadet ja dem Regenwald. Ausreden sind rasch gefunden und der Versuch, klimafreundlicher zu leben, wird schnell ins Lächerliche gezogen. Lieber glauben wir jenen, die einfache, aber ­ineffiziente Lösungen versprechen, die argumentieren, dass man technologieoffen an die Sache rangehen müsse und «die Wissenschaft» schon eine (technische) Lösung finden werde. Wir erliegen unserer eigenen Bequemlichkeit und ignorieren, dass wir die notwendigen Techniken und Lösungen bereits zur Hand haben. Doch sie gehen mit Verhaltensänderungen einher. Wir müssen uns auf unbekanntes Terrain wagen, in der Gegenwart verzichten, um die Zukunft abzusichern. Das fällt uns schwer.
Ebenso wie es uns schwerfällt, unsere Mitmenschen richtig einzuschätzen. Anfang des Jahres haben bei einer globalen Umfrage zwei Drittel der Befragten angegeben, dass sie gewillt wären, ein Prozent ihres monatlichen Einkommens für den Kampf gegen die globale Erderwärmung abzugeben. Gleichzeitig schätzten die Befragten, dass nur etwas mehr als 40 Prozent ihrer Mitmenschen bereit wären, dasselbe zu tun. Die Forschenden schreiben von einer «Wahrnehmungslücke»: Die Unterstützung für Klimaschutz werde weltweit unterschätzt.
Wir sehen uns gerne als rational denkende und handelnde Wesen. Dabei spielen Emotionen und Verzerrungen eine viel ­größere Rolle, als wir uns eingestehen wollen. Wir hängen am Althergebrachten, nehmen jene Informationen eher wahr, die ­unsere bisherigen Überzeugungen stützen, und sehen uns und unser Handeln oft in einem positiveren Licht als andere. Was wirkungsvollen Klimaschutz betrifft, gehen wir uns und unseren Denkfehlern auf den Leim. Wir lassen die Angst, etwas zu verlieren, dominieren und übersehen dabei, was wir gewinnen könnten.

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