«Der Augarten wäre in fünf Minuten vollgebaut»Artistin

«Auf den Barockaden» dokumentiert kreativen Widerstand im Kinoformat

Prunkvoll protestieren. Der Widerstand gegen den Bau des MuTh-Konzertsaals im Augarten war vielfältig, bunt und lustvoll. Die Kino-Doku «Auf den Barockaden» ruft die Ereignisse um den Augartenspitz in Erinnerung und soll Mut machen kreativ Zivilcourage zu zeigen. Die Filmemacherin Doris Kittler im Augustin-Interview.

Foto: Filmstill Doris Kittler

Ende 2007 wurde öffentlich bekannt, dass die Wiener Sängerknaben ihren eigenen Konzertsaal bekommen würden. Finanziert wurde der Bau vom Investor Peter Pühringer über dessen Privatstiftung, den Baugrund stellte die öffentliche Hand zur Verfügung. Als Standort des 400 Sitzplätze umfassenden Saals wurde eine damals halbverwilderte wiewohl essentielle Ecke des Augartens zwischen Castellezgasse und Oberer Augartenstraße, genannt Augartenspitz, festgelegt. Widerstand gegen das Bauprojekt in einem öffentlichen Park regte sich umgehend. Kritisiert wurde, dass ein Stück Natur, das nicht nur Anrainer_innen Raum für Rückzug und Erholung bot, ohne Rücksicht auf Umwelt- und Denkmalschutz unwiederbringlich zerstört werden sollte.

Frage: Die Proteste gegen das MuTh (Musik und Theater) wie der Konzertsaal offiziell heißt, begannen im Dezember 2007. Ab wann warst du mit der Kamera dabei?

Doris Kittler: Die ersten Aufnahmen habe ich tatsächlich bei der allerersten Kundgebung gemacht, die nach der ersten Pressemeldung stattfand. Da haben sich Anrainer_innen besonders vom «Verein Freunde des Augartens» hingestellt und gesagt: Wir wollen nicht, dass unser Park verbaut wird. Wir wehren uns mit Händen und Füßen. Den Fokus des Filmes habe ich dann auf den kreativen Protest gerichtet.

Frage: Es wäre ja möglich gewesen, dass etwa die Gemeinde gesagt hätte: In einem öffentlichen Park darf nicht gebaut werden, sehen wir uns nach alternativen Standorten um.

Doris: Das wurde nie angedacht, allein schon aus dem Grund, weil das der repräsentativste Ort überhaupt ist. Wer möchte an so einem Traumort, in einem Barockgarten, nah am Stadtzentrum nicht sein Gebäude hinstellen? Der Augarten wäre in fünf Minuten vollgebaut, wenn man das dürfte. Die Wiener Sängerknaben wünschten sich ihren Konzertsaal an dieser Stelle in unmittelbarer Nähe ihrer Schule. Außerdem wollte der Sponsor gerne an diesem Ort bauen, um sich offensichtlich ein Denkmal zu setzen, weil es natürlich edler ist als beispielsweise am ehemaligen Nordbahnhofgelände, das als Alternativstandort an sich ideal gewesen wäre.

Frage: Kanntest du die Initiator_innen wie zum Beispiel Raja Schwahn-Reichmann («Josephinisches Erlustigungskomitee») oder Eva Hottenroth («Freunde des Augartens») schon vorher oder hast du sie erst dort kennengelernt?

Doris: Wenn ich Raja Schwahn-Reichmann nicht vorher schon gekannt hätte, wäre ich gar nicht auf die Idee gekommen, dort zu filmen. Sie ist Malerin und gelernte Restauratorin, wir haben ähnliche Interessen und Sichtweisen. Mich hat ihre barocke Malerei fasziniert, ihr Enthusiasmus, mit dem sie Feste veranstaltet und dazu aufruft, das Leben zu genießen und auch auf öffentlichen Plätzen zu feiern, sie zu teilen und zu gestalten. Sie wollte diesen Ort, den sie seit Kindheit kennt, mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln verteidigen; und das ist nun einmal die Malerei.

Mich hat es außerdem interessiert, wie man anders Widerstand leisten kann als es üblich ist, ohne die negativen Sprüche, ohne dieses Aggressive, das von den Medien immer gleich als Gewaltbereitschaft dargestellt wird. Mir fiel auf: Alles, was als lustvoll und vor allem als lustig wahrgenommen wird, kommt an. Was mir auch sehr getaugt hat, war, dass aus allen Bevölkerungsschichten und Kulturen Leute kamen. Vom Punk bis zum bürgerlichen Arzt, Kreative, Künstler, Obdachlose… es waren alle Arten von Leuten.

Frage: Dein Film möchte nicht nur die Proteste gegen den Konzertsaal-Bau dokumentieren, sondern auch ein Beispiel für Widerstand vorstellen und anregen selbst kreativ widerständig zu werden.

Doris: Ein Hauptthema des Films ist, wie wichtig es ist, öffentliche Freiräume für alle zu bewahren und dass es völlig inakzeptabel ist, dass immer mehr Immobilien an Privatleute verschachert werden. Das passiert ja leider weltweit. Das ist ein schrulliges Wiener Beispiel eines kreativen Protestes, das für die ganze Welt gelten soll, kann, darf. Es würde mich irrsinnig freuen, wenn sich etwa jemand aus Brasilien den Film anschaut und dort geht es vielleicht um einen Staudamm, es sind aber ähnliche Mechanismen am Werk und der_die Zuseher_in erkennt die Parallelen und sagt: Bei uns ist das ähnlich, es fühlt sich niemand zuständig, die Wirtschaftsleute müssen nur mit den Geldbündeln wackeln und schon parieren die Entscheidungsträger und sagen ja und amen zu allem. Da geht es gleichermaßen um Natur- wie um Denkmalschutz.

Die Bevölkerung protestiert einmal mehr, einmal weniger und es wird drübergefahren über die Bedürfnisse der Menschen zu Gunsten einiger mächtiger, von der Wirtschaftsdiktatur ausgesuchten, Menschen.

Frage: Letztlich konnte sich die Augarten-Protestbewegung leider nicht durchsetzen.

Doris: Immerhin wurde das Pförtnerhäuschen nicht zur Gänze abgerissen. Aber auch ganz allgemein war es nicht nur ein Verlieren. Das sagt auch Eva Hottenroth zum Schluss des Films:«Ich habe viel gewonnen und ich habe einen schönen Ort verloren.» Ich habe viel gewonnen heißt: Ich glaube schon, dass diese Erfahrung in den Menschen weiterlebt und dass es sehr wohl Auswirkungen hat auf das, was kommt. Es war nicht umsonst. – Das würde ich auf jeden Fall unterschreiben.

Infos:

Widerstand im Barockgewandt

Dem Volk zur «Erlustigung» widmete Kaiser Joseph II. den Augarten als er den Park im heutigen 2. Bezirk für die Allgemeinheit öffnen ließ. Inspiriert von der Epoche aus der der Augarten stammt – dem Barock – und bezugnehmend auf die Widmung des Reformkaisers kreierte das «Josephinische Erlustigungskomitee» um die Malerin Raja Schwahn-Reichmann spielerische und lustvolle Formen des Protests gegen den Bau einer Konzerthalle an diesem Ort. «Erlustigungsmärsche» in historischer Kostümierung statt schnöder Demos, feinsinnige Wortpielereien statt abgedroschener Parolen, Picknicks, Freiluftkonzerte, Tanz waren die Elemente dieses besonderen Widerstands. Doris Kittler, Filmemacherin, Fotografin und Autorin (u. a. für den Augustin) zeigt in ihrem Film die Vielfalt der Protestbewegung, in ihren verschiedenene Ausdrucksformen und mit ihren unterschiedlichen Protagonist_innen.

«Auf den Barockaden»

ab 3. Oktober im Kino

Im Anschluss an den Filmvorführung um 19 Uhr finden am 3.10. und 7.10. Diskussionen mit der Filmemacherin Doris Kittler, Aktivist_innen, Expert_innen und Vertreter_innen von Bürgerinitiativen statt. Filmhaus am Spittelberg, Spittelberggasse 3, 1070 Wien

Film-Info und Termine auf www.auf-den-barockaden.at