Der Blog als das Raunen und Rauschen, das den Augustin-Journalismus begleitetAllgemein

Zur Wiedergabe des Gesprächs, das wir am 18. März mit Udo Fischer, dem Pfarrer von Paudorf, führten, und für eine ausreichende Menge an Hintergrundinformationen zur Legitimationskrise, in die Teile der österreichischen Kirchenführung stürzten, hätten wir eine halbe Augustinausgabe benötigt. Die Folge wäre aber vielleicht eine Legitimationskrise des Augustin gewesen. Denn vom Augustin erwarten sich dessen LeserInnen in der Regel nicht, dass er sich die Köpfe einer rapid an gesellschaftlichem Einfluss verlierenden religiösen Gemeinschaft zerbricht.Die Probleme des Katholizismus, dessen Führung jede Hoffnung auf Tauwetter zunichte macht, seien nicht die Probleme des Augustin, könnte eingewandt werden. Der Einwand stimmt. Es reicht, dass die Ausgabe Nr. 199 des Augustin auf zwei Seiten einen Menschen porträtierte, der vom langen Atem des Antiautoritären beseelt ist und als populärer Rebell eine Einheit von realen Überlegungen, praktischen Handlungen, vorweggenommenen Utopien, unverbissener und unmissionarischer Zielstrebigkeit, eine Einheit von Voreiter- und Bahnbrechertum einerseits, Leutseligkeit und Umgänglichkeit andrerseits vorlebt. Solche Vorbilder sind an sich schon Augustin-Thema, im Falle Udo Fischers kam unser journalistisches Interesse dazu, gegen den Strich zu arbeiten. Österreichs Medien hatten ja den Pfarrer von Paudorf, solange er d e r Gegenspieler von Kardinal Groer und Bischof Krenn war, heroisiert, während sie nach dem Abgang des ultrakonservativen St. Pöltner Bischofs die wieder erlangte Normalität von Pater Udos kirchlichem und weltlichem Engagement zum Teil nicht einmal ignorierten.

Verglichen mit der Themenvielfalt des Gesprächs mit dem Pfarrer, die von dem unglaublichen Facettenreichtum der Pfarrseelsorge determiniert war, wie Udo sie versteht, musste der Augustin-Beitrag sparsam an Informationen sein. Die Funktion dieses Blogs besteht ja auch darin, jenes informative Material, das im Prozess der rationellen und auf Kürze bedachten journalistischen Arbeit überschüssig zu werden droht, nicht zu entwerten (wahr ist aber auch, dass nicht jedes Material die gleiche Aufmerksamkeit verdient; wenn es im Blog dennoch geschieht, entsteht Geschwätzigkeit; dass ein Blog geschwätziger als Journalismus sein darf, ist allerdings ebenfalls wahr).

Erinnerung an die Eigenkirchen

Die seltsame, wiewohl historisch fundierte Beziehung zwischen Stift und Diözese blieb im Printmedium-Beitrag über Udo Fischer unterbelichtet. Udo Fischer hatte das für Außenstehende rätselhafte Faktum, dass er ganz korrekt Pfarrer von Paudorf bleiben konnte, obwohl er von Kurt Krenn, dem Oberhirten der Diözese St. Pölten, suspendiert worden war, den Resten des Eigenkirchenwesens zu verdanken. Eigenkirchen waren Gotteshäuser, die von mittelalterlichen weltlichen oder geistlichen Grundherren auf ihrem Territorium errichtet wurden. Wer dort Pfarrer wurde, bestimmte der Grundherr. Der territorial zuständige Bischof hatte da nichts zu sagen. Dem Stift Göttweig gehören 30 Pfarren an, die man als modifizierte und wie durch ein Wunder erhalten gebliebene Eigenkirchen bezeichnen könnte. Offiziell werden sie inkorporierte Pfarren genannt. Wie durch ein Wunder deshalb, weil es der vertikal ausgerichteten Machtsstruktur Papst, Kardinal, Bischof nicht zur Gänze gelang, die strukturfeindliche Autonomie der Stifte bzw. ihrer Äbte auszumerzen. Im Konflikt Krenn-Fischer konnte der Abt von Göttweig, Clemens Lashofer, seine Autonomie benutzen, um die von Krenn betriebene Absetzung des unbequemen Pfarrers zu sabotieren. Lashofers Trick bestand darin, Udo Fischer als seinen Nachfolger als Stifts-Oberhirten vorzuschlagen. Adressat des Vorschlags war der Bischof der jedoch nie auf dieses Göttweiger Anliegen reagierte. Die relative Autonomie der Stifte und Klöster, materiell abgesichert durch meist umfangreiches Grundeigentum, mag vielen anachronistisch und absurd erscheinen; der Pfarrer von Paudorf sieht jedoch in dem Umstand, dass die Äbte im Lauf der Jahrhunderte eine gewisse Unabhängigkeit gegenüber den Bischöfen bewahren konnten, einen Ansatz zur Demokratisierung der Gesamtkirche. Pfarrer, die sich was trauen (die von Udo Fischer und Helmut Schüller gegründete Pfarrerinitiative soll ihnen helfen, Mut zu fassen), PfarrgemeinderätInnen, die sich was trauen, und die Leiter von Stiften und Klöstern, die sich was trauen, könnten vieles bewirken, sagte der Paudorfer Geistliche im Augustin-Gespräch. Doch er wirkte nicht sehr zuversichtlich bezüglich der Bereitschaft dieser Gruppen zu Mut und Innovation. Dass das Stift Göttweig heute alles andere als ein Laboratorium kirchlicher Demokratie ist, signalisiert die Peinlichkeit des interaktiven Teils seiner Internetpräsenz

Exkurs in das virtuelle Stift Göttweig

Der Internetauftritt des Göttweiger Stiftes – www.stiftgoettweig.or.at – ist bei Gott klösterlich, wenn man die lächerlichere Bedeutung dieses Attributs im Sinn hat. Auf der Suche nach einem Diskussionsforum finden wir die Botschaft: Leider müssen wir dieses Gästebuch bis auf weiteres wegen extremen Spambefall sperren. Wir danken allen für die bisherigen Mitteilungen. Die jüngste dieser bisherigen Mitteilungen stammt aus dem April 2006, ein ganzes Jahr lang ist den frommen Internetaktivisten kein Mittel gegen Spam eingefallen. Die unter Bischof Krenn eskalierten Widersprüche und Reibereien zwischen dem Stift und der Diözese St. Pölten (zusätzlich pikant durch den Umstand, dass die Pfarre Paudorf, Amtsitz des Krenn-Hauptantagonisten Pater Udo Fischer, zu den 30 stiftseigenen Pfarren zählt) gäben ausreichend Material für eine aufregende online-Diskussion. Theoretisch zumindest. In der Praxis würde das Gästebuch wahrscheinlich ähnlich kontroversefrei gehalten wie es bis zum April 2006 der Fall war. Die bisherigen Mitteilungen sind durch die Bank harmloser als der Papst erlaubt. Drei Beispiele genügen, um die Risikobereitschaft der stiftlichen Öffentlichkeitsarbeit zu dokumentieren.

Kommentar A: Ich werde morgen (Ostermontag) um 10.00 Uhr die Messe im Stift Göttweig besuchen und habe mich daher auf Ihrer HP informiert (Gratulation an den Webmaster. Sehr umfangreich!). Leider war mein Besuch heute nicht möglich, obwohl ich ein großer Fan von Kirchenmusik bin und das heutige Hochamt sehr gerne mitgefeiert hätte. Viele Grüße aus Ybbs. Josefa Oberaigner.

Kommentar B: Mit einer Wandergruppe (BRD + CH) aus Dürnstein waren wir am Montag, 10.10.2005 zu einer Besichtigung im Stift. Wir wurden durch den Kaisersaal geführt. Die Führung übernahm ein Mönch von Ihnen, es wurden uns detaillierte Erklärungen übermittelt. Von diesem Erlebnis waren wir noch lange hinterher fasziniert. Ich möchte mich nochmals recht herzlich dafür bedanken. Peter Narten.

Kommentar C: Bei einem Besuch am gestrigen Samstag konnten wir das wunderschöne Stift bewundern. Ein erfreuliches Erlebnis war auch der Besuch des Restaurants. Nachdem ein kleines Missgeschick passiert war und wir eine kleine Weile auf unser Essen am Abend warten mussten, entschuldigte sich der Küchenchef mit einem Gratis-Dessert. Eine nette kleine Geste, die man nie vergisst. Hermann & Maria.

Stiftsgut zweckwidrig verwendet?

Wer diese knappe Posting-Auswahl liest, kennt den Charakter des Gästebuchs der Homepage des Stiftes Göttweig. Dass das jüngste Posting vor einem Jahr in das Netz gestellt wurde, liegt nicht am allgemeinen Informationsrückstau auf der Website. Im Gegenteil, andere Rubriken sind mehr als up to date. So erfahren die Motorradfreaks, dass Göttweig am 20. Mai 2007 einmal mehr einen Ausritt wert ist. An diesem Tag nämlich findet ab 10 Uhr vormittags das legendäre Biker-Treffen mit Sonntagsmesse und Motorradsegnung statt. Bei dieser Gelegenheit: Der Termin ist Geheimtipp für alle LiebhaberInnen anachronistischer Situationen und irrealer Realitäten; für alle HobbyforscherInnen, die in der Mitte des zeitgenössischen und europäischen Christentums nach religiösen und liturgischen Skurrilitäten suchen, die es vermeintlich nur in nichtabendländischen Kulturen (nota bene vor allem in den islamischen) gibt. In vielerlei Hinsicht ist die Stifts-Website aktueller als die des Augustin. Schon heute erfahren die LeserInnen, dass für das Göttweiger Adventsingen am 8. und 9. Dezember 2007 Vorreservierungen ratsam sind, nicht aber für den Besuch des traditionellen weihnachtlichen Turmblasens im Stifthof, das am 24. Dezember 2007 um 21.30 Uhr beginnt.

Zurück zu den zitierten Einträgen in das Gästebuch. Hermann & Maria bedankten sich für das happy end im Stiftsrestaurant nach dem langen Warten aufs (metaphorische oder reale) Schnitzel. Das Stiftsrestaurant sollte tatsächlich zur Debatte gestellt werden. Aber nicht das langsame Schnitzel ist das Problem, sondern die Tatsache, dass ein großer Teil der Stifteinnahmen in die Renovierung des Restaurants geflossen ist. Für Udo Fischer kommt das einer zweckwidrigen Verwendung von Stiftsgut nahe. Was das Stift durch die Vermarktung des Göttweiger Weins, durch die Verwertung des Waldbesitzes oder durch die Arrangements mit dem Steinbruchunternehmen Asamer erwirtschafte, müsse doch vor allem den Pfarren, die dem Stift angegliedert sind (neben Paudorf 29 weitere) zugute kommen.

Disput über den Reichtum der Kirche

Einwand des Augustin: Aus der Sicht einer urchristlichen Kultur der Askese und der Mittellosigkeit sei eher der Reichtum des Stiftes ein Problem als die fragwürdige Verteilung dieses Reichtums. Pater Udo antwortet: Das reiche Stift sei ein falsches Bild. Gerade Stift Göttweig tue sich schwer mit der Eigenfinanzierung der Stiftsangelegenheiten. Er möchte nicht der Wirtschaftsleiter des Stiftes sein. Wir erwidern: Dem Wirtschaftsleiter müsste man nicht nur die Frage stellen, warum ein modernisiertes Restaurant mit heiligen Euros finanziert werden muss, sondern auch die nach der Sinnhaftigkeit neuer Kirchenbauten in Zeiten des Gläubigen- und Pfarrerschwunds. Udo Fischer: Wo man neue Kirchen braucht, ist auch der Neubau sinnvoll. Paudorfs neue Kirche sei 1990 eingeweiht worden, nachdem die alte Kirche, eigentlich eine Kapelle, der Lebendigkeit der Pfarrgemeinde des Paudorfer Typs nicht mehr gewachsen war (Augustin Nr. 200 berichtet von der Fusion von Liturgie und Revolte, von Gottesdienst und Bürgerinitiative, also von einem intervenierenden, politisierten, den Alltagsproblemen zugewandten Katholizismus, der eine Agora braucht, selbstverständlich einen größeren Raum als der Katholizismus der Kontemplation). Udo Fischer vermittelt uns den Eindruck, dass der aus alter Kapelle, neuer Kirche und Pfarrgebäude bestehende Gesamtkomplex nicht Protzerei ist, sondern von einem bestehenden Netzwerk hilfsbereiter Menschen für gute Zwecke rasch in Besitz genommen worden sei. So seien die räumlichen Voraussetzungen geschaffen worden, um die in Kooperation mit der Lebenshilfe eingerichtete Behindertenwerkstätte von 7 auf 15 Plätze für Betroffene zu verdoppeln.

Er habe keine Probleme mit profitablen Stifts-Wirtschaften, sagt Udo Fischer. Ich wünschte, unser Stift wäre so reich wie das Stift Klosterneuburg. Mit 250.000 Euro jährlich unterstützt Klosterneuburg die Straßenkinder-Aktion des österreichischen Jesuitenpfarrers Georg Sporschill in Rumänien, Moldawien und der Ukraine. Im Rahmen dieses Projekts werden derzeit tausend ehemalige Straßenkinder betreut. Die laufenden Lebenshaltungskosten für ein Zehntel der Kinder und Jugendlichen trägt das Stift Klosterneuburg. Seine Unterstützungsinitiative hat im Februar dieses Jahres die Zwei-Millionen-Marke überschritten. Wenn die reiche Kirche solche Dinge ermögliche, wünsche er sich auch das Stift Göttweig als Teil der reichen Kirche.

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