Ein schmales Œuvre mit großer Wucht: Guy-Debord-Werkschau im Filmmuseum
«Die Revolution ist aufs Neue zu erfinden, das ist alles!», lautete der Leitspruch der «Situationistischen Internationale» (SI), die mit künstlerisch-experimentellen Mitteln, insbesondere mit Elementen der Werbung, auf den Plan getreten ist, den aufblühenden Nachkriegskapitalismus aus den Angeln des Alltags zu heben. Die SI wurde 1957 von einem gewissen Guy Debord mitgegründet und agierte, besser noch agitierte bis zur Selbstauflösung 1972.
Filmstill: Guy Debord, 1959, Filmmuseum
Debord sah sich als Filmemacher, ein ziemlich goscherter noch dazu, der nicht davor zurückschreckte, sich auch mit den avancierten (und kritischen) Vertreter_innen der Nouvelle Vague, allen voran Jean-Luc Godard, anzulegen, denn sie würden, so der Vorwurf, aus freien Stücken beim kapitalistischen Spektakel mitspielen. – Doch das Spektakel schlägt bekanntlich immer zurück: Guy Debord, der 1994 von einer schweren Krankheit gezeichnet den Freitod wählte, wurde posthum, zumindest in Frankreich, zum Star.
Das österreichische Filmmuseum zeigt bis zum 11. Februar Debords Gesamtwerk, ein schmales Œuvre mit je drei Kurz- und Langfilmen und einem Fernsehfilm. Die Arbeiten des Aushängeschildes der SI gelten als irritierend und fordernd, so verwendete Debord beispielsweise für «Hurlements en faveur de Sade (Geheul für de Sade)» nur Schwarz- und Blankfilm und legte fünf Stimmen darüber, und das im Jahr 1952. – Das Publikum sorgte für einen Abbruch der Uraufführung.
Alexander Horwath, Direktor des Filmmuseums, gab anlässlich dieser Retrospektive auf FM4 preis: «Nach ein paar Wochen der Beschäftigung mit Debords Filmen und Schriften war es für mich nicht mehr möglich, Nachrichtensendungen wie ‹Zeit im Bild› oder die ‹Tagesschau› im ARD zu schauen, ohne dabei zu kotzen – im buchstäblichen Sinne: Man speibt sich an, wenn man unser jetziges, normales, alltägliches, scheinbar vollkommen unschuldiges, unproblematisches Montieren von Bildern und Tönen und Sätzen und Blabla […] sieht. Man speibt sich an, weil man merkt, schon vor 50, 55 Jahren hat jemand […] ganz genau benannt, was hier abläuft. Heute ist das eine Normalität, die in einem Ausmaß zementiert ist, die sich Debord wahrscheinlich überhaupt nicht vorstellen hätte können. Da gruselt’s einem und rinnt’s einem kalt über den Rücken!»