Jeder kennt sie, die Clowns aus dem Zirkus, die mit roten Nasen und großen Schuhen durch die Manege stolpern. Wie steht es mit der Clownerie abseits vom Zirkuszelt? Markus Schauta und Alexander Gotter haben ihr Glück in der Arena Bar versucht.
«Ein Clown muss traurig sein», antwortet Rene Thaller auf die Frage, was einen guten Clown ausmache. «Er ist traurig, damit die Leute lachen.» Im Spiegel eines Hinterzimmers der Arena Bar verwandelt sich Thallers Gesicht in das eines Clowns. Die Schminke trägt er mit einem Pinsel auf; Mund und Augen weiß gerahmt und schwarz akzentuiert, die Lippen rot. Dann noch die rote Clownsnase. Nach fünfzehn Minuten ist die Verwandlung abgeschlossen. «Auf der Bühne bin ich ein anderer Mensch», sagt der 62-Jährige.
Mit oder ohne Publikum.
Auf der Bühne gibt Thaller den Clown Bobo. Auf den knarzenden Brettern übt er jetzt für die bevorstehende Show, jongliert Keulen und Bälle. Sechzig Jahre ist das Varieté-Theater Arena Bar in Wien Margareten bereits in Betrieb. Umgebaut wurde nichts, der abgewetzte Samtbezug der Sitzbänke und der Geruch nach alten Möbeln verleihen dem Etablissement seinen eigenen Charme. Dazu gehört auch, dass das Bühnenlicht einmal ausfällt. Thaller, der Clown-Darsteller, wird dann zu Thaller, dem Techniker.
Kurz vor acht Uhr öffnet er die Tür zum Barraum und streckt den Kopf hinaus. Aus den Boxen über der verwaisten Bar klingt das Lied I Never Promised You a Rose Garden. «In unserem Geschäft ist das so», sagt Thaller. Mit Abenden wie diesen müsse man rechnen. Dann übt er weiter, vielleicht kommt ja doch noch ein Zuschauer. Und falls nicht, dann sicher beim nächsten Auftritt in einer Woche.
Vom Zelt auf die Leinwand.
Thaller ist ein Clown der alten Schule. Mit sechs Jahren kam er über seine Tante zum Zirkus. Dreißig Jahre lang trat er in unterschiedlichen Zirkuszelten auf, zunächst Bodenakrobatik, dann am Flugtrapez. «Im Zirkus lernst du vom Kaffeekochen bis zur Technik alles», sagt Thaller. Jeder müsse überall anpacken. Vor allem der Auf- und Abbau des Zeltes sei harte Arbeit.
Doch die Zeiten änderten sich. Der Zirkus verlor an Attraktivität, einige sperrten zu, andere wurden verkauft. Thaller heuerte als Tänzer beim Theater an der Wien an und tingelte mit einer Theatergruppe durch Deutschland. Vor zehn Jahren war dann Schluss, weil es mit Tanz und Akrobatik nicht mehr so klappt. «Das Alter ist schon da», so Thaller. Also begann er mit der Clownerie. Die rote Nase und das bunte Gewand zählen seitdem zu seinen Requisiten.
Doch schon lange bevor das Zirkussterben einsetzte, war der Clown aus der Manege ausgebrochen. Charlie Chaplin mit übergroßen Hosen und Schuhen und Buster Keaton mit seinem flachen Filzhut brachten die Clownerie auf die Leinwand. Viele der heutigen Clowndarsteller_innen verzichten auf markantes Make-up, bunte Perücken und rote Nasen. Einer der bekanntesten ist der US-Amerikaner Jango Edwards, der bereits in den 70ern den Clown vom Image der roten Nase und den zu großen Schuhen befreien wollte. Seine Clownerien spielen auf der Straße, im Theater und TV: In Österreich hatte Edwards 1994 einen Gastauftritt in der Serie Tohuwabohu.
Clownerie als Kulturgut.
Was verbindet den Zirkusclown, Charlie Chaplin und Jango Edwards? «Clown-Sein ist eine schöne Art, die Welt zu betrachten», meint Isabel Blumenschein, die seit fünfzehn Jahren als Clownin auftritt. «Der Clown scheitert oft, gibt aber nicht auf, sucht stattdessen nach Lösungen und überschreitet dabei Grenzen und Tabus.»
Blumenschein hat an einem Donnerstag im Oktober ihren ersten Auftritt in der Arena Bar. In der Umkleide verwandelt sie sich in Chabela Poderosa – Isabel die Mächtige. Ein Name, den man ihr in Mexiko gab, wo sie in einer Straßenshow gespielt hat. Die Schminke trägt sie dezent auf, ein bisschen Rot auf die Wangen, Weiß um Augen und Mund. «In Österreich ist die Clownerie nicht als Kulturgut etabliert», sagt Blumenschein. Es gibt keine Clown-Schulen oder -Akademien wie in Frankreich, Deutschland, Italien oder den Niederlanden. «Österreich ist kein Land, in dem Leute zu Clown-Shows gehen», sagt sie und zieht sich eine schwarze Perücke über. Kündige man das Programm als Kabarett oder Comedy-Show an, verkaufe es sich besser.
Als Clownin muss Blumenschein daher flexibel und reisewillig sein. Sie tritt bei Straßen- und Kindertheatern auf, als Underground-Wrestlerin (siehe Reportage im AUGUSTIN Nr. 477: Chabela, die Königin vom Kella), im Theater Olé und anderen Varieté-Theatern wie der Arena Bar. Immer wieder fährt sie ins Ausland. Mit «Clowns ohne Grenzen» war sie zwei Mal in Panama, auf Sizilien und diesen Sommer in Ecuador, wo sie in Altersheimen, Spitälern und Frauenhäusern aufgetreten ist.
Stolpern und wieder aufstehen.
Wenn Rene Thaller – der klassische Zirkusclown – und Isabel Blumenschein – die moderne Clownin – auf der Bühne in der Arena Bar stehen, unterscheiden sie sich in ihrem Outfit, im Herangehen ans Publikum, in den Geschichten, die sie erzählen. Gemeinsam ist ihnen die Lebenseinstellung, die sie durch ihre Clown-Figuren vermitteln. Bobo wie auch Chabela probieren Dinge aus, stolpern, fallen hin und machen trotzdem weiter. Mit einem Lächeln im Gesicht – etwas, das wir von den Clowns lernen können.
Clowns in Wien
Wer sich für Clownerie interessiert, findet in Wien eine kleine, aber feine Szene. In der Arena Bar im fünften Bezirk treten neben Rene Thaller und Isabel Blumenschein regelmäßig die Clowninnen Martha Laschkolnig (alias Martha Labil) und Silvia Spechtenhauser (alias Brigitte) auf. Salon Sardine spielt einmal im Monat an unterschiedlichen Orten in Wien und zeigt Clowneskes, Zirkus und komische Künste. Im Circus- und Clownmuseum im zweiten Bezirk sind die Fools Brothers regelmäßig auf der Bühne zu sehen. Immer einen Besuch wert ist das Theater Olé im dritten Bezirk, das viel Raum für Humor und Verrücktheit bietet.