Raus aus dem Winterschlaf, ihr Menschen und Tiere!
Ich sitze gerade auf der Terrasse in der Sonne, bei einem Kaffee und einer kleinen Nachmittagsjause, auch die Zigarette fehlt nicht. Es ist so Februar, März. Ich denke mir, ich habe genug geruht im Winter, die Tage waren kurz, es war kalt, und ich war schlapp, fast ein bisschen depressiv. Ich beginne, Pläne für das heurige Jahr zu schmieden … zum Feldenkrais-Training gehen, da mache ich mit. Vielleicht geht sich einmal die Woche pro mente aus, am besten Donnerstag, denn da geht die Gruppe immer gemeinsam ins Gasthaus essen und macht Ausflüge. Mehr Freunde will ich treffen, und endlich raus aus der Isolation, denn die Kontakte sind im tiefen Winter etwas eingeschlafen. Vielleicht geh ich auch mal auf eine Queer-Party in Wien. Und die Augustin-Redaktion will ich heuer mal besuchen … kurz: Ich will aus dem Winterschlaf erwachen. Apropos: So geht es nicht nur mir, sondern auch meinen Mitbewohnern dieser Welt, den Tieren … Viele Tiere haben wie ich Winterschlaf gehalten, zum Beispiel Igel, Siebenschläfer, Haselmäuse, Fledermäuse oder sogar der Bär. Sie haben, als es kalt war, tief und fest geschlafen, sind zwischendrin mal kurz aufgewacht – um ihre Liegeposition zu ändern und Darm und Blase zu entleeren, haben nichts gefressen, sondern sich von ihrem über den Sommer angefressenen Fettpolster ernährt. Energie haben sie gespart, durch langsamere Atmung, langsameren Herzschlag und Stoffwechsel, und ihre Körpertemperatur sank. Falls sie durch eine Störung in dieser Zeit häufig erwachten, gingen ihre Fettreserven zur Neige und sie haben ihre Reserven noch vor Frühlingseinbruch verbraucht. Dann sind sie verhungert … die Frösche sind in Erdlöchern oder die Fische sind im Wasser in Winterstarre gewesen. Und auch manche Vögel finden im Winter kein Futter bei uns. Sie fliegen dann in wärmere Länder im Süden, die Zugvögel. Störche, Kraniche, Schwalben und Stare und andere gehören zu den Zugvögeln und kommen jetzt im Frühling wieder.
Jetzt gibt die Sonne Energie und Wärme, und so erwacht wieder alles um uns herum. Es tut sich also etwas, bei uns Menschen und in der uns umgebenden Natur. Ich hoffe, auch die Obdachlosen haben den Winter gut überstanden, und der eine oder andere ist vielleicht in die Notschlafstelle und in die Gruft gegangen, um sich anzuwärmen und Energie zu sammeln … so wie es mir früher auch erging, das kenne ich aus eigener Erfahrung. Ich war einen Winter lang in der Barnabitengasse in der Gruft und über das Wohnungslosenservice P7 auch mal in den Notschlafstellen wohnhaft … Sie retteten mir das Leben gegen die Kälte draußen, mein Winternest. Leider verschlief ich einmal in der Notschlafstelle und ich bekam eine Strafe. Ich durfte nicht mehr so schnell hinein ins Warme. Die Regeln sind sehr streng. Es wurde aber, wie jetzt, Frühling und Sommer, und so überlebte ich, teils im Freien. Die Sonne wärmte auch mich, und der Himmel war mein Dach über dem Kopf. Ein Leben wie die Tiere? Existenzdruck verbindet. Und eines Winters war es überhaupt so kalt, dass ich mich entschied, gleich zur Mama nach Kärnten heimzufahren. Hier picke ich jetzt seit ein paar Jahren im Wohlstand, in der «Wärme» herum, wir haben Haus mit Garten und Auto, Komfort. Und schmiede irgendwelche Pläne. So spannend wie früher ist es nicht mehr … das abenteuerliche Leben einer jungen Wohnungslosen … aber einmal muss man ja ruhen. Heuer im deprimierenden Winterschlaf. Fast wie die Tiere, und wenn ich so um mich gucke, erwacht jetzt im März langsam wieder das Leben, Mensch und Tier, die Aktivität, und – auch das Straßenleben wird wieder bunter. Wahre Wärme.