Klaus Pichlers Esoterikfotografie will change your life forever
Energieknöpfe, Fernheilungen und reflektierende Feen: In seinem neuen
Fotoprojekt «This Will Change Your Life Forever» widmet Klaus Pichler sich Produkten und Phänomenen jenseits der Aufklärung. Lisa Bolyos durfte in seiner esoterischen Schatzkiste wühlen und war begeistert, darin Tachyonenenergieantennen, lesbische Liebesketten und sogar ein Mittelchen gegen die Polizei zu finden.
Foto: Klaus Pichler (blaues Wässerchen gegen die Polizei)
Was leistet der Energieknopf?
Er wird damit beworben, dass er Umkehrosmose betreibt und Tachyonenenergie ausstrahlt. Tachyonen sind hypothetische Teilchen in der Quantenphysik – das heißt, sie sind weder bewiesen noch unbewiesen. Die Esoterik nimmt gern wissenschaftliche Begriffe und verwendet sie vollkommen anders.
Seit wann interessiert dich Esoterik?
Zwei Freunde von mir sind in der klassisch vorgezogenen Midlifecrisis zur Esoterik gekommen und haben beide binnen einem halben Jahr ihr ganzes Vorleben über den Haufen geworfen. Ich war zugleich interessiert und zornig, habe zu recherchieren begonnen und beschlossen, daraus ein Projekt zu machen. Es ist mir sehr wichtig, dass man Menschen Spiritualität zugesteht, aber wenn man eine Alternativwahrheit aufbaut und daraus Geschäfte macht, ist für mich die Grenze erreicht.
Chemtrails und Echsen sind einfache Erklärungsmodelle, wenn man von den realen politischen Machtverhältnissen überfordert ist. Einhornpasten und Energieknöpfe haben eine ganz andere Funktion.
Sowohl Verschwörungstheorie als auch Esoterik bieten vereinfachte Wahrheitsmodelle an, weil man die Welt nicht zur Gänze versteht. Im Unterschied zur Verschwörungstheorie wurde die Esoterik zu einer riesigen Industrie, in der es um Selbstoptimierung geht. Der Mensch kann eine große Bandbreite an Problemen haben, und gegen jedes Problem gibt es ein Produkt – von ganz pragmatisch bis völlig irrational: Ich habe ein Problem mit der Selbstverwirklichung, dann hole ich mir die Hilfe der Einhörner. Oder: Wie lästig ist ein Auffahrunfall! Kann man nichts dafür, tuscht einem hinten wer rein – also wird man nachhelfen mithilfe des Feng-Shui-Abstandshalters. Prinzipiell super. Wer hasst es nicht, zum Zahnarzt zu gehen? Wenn ich die Zahnpasta energetisieren kann, sodass die Plomben ausfallen und die Zähne nachwachsen, perfekt! Die Krux ist nur, es hilft nix.
Auf wen ist der Markt der Esoterikmessen und der Online-Foren abgestimmt?
Anbieter und Konsumenten treffen sich auf Augenhöhe. Auf Esoterikmessen gibt es alles von Kartenlegern, die nicht zu den Reichsten gehören, bis zu managementgeschulten, aalglatten Neoschamanen. Es gibt im Prinzip für jede Bildungsschicht etwas. Selbst in den Entspannungslounges von großen deutschen Banken stehen Farbduschen! Dazu gibt es vielleicht eine bezahlte Diplomarbeit an der Uni, und fertig ist der Zauber.
Es gibt Wissenschaft, die Belege liefert?
Ja, aber keine seriöse Wissenschaft. Wenn bei einer einzigen Studie was rauskommen würde, wäre das ein Meilenstein in der Esoterik. Über Homöopathie gibt es 161 randomisierte Doppelblindstudien, und keine einzige belegt eine Wirkung über dem Placeboeffekt.
Wieso kaufen Leute Plastikketten und vertrauen darauf, dass ihnen dadurch die Liebe ihrer Traumfrau zuteilwird?
Im Marketing der Produkte spielt die kognitive Dissonanz eine Rolle. Ein Bergkristall wird nicht als Bergkristall verkauft, sondern als Energieantenne. Die kognitive Dissonanz führt dazu, dass die Psyche die Geschichte, in die das Produkt verpackt ist und die mit seinem realen Wert nicht in Einklang zu bringen ist, so fertigerzählt, dass sie die Lücke zum Gebrauchswert schließt. Dadurch rechtfertigt sich der hohe Preis.
Ein normales kapitalistisches Prinzip, oder?
Normales emotionales Marketing, aber übersteigert. Die Produkte können nichts von dem, wofür sie angepriesen werden: Das ist ein Holzdübel vom Baumarkt! Und keine Tachyonenenergieantenne.
Am meisten fasziniert mich das blaue Wässerchen gegen die Polizei (siehe Foto), weil man es – anders als Traubenzucker gegen Chemtrails – recht leicht testen könnte. Was hat es dir besonders angetan?
Die Fernheilung! Ich habe selber ein paar billigere Fernheilungen gemacht, zwischen 20 und 40 Euro. Man kriegt nach Kaufabschluss ein Mail vom Anbieter, macht einen Zeitpunkt für die Fernheilung aus und kriegt dann 20 Minuten reine Engelenergie geschickt, aus Deutschland. Danach kommt noch ein Zertifikat per Mail. Wenn man sich auf Ebay die Anbieterprofile durchschaut, haben die oft bis zu 10.000 positive Bewertungen. Kein schlechtes Geschäft.
Das Ganze weist auf ein Manko hin: Die Schulmedizin bietet keine ausreichende Betreuung, die Leute wenden sich anderen Heilsversprechen zu.
Klar, es ist ein Dilemma, dass man teils in Windeseile Medikamente verschrieben bekommt, während die «Alternativmedizin» den Leuten Zeit und Aufmerksamkeit gibt. Fühlt man sich ernst genommen, ist man auch bereit zu zahlen.
Ernst genommen zu werden ist gesund. Warum sollte man das nicht wollen?
Im Prinzip geht es um Aufmerksamkeit und Wertschätzung jedem Einzelnen und gerade Leuten gegenüber, die in psychischen Krisen stecken. Es geht niemand her und sagt, mir geht’s so gut, mein Leben ist komplett, ich werde jetzt Esoteriker. Es gibt immer einen Grund, warum man empfänglich wird, dort muss man ansetzen. Ein frommer Wunsch, denn da müsste der Staat Geld reinbuttern, aber man würde den Leuten halt ihre Mündigkeit zurückgeben.
Wenn ich behaupte, ein Produkt hilft gegen Chemtrails, aber das stimmt gar nicht, ist das doch Betrug. Gibt es im Konsumentenschutz Gesetze gegen den Verkauf esoterischer Produkte?
Es muss zu jedem Produkt dazugeschrieben werden, dass es keine wissenschaftlich bewiesene Wirkung hat. In Deutschland ist das strenger, Österreich ist hintennach; die Energetiker sind sehr gut in der Wirtschaftskammer organisiert. Man kann am WIFI Kurse für Pranaheilung machen, eigentlich unglaublich.
Norbert Hofer hat mal eine parlamentarische Anfrage zu Chemtrails eingebracht.
Das ist Populismus. Ich glaube nicht, dass die FPÖ eine Pro-Chemtrail-Partei ist, sondern dass sie in Nischen fischt, die sonst niemand bedient.
Neben Produkten und Praktiken hast du auch esoterische Phänomene fotografisch dargestellt.
Ich habe analysiert, wie solche Bilder technisch zustande kommen, das ist watscheneinfach. Wenn man zum Beispiel auf den Filter der Kamera eine Creme aufträgt, gibt das ein Strahlen wie eine Aura. Oder: Um einen Lichtkristall zu bewerben, wird eine Belichtungsreihe – dunkel bis hell – graduell montiert, und drunter steht: «Sichtbare Wirkung des Lichtkristalls beim Vortrag von soundso.» Da tu ich mir als einer, der die fotografische Technik versteht, wirklich schwer, nicht teilweise miese Absicht zu unterstellen.
Für dich ist die Fotografie also eine Art Aufklärungsarbeit?
Ich will die Luft auslassen aus dem Ganzen. Meine Kritik ist ja nicht, dass jemand daran glaubt, sondern dass mit Glauben und Spiritualität Geld verdient wird. Da kann ich schwer zuschauen. Also sage ich, schaut her, die Fotos von euren Orbs und Elfen könnt ihr einfach nachmachen – das ist nämlich Physik: Lichtbeugung, Streuung, Überbelichtung, Langzeitbelichtung, Rauch auf die Linse blasen. Die Basistrickkiste von jedem Werbefotografen.
Dein letztes Buch, «Golden Days Before They End», haben wir im Augustin nicht vorgestellt, weil wir uns vor der Sozialpornografie gefürchtet haben. Das hast du anders gesehen.
Hinter so einem Vorwurf steckt, denke ich, auch Paternalismus: der Gedanke, dass man Leute vor sich selbst schützen muss. Das ist für mich anmaßend, weil man den Leuten ihren Stolz nimmt. Die Leute, die ich in den Beisln fotografiert habe, sind keine Opfer. Wenn wir jetzt vom Augustin ausgehen, sind die im Vergleich zu den Augustinverkäufern quasi High Society; die haben alle Gemeindewohnungen, und ihre Nummer-eins-Sündenböcke sind Obdachlose und Ausländer. Andererseits habe ich eure Entscheidung auch verstanden: Einen Empowerment-Ansatz, wie ihr in vertretet, gibt es in dem Buch nicht.
Du lebst vom Fotografieren. Wie kam’s?
Ich weiß es ganz ehrlich nicht. Und ich mag auch erst am Ende meiner Tage darüber nachdenken, weil ich das Gefühl hab’, ich entscheide intuitiv, was der nächste Schritt ist, und davon zehre ich seit zehn Jahren und bin superglücklich und motiviert. Expansionsstreben kenne ich nicht. Ich mag meine Projekte machen, interessante Aufträge kriegen, that’s it.
Und genug Geld haben.
Und genug Geld haben. Damit sich alles gut ausgeht.
Ausstellung: This Will Change Your Life Forever
Eröffnung: 6. April, 19 Uhr
Anzenberger Gallery,
10., Absberggasse 27
Das gleichnamige Buch
erscheint im Juni
www.kpic.at