«Der Gemeinnutz»vorstadt

Lokalmatador

Oliver Schreiber hat als Baudenkmalpfleger vom Südturm aus einen guten Überblick.
Text: Uwe Mauch, Foto: Mario Lang

Was für ein Ausblick! Oliver Schreiber schaut hinunter auf die Stadt und genießt dabei den 360-Grad-Panorama-Blick. 68 Meter ist er hoch, der erste Wolkenkratzer der Gemeinde Wien. Am Rande von Margareten steht er, in der Nähe des Matzleindsdorfer Platzes.
Der Denkmalschützer kennt die Genese des Südturms im Theodor-Körner-Hof: «Er wurde als ein Ausrufezeichen, als Fingerzeig der sozialdemokratischen Stadtregierung nach dem Zweiten Weltkrieg errichtet.» Heute genießt der Turm – wie 45 weitere Objekte des kommunalen Wohnbaus – besonderen Schutz.
Schreiber hat all diese Gemeindebauten aus nächster Nähe inspiziert, innen ebenso wie von außen. Der Fachmann war auch bei der Auswahl dieser «höchst schützenswerten Gebäude» federführend.

Seine Expertise.

Er ist einer von sieben Referent_innen in der Abteilung Wien im Bundesdenkmalamt. Diese ist heute Teil des Bundesministeriums für Kunst, Kultur, Öffentlicher Dienst und Sport. Ihr Fokus ist laut Oliver Schreiber ausnahmslos auf Wien gerichtet: «Wir betreuen die historisch bedeutsamsten Gebäude der Stadt.»
Auch das Spektrum der Projekte, die der Bundesbeamte bearbeitet, ist weit gestreut: Es reicht von der Restaurierung des Schwind-Foyers in der Staatsoper über den geplanten Umbau der Postsparkasse auf dem Georg-Coch-Platz und die Renovierung der Werkbundsiedlung im Westen der Stadt bis hin zu viel diskutierten Expertisen bezüglich der Denkmalwürdigkeit des Funkhauses in der Argentinierstraße und des ORF-Zentrums auf dem Küniglberg.
Auch bei der Rettung des Mobiliars von Hugo Meisl konnte Schreiber helfen. Der Fußballtrainer wohnte in der Zwischenkriegszeit, während der Siegesserie des österreichischen Wunderteams im Karl-Marx-Hof und räsonierte dort über Aufstellung und Taktik seiner Elf. Meisls Wohnzimmer wurde nach heftigen Debatten im Museum der Wiener Austria detailgetreu eingerichtet.

Sein Dankeschön.

Einem persönlichen Ehrenkodex folgend, sieht sich der Staatsdiener bei jedem Auftrag in der Pflicht der öffentlichen Hand: «Sie hat meine Ausbildung finanziert, und sie beschäftigt mich seit mehr als zwanzig Jahren. Deshalb möchte ich mit meinem Fachwissen etwas zurückgeben.» Oberste Richtschnur ist für ihn bis heute: «Der Gemeinnutz hat über dem Eigennutz zu stehen.»
Oliver Schreibers Weg in das Bundesdenkmalamt war – genau betrachtet – früh vorgezeichnet: «Meine Eltern haben sich in unseren Sommerurlauben mit unserem Opel Rekord auf Entdeckungsreisen begeben. Ich war mit ihnen gemeinsam in Griechenland und weit im Südosten der Türkei. Ephesos, Troja, Epidaurus, Mykene, Olympia – ich durfte die alten Bauwerke schon als Kind kennenlernen.»
Diese Erfahrungen dürften den Sohn eines Ur-Wiener Ehepaars (der Vater Ingenieur, die Mutter Sekretärin) nachhaltig geprägt haben. Er erinnert sich: «Bevor ich in die Volksschule kam, konnte ich bereits antike Tempel zeichnen.»
Nach der Höheren Technischen Lehranstalt für Hochbau in der Leberstraße und während des Studiums an der Technischen Universität Wien sammelte Oliver Schreiber erste berufliche Erfahrungen in international agierenden Planungsbüros. Doch dann wollte er lieber «zur nachhaltigen Erhaltung und Nutzung des Bestehenden» beitragen. Knapp vor dem Jahrhundertwechsel, im Dezember 1999, begann er im Bundesdenkmalamt zu arbeiten.
In seinem Fachbereich ist er durchaus stolz auf Wien: «Der Umgang mit dem Denkmalschutz, den wir in der Stadt pflegen, wird international als vorbildhaft wahrgenommen.»
Besonders gelobt werde, dass man in Wien historische Gebäude nicht unter einer Käseglocke verschwinden lässt, sondern für zeitgemäße Nutzungen offen hält. Dass auch Gemeindebauten als historisch einzigartig bewertet werden, wird anderswo sogar als sensationell eingestuft. Nicht zuletzt deshalb, weil es in vielen anderen Städten keinen kommunalen Wohnbau (mehr) gibt.
Bemerkenswert beim Blick vom Margaretener Wolkenkratzer nach unten sind auch die großzügig angelegten Grünflächen im Theodor-Körner-Hof. Sie fallen auf im sonst dicht verbauten 5. Bezirk. Der Fachmann für nachhaltiges Bauen erklärt diese Luftigkeit als «unbedingt schützenswert».

Sein Zimmer.

Auch Schreibers Schreibtisch steht in einem schützenswerten Gemäuer. Seine Dienststelle befindet sich in einem Seitentrakt der Hofburg, im zweiten Stock, Tür an Tür mit der Burgkapelle: «Es wird gesagt, dass dieser Raum einst Friedrich dem Dritten als Schlafzimmer diente.» Lange her. Ein Blick auf all die Aktenordner zeigt dagegen: Den Tag verschlafen dürfte in diesem Amt heute nicht mehr möglich sein.

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