Der grün-weiße Herr Violettvorstadt

Programmier-Pionier und Vereinsfreund

Wie aus einem Fußballskeptiker ein Fußballstatistiker wurde. Der vielseitig begabte und interessierte Franz Fiala hat aus Liebe zu seinem Sohn eine Rapid-Datenbank aufgebaut. Für Hannes Gaisberger (Text) und Mehmet Emir (Fotos) hat er sich vom Bildschirm abgewendet.

Mit dem, was der Herr Fiala erlebt hat, könnte man locker einen Augustin füllen. Mit dem, was er zu erzählen hat, noch einen. Was in der harten Realität des Zeitungsmarktes nicht geht, ist im Internet problemlos möglich. Fiala, ein pensionierter HTL-Lehrer, stellt die Dinge auf seinen diversen Webseiten einfach online. Seinen Lebenslauf, sein Maturazeugnis, seine Klassenfotos, Sinnsprüche. Und Daten zu Rapid Wien.

Auf ewkil.rapid.iam.at finden sich ein Kalender mit den Terminen und Geburtstagen rund um Rapid, dazu eine Unmenge an Statistiken und Daten, Fotos, Dokumente, ein Quiz und ein Tagebuch und noch mehr. Das «ewkil» steht übrigens für eine Zeile aus der Rapid-Hymne: «Egal wos kummt im Leb’n». Sowohl die Adresse als auch die Aufmachung der Homepage biedern sich dem_der Besucher_in nicht gerade an. Man könnte Herrn Fiala für einen Computernerd halten, doch Pionier trifft es besser.



Das Kastl im Auto

Mitte der 1980er-Jahre wundert sich Fiala über die Fußballfans unter seinen Schüler_innen. Ihre Schals und Rivalitäten und Sprüche interessieren ihn nicht im Geringsten. Der junge Lehrer begeistert sich für Computer, liest das Byte-Magazin und freut sich, als er 1986 endlich einen leistbaren «Taiwan-PC» auf der IFABO im Messezentrum auftreiben kann. Aus Platzmangel stellt ihn Fiala in der Schule auf und experimentiert dort herum. «Ich war vorher ein kleiner, unbedeutender Lehrer. Binnen weniger Monate bin ich in dieser Welt der Schule weltberühmt geworden.» Die Begeisterung im Lehrkörper kennt keine Grenzen und bald wird eine Sammelbestellung aufgegeben.

Die heiß ersehnten Geräte holt das Kollegium originalverpackt um fünf Uhr in der Früh am alten Frachtenbahnhof in der Sonnwendgasse ab. «Dann haben wir sie verteilt und um 8 Uhr waren wir pünktlich im Unterricht. Aber jeder hat sein Kastl im Auto gehabt», erinnert sich Fiala an die Kinderjahre des Personal Computer. Um sich gegenseitig zu unterstützen, habe man einen Club gegründet, der zu den besten Zeiten 2000 Mitglieder hatte. Der Club hat auch FidoNet angeboten, einen Vorgänger des Internet, bei dem die Botschaften in die USA schon ein paar Tage unterwegs sein konnten.

Noch ein Verein

Herr Fiala engagiert sich gern bei Vereinen. Neben dem ClubComputer ist er Mitglied bei Attac, dem Technologenverband, dem Hausbesitzerverband, dem Kuratorium für Presseausweise, beim ÖAMTC, dem Freidenkerbund und bei der Kirche des fliegenden Spaghettimonsters, den sogenannten Pastafari. Und dem SK Rapid natürlich. Doch wie geht das zusammen, Religion Rapid und atheistischer Pastafari? «Das ist natürlich total widersprüchlich. Aber ich bin weder so ein religiöser Pastafari, wie ich ein religiöser Fußballfan bin. Ich bin begeistert von dem ganzen Umfeld und der integrativen Wirkung, das gefällt mir alles sehr gut. Ich bin auch kein Austria-Feind. Das kann ich gar nicht. Oder nur während eines Derbys. Aber nach dem Schlusspfiff ist das für mich vorbei.»

Eingebrockt habe ihm das alles sein Sohn, so Fiala. «Ich konnte mit Florian nicht so wirklich reden. Und er war wie infiziert von diesem Bazillus Rapid. Da musste ich etwas machen. Also habe ich versucht, etwas beizutragen. Ich dachte mir: Wenn ich diese ganzen Spieldaten von Rapid hätte …» Der Verwalter des Rapidarchivs, Herr Pichler, hat dem pensionierten Lehrer gestattet, die historischen Daten von seiner Seite zu kopieren. Man ist mittlerweile gut befreundet. Fiala zollt Pichler Respekt: «Wenn man sich vorstellt, was das für eine Arbeit gewesen sein muss, diese Daten zu erheben!  Ich habe mir die also runterkopiert, in eine Datenbank eingepflegt, und daraus ist so langsam eine Statistikseite entstanden.» Natürlich hat es ihn gereizt, seine ehemaligen Unterrichtsgegenstände Webdesign und Programmieren auf einem anderen Level, in der Praxis, anzuwenden.

Er hätte es gern gesehen, wenn sich daraus in Zusammenarbeit mit dem Verein ein Online-Museum des SK Rapid entwickelt hätte, aber es hat sich bis dato nichts Konkretes ergeben. «Ich finde es schade, dass ein Verein, der sich auf so seine Tradition beruft, kein virtuelles Museum hat. Da hätte ich mich gerne eingebracht.» Seiner Liebe zu dem Verein tut das aber keinen Abbruch. Gemeinsam mit Sohn Florian besucht Herr Fiala wenn möglich alle Heimspiele von Kampfmannschaft und Reserve, dazu auch die Auswärtsspiele der Ersten. «Am Sonntag fahren wir nicht nach Altach, denn der Florian muss am Montag arbeiten.» Obwohl offiziell im Ruhestand, ist Fiala mit seinen diversen Projekten gut ausgelastet. Er verbringe den ganzen Tag vor dem Bildschirm. Aber er nehme sich Zeit für den Fußball. «Das ist auch sehr schön, weil ich mit dem Florian auf jedes Match gehen kann. Er ist Autist und hat keinen stabilen Freundeskreis. Er braucht jemand, mit dem er dann darüber reden kann.»

Wenn der Geigerzähler tickt

Große Pläne für die Rapid-Statistikseite gibt es im Moment nicht. Moderner Schnickschnack wie Heatmaps interessiert Herrn Fiala natürlich schon, «aber wo kriege ich die Daten her? Als Techniker würde ich das sofort machen, es ist ja genial.» Die Frage, ob es Statistiken gibt, die wenig aussagekräftig sind, führt weg von den Datenbanken in philosophische Bereiche: «Auf der einen Seite kommen mir alle diese Statistiken sinnlos vor. Und dann auch wieder nicht. Man weiß ja vorher nichts. Jeder hat eine Vorstellung, wie sich ein Spiel entwickeln könnte, aber es kommt immer anders.» Den oft undurchschaubaren Erfolgsrhythmus von Teams vergleicht Fiala mit dem Geräusch eines Geigerzählers. «Ein Atom zerfällt, das findet irgendwann statt. Man weiß nicht, wann. Wann fällt ein Tor? Da glaubt man, man hört den Geigerzähler ticken. Man kann das Spiel nachher analysieren, aber man kann vorher nichts über den Zeitpunkt sagen. Das finde ich packend. Das Spiel verwandelt Hoffnungen oder Befürchtungen in Realitäten.» Es sind also die unkalkulierbaren, unscharfen Elemente, die den vermeintlichen Datenmenschen am Fußball am meisten fesseln.

Zum Schluss möchte Herr Fiala noch etwas loswerden. Fiala komme aus dem Tschechischen und heiße eigentlich Violett, entfährt es dem Rapidler mit einem schelmischen Grinsen. Seiner tschechischen Wurzeln sei er sich erst im letzten Jahrzehnt so richtig bewusst geworden. «Eigentlich erst, seitdem die FPÖ so einen aggressiven Anti-Ausländer-Wahlkampf macht. Ich habe überlegt und mir gedacht: Mensch, du bist ja der, von dem die reden! Ich bin in zweiter Generation eingewandert, habe die ersten Jahre hauptsächlich tschechisch gesprochen. Mit der Familie ging ich noch auf den Horr-Platz, der damals Tschechischer-Herz-Platz hieß, wo sie sich beim tschechischen Turnverein Sokol betätigt haben.» Daher identifiziere er sich irgendwie mit den Serben und Türken, die heute am Pranger stehen. Außerdem erklärt sich damit auch die Vereinsliebe des Herrn Fiala: «Die Tschechen sind ein geselliges Völkchen. Die waren alle bei fünf, sechs Vereinen.» Manches lässt sich einfach nicht wegintegrieren. 

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