Der Herr Karl vom LandArtistin

Die bauernschlauen Spiele des landwirtschaftlichen Literaten Max Maetz

Am 1. Mai geht im Hof des Volkskundemuseums die musikalische Lesung Weilling, Land und Leute über die Bühne – mit an Bord sind Max Nagl und Otto Lechner.  Juliane Fischer sprach mit Regisseur Florin Mittermayr über den Autor Max Maetz, dessen Zuhause in Sankt Florian bei Linz und über die Poesie des Heimatbegriffes.

Wie sind Sie auf Max Maetz gestoßen?

Max Maetz verfolgt mich seit langem: Es kennt ihn ja heute eigentlich niemand mehr. Er ist Anfang der siebziger Jahre als neuer Stern am Literaturhimmel aus dem Nichts erschienen, und wohnte damals nach eigenen Angaben in der Einschicht Weilling, die zu St. Florian bei Linz gehört. Mein Großvater war Gutsverwalter im Stift, und ich habe dort einen guten Teil meiner Jugend verbracht.

Und was machte ihn so besonders?

Idylle mit experimenteller Sprache zu verbinden, das war neu. Sein Werk wurde in Fachkreisen mitunter als Entdeckung der naiven Literatur gefeiert, quasi als lange vermisstes Pendant zur damals aktuellen naiven Malerei.

Es geht darin durchaus derb und sehr fruchtbar zu, prinzipiell aber immer sehr unterhaltsam. In Wahrheit waren seine Geschichten aber genauso als Demaskierung des Landlebens gedacht. Ich würde mich zu sagen trauen: Max Maetz ist ein bisschen der Herr Karl vom Land. Und er zeigt auf: Alles, was für ihn zählt, ist der persönliche Vorteil. Von der Raika über die Zuckerfabrik in Enns bis zum Liebesleben bleibt immer nur das eigene Fortkommen im Blickfeld. Das haben die Florianer auf sich bezogen, und sich auf den Schlips getreten gefühlt, während der Literaturbetrieb durch den neuen Stil gefesselt war.


Wie waren die Reaktionen vor Ort?

Der publikumsscheue Max Maetz trat niemals ins Licht der Öffentlichkeit. Als sein Entdecker galt der Schriftsteller und Widerstandskämpfer Karl Wiesinger, und den kannte man natürlich. So viele Kommunisten gab es in St. Florian nicht. Dort hatte man auch von Anfang an wenig Zweifel, dass der Volksdichter und der politische Autor in Wahrheit ein und dieselbe Person sind. Dazu entspringen viele seiner Figuren mehr dem Florianer Alltag als der Fantasie. Beliebt hat er sich damit natürlich nicht gemacht. Umgekehrt wollte man aber auch wissen, was drinnen steht. Für die junge Generation hat gerade der Aufruhr und der verschriene, politische Autor die Sache interessant gemacht.

Hat er deswegen eine Kunstfigur geschaffen?

Wiesingers Bücher erschienen größtenteils in der DDR, beim Aufbau-Verlag. Dazu hat er mit dem Image des Betonkommunisten, der er so nun auch wieder nicht war, gespielt. Für den westlichen Literaturbetrieb war er somit eher Persona non grata. Auf die quicklebendigen Geschichten eines Max Maetz hingegen haben sich die Verlage fast gestürzt. 1971 wurde Karl Wiesinger als dessen Mentor zur Frankfurter Buchmesse eingeladen, Maetz’ Gesamtwerk erschien als zweibändige Ausgabe bei der Eremitenpresse.

Und wie kamen Sie zu Weilling, Land und Leute?

Es war gar nicht so einfach. Als sich etwas später die Nichtexistenz des Max Maetz auch in Deutschland herumgesprochen hatte, verschwanden seine Werke aus dem Buchhandel. Ich habe es also erst 1990 kennengelernt; mit der Ausgabe von Franz Steinmaßl, einem Mühlviertler Verleger. Er besorgte für seinen Verlag Edition Geschichte der Heimat den einzig bislang erschienenen Nachdruck, leider ist dieser schon lange vergriffen.

Was macht dieses Werk aus?

Die Stilistik: nicht Dialekt, aber schnörkellos gedachte Sprache ohne jede Rücksicht auf sprachliche Konventionen. Alles ist ohne Interpunktion geschrieben, sehr unverblümt und doch in bestechendem Rhythmus. Die ausgeführten Gedanken bekommen dadurch einen ungemein ehrlichen und unmittelbaren Anstrich. Und die kritische Auseinandersetzung mit dem Heimatbegriff und dessen Poesie und Romantik scheint mir in den Zeiten der Wiener Wiesn mehr als nur aktuell.

Die musikalische Lesung eröffnet die Freiluft-Saison der Mostothek. Wie steht der Autor zu diesem Getränk?


Das Wort kommt im Buch mindestens sieben Mal vor. Maetz und Most passen natürlich gut zusammen, und die ländliche Geschichte braucht einen ländlichen Rahmen. Im Volkskundemuseum ist es traumhaft im Hof, mit dem Baum und dem Tanzboden. Und einen Mostausschank kriegst du in Wien sonst nirgends. Dazu erinnert mich das Ambiente auch noch an den Meierhof neben dem Stift Sankt Florian – ein absoluter Idealfall.

Wie hat sich die Zusammenarbeit mit den Musikern ergeben?

Ich habe mit Otto Lechner gemeinsam die Schmoizhodan-Passion in der Drachengasse gemacht. Für den bäuerlichen Dichter ist die Ziehharmonika natürlich ein ideales Begleitinstrument. Otto war begeistert von der Idee und hat den Saxophonisten Max Nagl aus dem Salzkammergut dazu geholt, womit das eine G’schicht wird, die auch ein G’sicht hat. Dass beide dabei sind, ist ein großer Glücksfall: Es wird auch nicht nur so sein, dass ich lese, und dann kommt ein Lied – es geht um eine Lesung, die wirklich musikalisch koloriert wird. Und dazu noch der 1. Mai als Tag der Arbeit und Staatsfeiertag – was könnte idealer sein für die Auseinandersetzung mit der Heimat?

Weilling, Land und Leute

Musikalische Lesung mit Florin Mittermayr, Max Nagl und Otto Lechner

1. Mai, 19 Uhr

Mostothek im Volkskundemuseum

8., Laudongasse 19

 

Ein literarischer Außenseiter

Karl Wiesinger (1923–1991) war ein unbequemer Wiedergänger der österreichischen Literatur. Seine schriftstellerische Laufbahn vollzog sich als unberechenbare Abfolge von Auf- und Abtritten, als Pendeln zwischen Ignoranz und Würdigung. So wenig sein Werk sich stilistisch eindeutig festlegen lässt, so klar arbeitete Wiesinger seine thematischen Linien heraus: Schreiben bedeutete für ihn eine kontinuierliche Beschäftigung mit zeitgeschichtlichen Stoffen und Konstellationen.

1923 in Linz als Sohn eines Dentisten und einer Hausfrau geboren, wuchs er in kleinbürgerlichen Verhältnissen auf. Prägend waren die Kämpfe im Bürgerkriegsjahr 1934. «Die Schüsse damals und die Belagerung des Zentralkinos durch das Bundesheer und die Pferdekadaver nachher auf den Straßen und Munitionshülsen, einige Tote, die ich gesehen hab als Kind, das hat mich stark beeindruckt», erzählt Wiesinger in einem Interview 1974. Der Spanische Bürgerkrieg politisierte ihn nachhaltig. «Auf uns hat das damals so gewirkt wie der Vietnam-Krieg», erklärt er im selben Interview, «das offensichtliche Unrecht, dass da eine demokratisch gewählte rote Republik von Faschisten niedergewalzt wird.» Den Einmarsch der Nazis im März 1938 erlebte Wiesinger als Schock. Auf Drängen des Vaters nahm er eine Ausbildung zum Zahntechniker auf, wurde allerdings 1941 zur Wehrmacht eingezogen und einer Transportbrigade im Finnland-Feldzug zugeteilt. Dort beging er Sabotageakte, die ihm einen Prozess vor dem Militärgericht einbrachten. Im Lauf der Kriegszeit saß Wiesinger mehrere Monate in Haft, während der er eine Lungentuberkulose erlitt.

Nach dem Krieg nahm er seine Lehre wieder auf und gründete eine zahntechnische Praxis, musste diese aber aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme 1960 endgültig schließen. Bereits im Lauf der 1950er schrieb und publizierte er regelmäßig Kurzgeschichten, einige seiner Theaterstücke wurden in Linz uraufgeführt. In den 1960ern setzte die Arbeit an großen zeitgeschichtlichen Romanen ein. Der «Anschluss»-Roman Achtunddreißig – Jänner Februar März wurde 1967 beim Aufbau-Verlag in der damaligen DDR publiziert und mit 8000 verkauften Exemplaren Wiesingers Bestseller. Zwei weitere Romane über die Februarkämpfe 1934 (Standrecht) und den Oktober-Streik 1950 (Der rosarote Straßenterror) folgten, ebenso wie sein Literaturstreich Weilling Land und Leute (1972).

Trotz des kurzfristigen Wirbels rund um diese Publikation blieb Wiesinger ein literarischer und politischer Außenseiter, der zusehends vereinsamte. Zur Frustration aufgrund mangelnder Anerkennung gesellte sich die Enttäuschung über das Scheitern des real existierenden Sozialismus, das Wiesinger noch miterlebte. Mit dem Mauerfall brach für ihn eine Welt zusammen, an deren Vorzüge gegenüber dem kapitalistischen System er bis zuletzt bedingungslos geglaubt hatte. 1991 starb er in Linz. Sein literarischer Nachlass befindet sich am Adalbert-Stifter-Institut des Landes Oberösterreich.