Auch Augustin TV dokumentiert fragwürdige Raiffeisen-Monopolstellung
Die Pressekonferenz, zu der der Augustin kürzlich die Medien eingeladen hatte, um ihnen die Autoren der ständigen Rubrik zur Aufklärung über die Raiffeisen-Dominanz in der österreichischen Wirtschaft(spolitik) vorzustellen und auf die Raiffeisen-Doku von Augustin TV aufmerksam zu machen, leitete Redaktionsmitglied Robert Sommer mit folgenden Überlegungen ein:Am 15. Oktober ist überall in der Welt gegen die Bankenmacht demonstriert worden. Die Menschen gingen auf die Straßen und Plätze, weil es sie empört, dass sozusagen der Schwanz mit dem Hund wedelt. Das heißt, dass die Banken den Regierungen Befehle erteilen und nicht umgekehrt. Auch in Wien sind 3000 Leute auf die Straße gegangen. Zwei Dinge sind mir dabei aufgefallen.
Erstens war das von der Polizei bestbewachte Haus in der Mariahilfer Straße, durch die sich die Demo wälzte, das Kleiderbauer-Geschäft, und nicht etwa die Banken. Entweder hat die Polizei geglaubt, es handle sich um eine Tierrechts-Demonstration, oder sie hat richtig vermutet, dass es mit der Wut der Menschen gegenüber den österreichischen Banken noch nicht weit her ist.
Zweitens sind unendlich viele Sprüche auf Pappkarton oder auf Transparenten mitgeführt worden, ich habe aber keinen einzigen Slogan gesehen, der auf Raiffeisen Bezug nahm. Ist das nicht kurios? dachte ich mir: Da lassen sich 3000 Leute mobilisieren, um gegen die Diktatur der Finanzinstitutionen zu protestieren, und keiner hat was gegen die mächtigste in Österreich vorzutragen. Dabei ist die Raiffeisengruppe genauso mitverantwortlich für die Krise, in die wir nun immer tiefer hineinrutschen, wie die großen Akteure auf den Finanzmärkten insgesamt. Denn auch Raiffeisen hat im großen Stil Wetten abgeschlossen und spekulative Transaktionen unternommen.
(Anmerkung: Ich bin drei Tage nach dem Pressegespräch eines besseren belehrt worden. Ein «Standard»-Journalist, siehe auch im «editorial», hatte berichterstattet, dass ich raiffeisenkritische Aussagen bei der Antibankendemo vermisste habe; ein Augustin-Leser schickte mir Fotos von der Demo, um mich augenzwinkernd zu widerlegen. Eines der Fotos ist auf dieser Seite sehen).
Dass der Charakter des Hauptgeschäfts von Raiffeisen, der dem aller anderer ins Strudeln geratene Spekulationsgeneratoren entspricht (weshalb auch Raiffeisen eine Milliardenhilfe vom Staat beanspruchte) nicht so wahrgenommen wird, liegt an der guten Performance der Raiffeisen-Manager. Sie treten wie Zuckerrübenbauern oder Lagerhausverwalter auf – und nicht wie Global Player.
Dass die sonderbare Unberührbarkeit, ja volkstümliche Respektabilität des Raiffeisenbosses Konrad mit der Tatsache kollabiert, dass der mächtig genug ist, um zumindest zwei Bereiche des österreichischen Realität zu kontrollieren, nämlich die Finanz- und Steuerpolitik und die Landwirtschaft und Agrarproduktion, hat die Nobelpreisträgerin Elfriede Jelinek literarisch verarbeitet. Aus Jelineks Internet-Roman «Neid»:
Sein Hintergrund ist so hell von Gott erleuchtet ist, dass man den Herrn Direktor nur sieht, weil er einen dunklen Anzug trägt, der Mann kommt bei der Bevölkerung gut an, weil sie ihn trotz seinem Anzug nicht sieht, die Bevölkerung schaut zu tief ins Glas, sie schaut auch in die Zeitungen und Zeitschriften, die der Herr Direktor dirigiert, und dort werden sie den Direktor nicht finden, dort werden sie keinen Direktor finden, weil er in der Kirche ist oder gerade in die Kirche wallfahrtet; der Hintergrund schaut von vorne zu dunkel aus, obwohl er hell und strahlend christlich ist, dieser Hintergrund, welcher daraus besteht, dass im Osten schon wieder zehn Banken gekauft worden sind, die Banken fressen sich tief in den Osten hinein, da können auch Sie sich eine Scheibe abschneiden…
(zwiti) Gegen den ökonomischen Analphabetismus
Vor ein paar Tagen habe ich einen Häftling in Stein besucht. Es handelt sich um einen Langzeithäftling, der Bankeneinbrüche abbüßt. Nur doch drei weitere Jahre muss er absitzen. Vielleicht ist das ein gutes Timing, hab ich ihm gesagt. Vielleicht machen die Medien Sie in drei Jahren, wenn sie rauskommen, zum Hero, sagte ich ihm. «Die gehören doch alle einem Jägermeister», grinste er. «Die Jäger werden uns Wilderer immer auf der Abschussliste haben.»
Weil der Augustin naturgemäß an der Seite der Wilderer ist, und weil er ausreichend unabhängig ist, um diese Parteilichkeit durchzustehen, hat er ein Journalistenduo – Lutz Holzinger und Clemens Staudinger – gebeten, die Leserinnen und Leser über das System aufzuklären, das der Jägermeister repräsentiert (Anmerkung: Christian Konrad, oberster Banker der Raiffeisengruppe, ist zugleich niederösterreichischer Landesjägermeister und Veranstalter der elitärsten Wallfahrten nach Mariazell). Sie werden das in jeder Ausgabe tun, und zwar solange, bis sich das Thema Finanzmärkte erledigt hat. Auf der Basis der ersten Texte ist die dreiteilige Filmdokumentation von Augustin TV entstanden, deren Ausstrahlung auf Okto (siehe Info) der eigentliche Anlass unserer Pressekonferenz war.
Die Doku-Trilogie, eine Produktion von Florian Binder und Christina Steinle, und die Endlos-Rubrik in der Printausgabe verstehen wir als pädagogisches Mittel gegen den ökonomischen Analphabetismus, der immer noch vorherrschend ist, sonst würden die Menschen nicht bäuerliche Genossenschaften, sondern globale Finanzmarktmanipulationen assoziieren, wenn von Raiffeisen die Rede ist.
Ob wir uns als kleine Straßenzeitung eine Volkswirtschaftskompetenz anmaßen, könnte man fragen. Ob das ganze Thema nicht eine Dimension zu hoch wäre für den Augustin. Nein, es ist ein niedriges Thema, antworten wir. Weil die Regierungen als erstes die Sozialausgaben kürzen werden, um die weitere Bankenrettung zu finanzieren. Und das trifft die Niedrigen und die Erniedrigten, deren Lobby der Augustin sein will.
Info:
Die Raiffeisen-Doku auf Okto:
Erster Teil bereits gesendet; ab 28. 11. 2012 auf Oktothek online.
Zweiter Teil: 17. 11., 21 Uhr. Wiederholungen: 18. 11., 19 Uhr; 19. 11., 17 Uhr.
Dritter Teil: 15. 12., 21 Uhr. Wiederholungen: 16. 12., 19 Uhr; 17. 12., 17 Uhr.