Der Jazzer Sascha Dujin pendelt zwischen Wien und Novi SadArtistin

Wie Bomben aufs Riesenrad

Ende Juli feiert Sascha Dujin seinen 40. Geburtstag. Wer weiß, wo er ihn feiern wird. In seiner malträtierten Heimatstadt Novi Sad, der Stadt ohne Brücken und ohne Hoffnung? Oder in seiner zweiten Heimat Wien? Am liebsten wäre ihm, er könnte anläßlich des Geburtstages sein in der Altstadt von Novi Sad gelegenes Jazzlokal, vor dem Krieg ein Sammelpunkt der aufstrebenden Jung-Jazzer der Wojwodina-Metropole, wiedereröffnen. Zum Zeitpunkt unseres Gesprächs – Mitte Juni – schien es ihm aber noch ziemlich undenkbar, in diesem „Nachkriegs-Vakuum“ ohne Elektrizität und ohne Perspektive und vielleicht ohne allgemein respektierte Autorität irgend etwas Neues und Zukunftsträchtiges in dieser Stadt in Gang zu bringen.Zwölf bombige Wochen. Fast alle hat der Musiker Sascha Dujin mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Novi Sad verbracht. Die Flucht aufs Land, nach den ersten Bomben, blieb nur eine kurze Episode. „Nach den ersten Fliegerangriffen haben viele gesagt: Nach ein paar Tagen wird alles vorbei sein, ziehen wir – bis es soweit ist – raus aus der Stadt. Aber der Krieg ging weiter, und nach und nach kamen die Leute wieder in die Stadt zurück, trotz der Bombardements. Sie wollten auf ihre Wohnungen aufpassen oder ihrer Arbeit nachgehen, soweit das möglich war. Natürlich, wer konnte, ging ins Ausland.“

Nur zu gern hätte Sascha gewußt, warum die Nato ausgerechnet jene Städte am meisten zerstörte, in denen vor drei Jahren die Opposition die Wahlen gewann und in denen die hoffnungsvollsten Ansätze liefen, das Milosevic-Regime mit friedlichen Methoden zu bezwingen – die beiden Städte Nis und Novi Sad. Alle in Novi Sad stellen sich diese Frage. Novi Sad ist Jugoslawiens Multi-Kulti-Stadt. „Unsere Radionachchrichten wurden in sechs verschiedenen Sprachen gesendet“, sagt Sascha. „Und die Eisgeschäfte in unserer Stadt waren, fast gesetzmäßig, in der Hand der Albaner.“

Wer über Novi Sad redet, redet über seine Donaubrücken. Wenn auf der Praterbrücke in Wien der Autostau sich nach einer Stunde immer noch nicht aufgelöst hat, spricht man von Katastrophe. Das zeigt nur, welche Bedeutung die Brücken im Leben einer Stadt haben. In Novi Sad sind alle drei Brücken (oder alle fünf, wenn man den Großraum betrachtet) zerstört worden. Vor dem Krieg, schätzt Sascha Dujin, mußte die Donau von 25.000 Novisadern täglich überquert werden, um die Arbeits- oder Ausbildungsplätze zu erreichen. „Heute mußt du vier, fünf Stunden warten, um Platz auf den schwimmenden Pontons zu erkämpfen.

„Stell dir vor“, verdeutlicht Sascha, „der Krieg kommt nach Wien und die Nato zerbombt am ersten Tag das Riesenrad. So war das Gefühl der Leute, als die erste Brücke ruiniert war. Noch Tage nach der Zerstörung sind die Leute zur Donau gekommen und haben geweint. Es war eine Brücke wie die alte Wiener Reichsbrücke.“

Der serbische Künstler teilt nicht die Auffassung vieler, der Krieg habe die Macht Milosovics gefestigt. „Die Leute hoffen, daß der Westen den Wederaufbau zahlt, aber sie fürchten, die Investitionen kommen nicht, solange Milosevic an der Spitze ist“. Sascha selber ist Milosevics Politik nie gefolgt. Als 1991 der Krieg in Kroatien losdonnerte, brach er mit Kind und Kegel und über Nacht nach Wien auf: „Die jugoslawische Armee wollte mich haben. Ich habe überraschenderweise den Einberufungsbefehl gekriegt. Gegen Vukovar? In dieser Stadt habe ich mehr als 20 Konzerte gegeben. Ich habe mir absolut nicht vorstellen können, daß ich dorthin gehe, um zu schießen“.

Wien war damals für Sascha Dujin längst keine fremde Stadt mehr. Die Leitung des Rundfunkorchesters von Novi Sad hatte den talentierten Klavierspieler 1979 nach Wien geschickt, um in der Jazzabteilung des dortigen Konservatoriums (in der Klasse von Professor Fritz Pauer) ausgebildet zu werden. Bereits während seines Wiener Studiums arbeitete er mit vielen Musikern zusammen: Fritz Steiner, Aladar Pege, Rudi Wilfer, Voja Brkovic, Alfred Winter… Mit seiner Band „Sascha Dujin Quartett“ tingelte er in den 80er Jahren kreuz und quer durch Österreich.

1989 wurde er Dirigent in „seinem“ Rundfunkorchester, der Big Band der Radiostation Novi Sad. Diese Funktion übte er bis zu seiner Flucht vor dem Armee-Einsatz aus. 1993 übersiedelte seine Familie wieder nach Novi Sad; der Musiker konnte einen Job in Wien nachweisen, sodaß er in Serbien vor gerichtlicher Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung verschont blieb. Seither ist Sascha Dujin „einmal hier, einmal da“. In der Bundesrepublik Jugoslawien arbeitet er vor allem mit dem populären Sänger Djordje Balasevic zusammen. Mit ihm nahm er auch an einem der legendären Belgrader Anti-Nato-Rockkonzerte während der Bombardierungen teil. Freilich eher widerwillig: „Diese Konzerte sind politisch mißbraucht worden – im Sinn einer Milosevic-Propaganda“, schätzt Sascha Dujin ein.

Wenn Sascha donauaufwärts in Wien weilt, teilt er seine Schwingungen mit Werner Mras und den anderen Freunden von der Jazzformation Ado Ado (Kürzel für: An der Oberen Alten Donau). Auch von Wien aus läßt sich planen, welche Beiträge er leisten könne, um das kulturelle Leben im geschundenen Novi Sad wieder in Schwung zu bringen. Und vielleicht steigt irgendwann wieder ein Festl im „Jazz“. Der Name seines Künstlerlokals in der Alstadt von Novi Sad ist Programm.

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