Der Kampf um Anerkennungtun & lassen

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«Wer nimmt mich mit über fünfzig im Gastgewerbe, es wird immer schwieriger.» Ohne Murren alles gemacht zu haben, zählt plötzlich nicht mehr. Die Vereinbarung, dass Fleiß und notwendige Unterordnung bei der Arbeit mit sozialer Sicherheit und Anerkennung belohnt werden, ist aufgekündigt. Ausbildung, Fleiß, Entsagungen, Treue all das schützt nicht vor Abstieg.

Das nehmen die Betroffenen als eklatanten Verstoß gegen die Fairness wahr, als eine tiefe Verletzung und Kränkung. All das löst schwere Ohnmachtsgefühle aus. Die Debatte über die Faulheit der anderen und die gleichzeitige Anrufung der Anständigen und Tüchtigen ist hier begründet. Die soziale Disqualifizierung von hunderttausenden Menschen wird nicht wahrgenommen. Ihre Situation wird heruntergespielt, mit leeren Parolen zugedeckt. Die Ignoranz rächt sich spätestens dann, wenn in dieser Arena des Kampfes um Anerkennung die Demagogen und Hetzer das alleinige große Wort führen.

Es geht um relative Verschlechterungen und Gefährdungen. Es gibt eine klare Verbindung zwischen Unsicherheit und Kontrollverlust auf der einen sowie Abwertungs- und Ausgrenzungsideologien auf der anderen Seite. Die Gegenseitigkeit ist gebrochen, eine unausgesprochene Übereinkunft einseitig beendet worden. Um diese Grenze der Anerkennung wurden in der Geschichte die wichtigsten Auseinandersetzungen geführt. Durch die seit den fünfziger Jahren erkämpfte Teilhabe an Wohlstand, Bildung und sozialer Sicherung wurde die große Mehrheit der Arbeitnehmer_innen und kleinen Selbstständigen in diese soziale Mitte der Anerkennung integriert. Eben dieses Sozialmodell steht heute wieder zur Diskussion. Mehr Unsicherheit und weniger Anerkennung prägen den Arbeitsalltag. Anerkennungsverhältnisse spielen eine wichtige Rolle. Wer sie nicht zur Verfügung hat, sucht dafür umso mehr symbolische Nahrung.

 

In einem Automobilwerk stoßen Leiharbeiter auf Vorarbeiter mit Migrationshintergrund, berichtet Sozialwissenschafter Klaus Dörre aus einer Studie. Es kommt zu Anfeindungen. Die Vorarbeiter seien arrogant und hochnäsig, meinen die Leiharbeiter. Wenn diese Ausländer nicht wären, würde es auch ihnen gut gehen. Der Wunsch, selbst auch zur Stammbelegschaft zu gehören, bekommt eine fremdenfeindliche Wendung. Und jetzt kommt noch etwas dazu: Im Betrieb sind derartige Anfeindungen unerwünscht und werden von der Werksleitung sanktioniert. Aufgrund dieser Konstellation entwickelt sich Ausländerfeindlichkeit zum subversiven Akt gegen «arrogante Türken» und gleichzeitig gegen «die da oben», die ihre «ausländerfreundliche» Politik mit repressiven Mitteln durchsetzen. Die Chefs im Automobilwerk sind liberale Kosmopoliten, die Rassismus nicht dulden, oder zumindest Manager, die keine Störungen in der Produktion brauchen können. Für die prekär Beschäftigten sind sie aber die eigentlichen Verursacher von Unsicherheit und Abstiegsängsten.

 

Ausländerfreundliche, tolerante Haltungen werden in den Augen der Befragten somit ausgerechnet von jenen zur Norm erklärt, welche für die schwierige Situation von Leiharbeiter_innen verantwortlich sind.  

 

Tipp: Die Integrationslüge. Antworten in einer hysterisch geführten Auseinandersetzung, Deuticke.

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